Verkehrspetzer auf dem Vormarsch
Stadt Frankfurt beteiligt sich an lukrativem Geschäft
In diesem Jahr machte der so genannte "Anzeigenhauptmeister" Niclas Matthei aus Gräfenhainichen in den Medien Furore.
Der mittlerweile wegen Volksverhetzung Verurteilte stellt auch so etwas wie die überspitzte Form des ehrenamtlich tätigen Bürgerideals für die Frankfurter Römer-Koalition dar.
Niclas Matthei, stets mit fast festgewachsenem Fahrradhelm auf dem Zweirad unterwegs, hat es sich nämlich zur Lebensaufgabe gemacht, fast täglich seinen Ort zu durchforsten und falsch parkende Fahrzeuge zur Anzeige zu bringen. Damit tritt er die Nachfolge des berüchtigten "Knöllchen-Horst" Horst-Werner Nilges aus dem Harz an, der mit Beginn seiner Frührente zwischen 2004 und 2017 etwa 56.000 Anzeigen wegen Verkehrsverstößen erstattet hatte.
Angeblich habe Niclas Matthei im Alter von zwölf Jahren angefangen, Gesetzestexte zu lesen. Mit 15 Jahren habe er begonnen, Falschparker im Rahmen von Stadtrundgängen zu erfassen. Später setzte er sich offenbar das ehrgeizige Ziel, auf Reisen in jeder deutschen Stadt mindestens einen Falschparker anzuzeigen. Dazu nutzt er das von dem in Friedland/Mecklenburg-Vorpommern ansässigen IT-Fachmann und Campingplatzbetreiber Peter Schröder verantwortete Portal www.weg.li, auf dem Privatpersonen jederzeit Falschparker melden und entsprechende Fotos hochladen können. Auf seinem Xing-Profil posiert Schröder mit "St. Pauli"-Baseballkappe, bezeichnet sich als "Chef Petze" und fordert: "Verkehrswende selber machen durch sichere Radwege und freie Bürgersteige, besonders für Kinder!"
Solches Bürgerengagement trifft auf eine unter den Deutschen weit verbreitete Mentalität des Bespitzelns und Denunzierens. Nicht Laissez-faire, sondern "Jeder gegen Jeden" scheint das hiesige Lebensmotto. Auch so kann man innere Leere bekämpfen und "Lebenssinn" finden. Die Corona-Zeit war ein Lehrbuch in dieser Mentalität. Und solch ehrenamtlicher Einsatz findet Wohlgefallen bei den Kommunen, die sich auf diese Weise Zuschüsse in die klammen Stadtkassen erhoffen.
Zwar haben sich "Knöllchen-Horst" und der "Anzeigenhauptmeister" bei ihren Stadtverwaltungen nicht nur Freunde gemacht, da sie dort die Bearbeitungskapazitäten sprengten. Doch ganz so extrem muß es ja nicht laufen, dachte sich offenbar die Stadt Frankfurt. Schon heute sind private Spürhunde unterwegs, um "Falschparker", zum Beispiel zu abendlicher Stunde in Sachsenhausen, aufzufinden und anzuzeigen. Deren Motive dürften vielschichtig sein, so dass sich wohl eine Gemengelage aus purer Lust an der Denunziation, aus Erziehungseifer, aus Auto-Hass und persönlichem Parkplatzsuch-Frust gebildet hat.
In den beiden vergangenen Jahren seien nach städtischen Angaben bei der Stadt jährlich etwa 54.000 Privatanzeigen zum ruhenden Verkehr eingegangen. Dadurch seien 1,75 Millionen Euro für den Haushalt erwirtschaftet worden. Ein Bombengeschäft für die Stadt.
Um den fleißigen privaten Bienchen zu helfen, hat das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt im Februar auf ihrem Internetportal unter der Rubrik „Bußgeldstelle - Verkehrsordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr“ ein Online-Formular eingerichtet, auf dem jeder Bürger rasch Anzeige gegen falsch parkende Mitbürger stellen kann. Das Formular, das für die Anzeige nötig ist, könne auch mobil mit dem Handy oder Tablet ausgefüllt werden, hieß es stolz.
