Soll eine Frankfurter Straße umbenannt werden?

Gustav Freytag oder Marcel Reich-Ranicki

Soll eine Frankfurter Straße umbenannt werden?

Hübners Frankfurter Woche – Folge 129

Wenn eine Straße umbenannt werden soll, muss es dafür sehr gute und überzeugende Gründe geben. Vor allem aber muss diese Umbenennung mit breiter, am besten sogar mit vollständiger Zustimmung all derer erfolgen, die in dieser Straße leben und dort oft seit vielen Jahren ihre Adresse haben. Das trifft auch auf die Bewohner der Gustav-Freytag-Straße im sogenannten „Dichterviertel“ des Frankfurter Stadtteils Dornbusch zu. Sie mussten kürzlich zur Kenntnis nehmen, daß in einer Frankfurter Zeitung von einem ihrer Journalisten der Vorschlag gemacht wurde, die Straße in Marcel-Reich-Ranicki-Straße umzubenennen.
 
Dieser Vorschlag ist gleich aus mehreren Gründen sehr fragwürdig: Denn er wurde in just der Zeitung, nämlich FAZ, veröffentlicht, deren langjähriger Starschreiber der 2013 verstorbene berühmte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki war. Mehr als problematisch ist zudem die Begründung des Vorschlags. Denn die Umbenennung soll auch deshalb erfolgen, weil der Schriftsteller Gustav Freytag (1816-1895) in seinem bekanntesten Roman „Soll und Haben“ eine jüdische Handlungsfigur negativ geschildert hat. Reich-Ranicki war Jude, der in Polen den nationalsozialistischen Terror nur mit Glück überlebte. Als Kritiker hat er sich einmal abwertend über den Roman des einst sehr populären Autors Freytag geäußert.
 
Allerdings war Freytag alles andere als ein Judenhasser, sondern hatte sich als Schriftsteller vor nun über 150 Jahren die Freiheit genommen, einen jüdischen Deutschen nicht im besten Lichte dazustellen. Das war damals unverkrampft noch möglich in Deutschland. Ihm das heute zum Vorwurf zu machen, riecht nach aufdringlicher Besserwisserei und „Cancel“-Unkultur. Ein ernsthaftes Argument kann der FAZ-Journalist allerdings einbringen: Reich-Ranicki hat mit seiner Frau lange Jahre in der Gustav-Freytag-Straße gewohnt. Dass ihm der Straßenname Unbehagen bereitet hätte, ist jedoch unbekannt.
 
Deutschlands bekanntester und zu Lebzeiten auch gefürchteter Literaturkritiker soll übrigens bald mit einem nach ihm benannten Platz in der Nähe seiner früheren Wohnstraße geehrt werden. Dieser Platz an einer verkehrsreichen Kreuzung ist zwar nicht besonders attraktiv. Doch besser als eine Umbenennung der Gustav-Freytag-Straße gegen den zu erwarten Widerstand der Bewohner ist diese Lösung allemal. Und gewiss auch vernünftiger als der reichlich schräge Vorschlag eines FAZ-Leserbriefschreibers: Der schlug vor, die eine Seite der Gustav-Freytag-Straße bei diesem Namen zu belassen, die andere Straßenseite jedoch als Marcel-Reich-Ranicki-Straße umzutaufen. Auf sowas muss man erst einmal kommen!

 
Wolfgang Hübner

Leserkommentare (1)

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Ja, das ist wieder mal diese beschämende intellektuelle Minderbemitteltheit vieler Zeitgenossen, die ich da persönlich wahrzunehmen meine. Kein Judenhasser oder dergleichen zu sein, bedeutet doch nicht, dass man niemanden mehr kritisieren darf, der zufällig eben Jude ist. Und wenn ich heute ein Buch mit einem negativen Charakter mit zufällig roten Haaren schriebe, wäre ich später ein Rothaar-Hasser, falls dies später einmal historisch relevant würde?

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