Goldstein im Verkehrsdilemma

Wo Schulkinder Freiwild sind

Goldstein im Verkehrsdilemma

Seit mittlerweile 60 Jahren ist Jürgen Düring im einst „wunderschönen“ Alt-Goldstein verwurzelt, dort wo etwa 700 Quadratmeter große Gärten hinter dörflich anmutenden (Doppel)häusern wie Oasen für die Seele wirken und er früher mit den Nachbarskindern noch auf der Straße spielte. Doch diese Idylle ist durch die kontinuierliche Ausweitung des Flug- und Autoverkehrs schon lange verlorengegangen. „Wenn Sie mich besuchen, fahren sie doch vorher einmal den Tannenkopfweg von der Uferstraße bis zur Straßburger Straße und zurück. Dabei lernen Sie gleich das tägliche Chaos bei uns kennen“, warnt er mich vor.

Indem die Stadt die Straßenverbindungen Am Ruhestein / Harthweg und Schüttenhelmweg / Sauerackerweg – also zwischen Goldstein-Süd und Schwanheim – kappte, schleuste sie die Automassen durch den Tannenkopfweg. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass das städtische Planungsdezernat in Zusammenarbeit mit dem ADAC Hessen bereits lange vorher, vom 6. bis 11. Juni 1974, am Tannenkopfweg einen Versuch zur Verkehrsberuhigung durchführte, um dort Durchgangsverkehr zu vermeiden. Schließlich ist der Tannenkopfweg ein klassisches Nadelöhr. Auf der einen Seite die B40 als Weg über den Main nach Höchst, Griesheim und den Nordwesten von Frankfurt, auf der anderen Seite die Bürostadt Niederrad.

Den geballten Durchgangsverkehr behindern heute in die Fahrbahn ragende, bepflanzte und somit die Sicht nehmende Verkehrsinseln, die teilweise auch zur Begrenzung von Parkstreifen dienen. Aus zwei Fahrspuren mit gegenläufigem Verkehr wurde in weiten Streckenabschnitten faktisch eine, die aber nach wie vor in beide Richtungen befahren wird. Seitdem nutzen Autofahrer – wie findige Taxifahrer in Ugandas Hauptstadt Kampala – nach Bedarf die Bürgersteige als erweiterte Fahrspur. Und zwar gerade so, als gelte es den von der Goldsteinschule heimkehrenden Grundschulkindern einen größtmöglichen Schrecken einzujagen. Der Versuch der Synchronisierung zwischen charmanten Siedlungshäusern aus den 1930er Jahren und Autoverkehr wie in einer afrikanischen Großstadt stößt bei den betroffenen Anwohnern verständlicherweise auf wenig Gegenliebe. “



„Gefährlich ist es im Tannenkopfweg“, berichtet eine Mutter, die ihre Kinder von der Grundschule abholt und sie auf dem Fußgängerweg strikt an die Hand nimmt. Autofahrer würden noch nicht einmal am Zebrastreifen halten. Kaum jemand lässt noch sein Grundschulkind im morgendlichen Berufsverkehr alleine über den Tannenkopfweg gehen. Die Betreiberin des "City Nine Kiosk" berichtet von wahren Machtkämpfen auf der Straße: „Hier geht es darum, ob sich die Autofahrer von oben oder von unten durchsetzen“. Denn diese treffen an den Kreuzungen aufeinander, ohne wegen der dort eingerichteten Engführungen, wie z. B. Verkehrsinseln, aneinander vorbeifahren zu können.

Ein Stück weiter, an der Ecke zum Schüttenhelmweg, ist wieder einmal nichts klar. Der eine Fahrer hupt, der andere gestikuliert wie wild. Und das zur Mittagszeit an einem gemächlichen Homeoffice-Freitag, während der eigentliche Verkehr zu den Stoßzeiten von Dienstag bis Donnerstag brüllt und keine Fußgänger mehr auf den Bürgersteigen duldet – denn an Straßenecken wie Tannenkopfweg / Am Goldsteinpark nutzen dann im Prinzip alle Autos die Gehwege, um aneinander vorbei zu kommen.

Ob zwei Mini-Kreisel zur Erleichterung des Begegnungsverkehrs in Höhe Schüttenhelmweg und Zur Frankenfurt, mit deren Umsetzung der damalige Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) bereits 2019 schwanger ging, und eine Einbahnstraßenregelung – beides möchte der Magistrat noch in diesem Jahr einleiten – eine Lösung für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer darstellen? Es sind maximal fakultative Maßnahmen, deren Wirksamkeit zu erproben ist.

Jürgen Düring empfiehlt indes die Wiedereröffnung der Verbindungen zwischen Goldstein und Schwanheim, um einen fairen Lastenausgleich zwischen „geballter Ruhe oben und geballtem Stress auf dem Tannenkopfweg“ zu erreichen. Die 800 Mitglieder umfassende Siedlergemeinschaft Goldstein e. V. geht noch einen Schritt weiter. Sie möchte für eine „verkehrsgerechte Verbindung zwischen Niederrad und Schwanheim“ gar die Trasse der Straßenbahn am Waldrand entlang heranziehen. Denn schließlich würden die Straßenbahnen in Frankfurt auch an anderer Stelle auf öffentlichen Straßen fahren, heißt es zur Begründung.


Claus Folger

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