"Wir versprechen uns von dem neuen Onlineportal eine deutliche Entlastung der Mitarbeitenden und eine beschleunigte Bearbeitung der Anzeigen", äußerte Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP). Sie meint wohl mit dem verquasten Wort "Mitarbeitende" die bezahlten städtischen Angestellten, die nun durch unentgeltlich helfende private "Mitarbeitende" ergänzt werden.
Das Spiel der Aufhetzung der Verkehrsteilnehmer gegeneinander ist perfide, aber es entspricht der Logik rot-grün-liberaler Verkehrspolitik. Dazu gehören mehrere Schritte.
1. Straßenraum wird im Zuge der "Verkehrswende"-Politik regelmäßig verengt, öffentlicher Parkraum verteuert oder ganz gestrichen. Ausnahmen für die eigene Klientel bestätigen die Regel: Etwa der Fußgängerdurchgang "Saalhof" vor der Saalhof-Kapelle, der seit Jahren als Parkplatz für Bedienstete des Frankfurter Kulturbetriebs zweckentfremdet wird, ohne dass die linke Römer-Koalition dieses Areal der Stadtgesellschaft zurückzugeben gedenkt.
Durch die Parkraumverteuerung und -verknappung wird es für Kunden, Patienten, Besucher von Gastronomie, Freunden oder Verwandten zunehmend schwieriger, einen Parkplatz für den eigenen PKW zu finden. Parkhäuser sind teuer, liegen bisweilen erst in einiger Entfernung oder sind überfüllt. Die Versuchung, sich in eine Parkverbotszone oder auf einen Anwohnerparkplatz zu stellen, wird durch den Druck erhöht. Dadurch erhöht sich das Risiko, ein Strafmandat zu erhalten. Die Stadt freut sich und kassiert.
2. Da auch die Anwohner von den für sie negativen Folgen der "Verkehrswende"-Politik betroffen sind, macht ihnen die Stadt das vergiftete Angebot, einen Bewohnerparkausweis zu erwerben. Dieser gilt aber nur in der unmittelbaren Umgebungszone der eigenen Wohnung und garantiert keinen freien Stellplatz. Er verringert allein das Risiko, innerhalb dieser Zone ein Strafmandat zu erhalten. Rund 35.000 Frankfurter sind Inhaber eines solchen Bewohnerparkausweises. Zum 1. Januar wurden die Kosten nun drastisch erhöht. Statt bisher 50 Euro für zwei Jahre werden nun 240 Euro von den Anwohnern fällig. Das ist nahezu eine Verfünffachung. Die Stadt freut sich und kassiert.
3. Die Mehrkosten für den Bewohnerparkausweis erhöhen die Frustration bei den Anwohnern, wenn sie trotz Ausweis in ihrem Quartier keinen freien Stellplatz finden, dazu noch, wenn ein Nicht-Anwohner in fraglicher Zone parkt. Somit erhöht sich die Bereitschaft, diesen Frust nicht an den für diese Verkehrspolitik Verantwortlichen, sondern anderen Autofahrern abzureagieren. So beginnen Bürger, als private Hilfssheriffs tätig zu werden. Die Stadt freut sich und kassiert doppelt. Denn einerseits flattern ihr die gewinnbringenden Strafmandate ins Haus, andererseits muß sie keine weiteren Kontrollkräfte einstellen und bezahlen, da die Arbeit ja vom eifrigen Bürger kostenlos erledigt wird.
Der durch Parkplatzverknappung ausufernde Parkplatzsuchverkehr wiederum führt, zusätzlich zur steten Innenstadt-Verdichtung durch immer neue Hochhäuser, zu verstärkter Verkehrsbelastung auf den Straßen. Dies wiederum wird für das "Verkehrswende"-Argument genutzt, dass durch die unhaltbaren Zustände bedingt, als Abschreckungsmaßnahme nun Parkplätze weiter abgebaut gehören, weil zu viele Autos auf den Straßen anzutreffen seien.
Dass diese Verkehrspolitik in Verbindung mit einem unzureichenden Öffentlichen Nahverkehr langfristig zum Kollaps der Innenstädte und hier insbesondere zur Vernichtung von Einzelhandels- und Handwerksbetrieben beiträgt, wird von den politisch Verantwortlichen ausgeblendet. Sollten aber in der Folge die Gewerbesteuereinnahmen einbrechen, werden sie sich als Ausgleich dafür sicher neue Gebühren für die Bürger einfallen lassen.
Marlis Lichtjahr