Schwarzfahren ist unsozial

Anzeigepflicht oder Bagatelle?

Schwarzfahren ist unsozial
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Hübners Frankfurter Woche – Folge 130

Diese Woche musste ich wieder einmal die Straßenbahn benutzen, weil ich das Auto zur Inspektion gebracht hatte und der Heimweg zu weit war für einen Fußmarsch in der Sommerhitze. Da ich ansonsten in der Stadt meist das Fahrrad benutze, bin ich über die gültigen VGF-Tarife nicht besonders gut informiert. Ich benutzte also den Fahrscheinautomaten an der Haltestelle, verlangte einen Einzelfahrschein und staunte nicht wenig, daß dieser 3,65 Euro kostet. Ich kann mir vorstellen, wie verlockend es bei diesem hohen Preisniveau für Zeitgenossen in bescheidenen Verhältnissen sein muss, einmal oder gar mehrfach das Risiko einer Schwarzfahrt einzugehen.
 
Selbstverständlich habe ich ordnungsgemäß bezahlt, doch ein leises Murren war dabei. Nun lese ich von einer Diskussion der Stadtverordneten im Römer darüber, ob erwischte Schwarzfahrer noch länger außer dem fälligen Bußgeld bei wiederholter Leistungserschleichung auch angezeigt werden müssen. Dieses Delikt, so ein Antrag der Linksfraktion, solle „entkriminalisiert“ werden. Der Magistrat, im dem die Grünen die Mehrheit haben, hat die Intention des Antrags zwar als „wünschenswert“ bezeichnet, rät aber von einem Frankfurter Alleingang ab. Das ist eine ziemlich wachsweiche Antwort, die sich vor der Grundsätzlichkeit des Problems drückt.
 
Denn die Einrichtung und der Unterhalt öffentlicher Verkehrsmittel ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die der kommunalen Gemeinschaft dient. Wer diesen finanziellen Unterhalt mit Schwarzfahren schädigt, will einen Vorteil auf Kosten aller anderen zahlenden VGF-Nutzer für sich in Anspruch nehmen. Hätte ich diese Woche die 3,65 Euro nicht gezahlt, das Risiko einer Schwarzfahrt auf mich genommen und wäre nicht erwischt worden, würde der VGF nicht finanziell zusammenbrechen. Aber ich hätte ein Motiv gehabt, auch bei künftigen Fahrten mir das Bezahlen zu sparen. Und wenn viele dieses Motiv haben, können sie schon erheblichen Schaden anrichten – ökonomisch und moralisch.
 
Es gibt zweifellos weit schlimmere Kriminalität als wiederholtes Schwarzfahren. Doch eine Bagatelle ist dieses unsoziale Verhalten auch nicht. Sehr heterogene Gesellschaften wie die einer Großstadt brauchen verbindliche Regeln, deren Einhaltung kontrolliert werden muss. Fortgesetzes Schwarzfahren ist bewusster Regelbruch und sollte deshalb auch weiterhin als Straftat bewertet werden. Die regeltreue Gemeinschaft hat ein Recht darauf. Ob die VGF-Tarife allerdings der sozialen Situation vieler Menschen in Frankfurt angemessen sind, ist eine andere Frage.

 
Wolfgang Hübner

Leserkommentare (1)

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Das Problem ist aus meiner Sicht, dass viele gar nicht mehr zahlen (Staatsbedienstete/Lehrer, Flüchtlinge,...) und andere über 7 Euro für eine Tageskarte oder Hin-/Rückfahrt bezahlen müssen.
Die meisten weichen aufs 49-Euro-Ticket aus. Wenige verweigern sich dem aus Gründen des Datenschutzes und Sorge vor digitaler ID, QR-Code und was da alles im Busch ist. Auffallend ist, wie ich finde, dass sich die Klientel in den Öffentlichen Verkehrsmitteln drastisch verändert hat.
Kürzlich erlebte ich auch etwas sehr Spannendes: Sitze in einer Bahn, Kontrolleure erscheinen und schicken sich an für eine Kontrolle, neben mir in der Sitzgruppe sitzen zwei Frauen mit Kopftüchern und mehreren Kindern. Die Kontrolleure halten einen heiteren Plausch mit den Damen in der Landessprache, stecken ihre Gerätschaft wieder ein, und laufen erst bis ganz ans andere Ende des Zuges, wo sie dann kontrollieren. Ich wurde auf diese Weise ebenfalls nicht kontrolliert, wäre es aber ohne die Mitfahrgäste sicherlich worden. Läuft das jetzt so in Frankfurt?