Als Ronaldo in Frankfurt weinte

Was von den EM-Spielen im Stadion bleiben wird

Als Ronaldo in Frankfurt weinte
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Hübners Frankfurter Woche – Folge 125

Wer schon vor 50 Jahren die Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland miterlebt hat, wird nicht nur das siegreiche Endspiel der Beckenbauer-Elf gegen Holland in Erinnerung haben. Unvergesslich ist auch die Wasserschlacht im Frankfurter Waldstadion beim Spiel der Bundesrepublik gegen die starken Polen, bei dem Gerd Müller das entscheidende Tor für den Einzug ins Finale gelang. Der Regen hatte das Rasenfeld zu einem See gemacht, heutzutage würde unter solchen Bedingungen das Spiel überhaupt nicht mehr angepfiffen.
 
Doch weil das damals anders war, ist die Wasserschlacht legendär geworden und auf immer mit Frankfurt verbunden geblieben. Was von der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland bleiben wird, das dürfte sich noch zeigen. Ein Ereignis hat jedoch beste Chancen, in kollektiver Erinnerung zu bleiben. Und wieder wird Frankfurt und sein Stadion darin eine Rolle spielen. Zu verdanken ist das ausgerechnet einem mißglückten Elfmeter, den der neben dem Argentinier Lionel Messi zweifellos berühmteste Fußballer der Welt im Spiel seiner Portugiesen gegen Slowenien in der Verlängerung nicht ins Netz brachte.
 
Es war nämlich Christiano Ronaldo, nach seiner Rückennummer auch bekannt als CR7, der nach dem vom gegnerischen Torwart famos gehaltenen Schuss schier in Verzweiflung geriet. In der kurzen Pause der Verlängerung weinte der 39-jährige Multimillionär, der seit über 20 Jahren Profi ist und schon alles erlebt hat, hemmungslos und musste von seinen Mitspielern getröstet werden. Geweint haben soll auch seine geliebte Mutter auf der Zuschauertribüne. Selbst hartgesottene Profis haben schon nach verlorenen Spielen bittere Tränen vergossen, aber niemand zuvor so spektakulär noch vor dem Abpfiff.
 
Die mancherorts geäußerte Vermutung, Ronaldo habe nur eine große Show abgezogen, ist ziemlich bösartig. Auch wenn der Weltstar nicht der größte Sympathieträger seines Sports ist: Über diesen Verdacht ist er erhaben, die Tränen waren echt. Dass er Charakter hat, bewies Ronaldo beim ersten Elfmeterschießen des Turniers: Er trat als erster Schütze an, diesmal warf sich der Torwart vergeblich in die Ecke. Am Ende hat Portugal auch deshalb gewonnen und Ronaldo samt Mutter waren doch noch glücklich. Beide werden unsere Stadt also in bester Erinnerung behalten. Frankfurt aber hat mit Sicherheit einen der emotionalsten Momente des Turniers erlebt. Das mag auch darüber hinwegtrösten, daß nun im Waldstadion kein weiteres EM-Spiel mehr stattfinden wird.    
 
Wolfgang Hübner 
 

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