Europas bekanntester Acker
Zweifelhafter Ruhm für Frankfurt

Hübners Frankfurter Woche – Folge 124
Um die Infrastruktur und das Erscheinungsbild im öffentlichen Raum in Deutschland ist es nicht mehr sonderlich gut bestellt. Das wird gerade dann bemerkt, wenn Ausländer in Massen deutsche Städte besuchen, um dort ihre Mannschaften bei den Fußball-Europameisterschaften zu unterstützen. Die Älteren unter ihnen, die schon beim „Sommermärchen“-WM 2006 in unserem Land waren, werden schnell bemerkt haben, daß vieles nicht mehr so gut funktioniert wie noch vor 18 Jahren.
Zum Beispiel in Frankfurt, der sich gerne als internationalste Stadt in Deutschland präsentierenden Mainmetropole und Sitz des Deutschen Fußballbunds samt Akademie auf der ehemaligen Pferderennbahn. Dort ist nun ausgerechnet der Rasen im Waldstadion in die Kritik geraten. Selbst Bundestrainer Julian Nagelsmann bemängelte vor dem Spiel der DFB-Auswahl gegen die Schweiz: „Ich will keinem zu nahetreten, aber der Rasen ist einfach nicht gut“. Zuvor hatten schon die Engländer im Stadion gastiert und über die Qualität der Spielfläche lamentiert.
Ob es am Rasen lag, daß Deutschland gegen die Schweiz beinahe verloren hätte, bleibt der Spekulation überlassen. Für Dribbelkünstler wie Musiala war es jedenfalls nicht die richtige Bühne. Und Frankfurt muß sich nun mit dem zweifelhaften Ruhm beschäftigen, den derzeit bekanntesten Acker in Europa zu haben. Unter dem Acker im Waldstadion wird auch das letzte EM-Spiel in Frankfurt leiden, das Achtelfinale zwischen Portugal und Slowenien. Wehe, wenn der alternde portugiesische Weltstar Ronaldo dann in einem Platzloch eine Verletzung erleiden sollte!
Der Grund für den schon länger bekannten miserablen Zustand des Rasens ist wahrscheinlich in den Folgen der Gastspiele amerikanischer Footballvereine im vergangenen November zu suchen. Bei dieser Kampf- und Raufsportart wurde das gepflegte Grün extremer strapaziert als bei Bundesligaspielen der Eintracht. Doch haben die hohen Einnahmen bei den bestens besuchten Spektakeln im Herbst offenbar zu sehr verlockt, um die Folgen fürs Spielfeld zu bedenken. Doch in die Stadt der Bankhochhäuser und der EZB, in der sich fast alles ums Geld dreht, passt das ja auch irgendwie.
Wolfgang Hübner