Grüner Ablasshandel für neue Hochhäuser

Fragwürdige Bürgerbeteiligung an Großprojekten

Grüner Ablasshandel für neue Hochhäuser

Hübners Frankfurter Woche – Folge 133

Wolkenkratzer sind keine ökologischen Vorzeigeprojekte. Das wissen auch die Grünen, derzeit stärkste Kraft in der Römerkoalition. Da die Grünen aber längst nur noch auf ihren Plakaten grün zu sein behaupten, tatsächlich jedoch gerne gefällig sind, wenn kommerzielle Großinvestoren mit einem neuen Büroturm maximal die extrem teuren Grundstücke im Bankenviertel der Mainmetropole ausnutzen wollen, gilt es für die Partei, ihre Zustimmung dazu den Bürgern schmackhaft zu machen. Konkret geht es um das Projekt eines neuen Turms von 195 Meter Höhe an der Ecke von Kaiserstraße und Neue Mainzer Straße, genannt „Kaiser Karree“.

In dem riesigen Gebäude sollen 66.000 Quadratmeter für Büros, Gastronomie und Kultur entstehen. Die Besonderheit des geplanten Baus wird darin bestehen, daß er nach unten spitz zuläuft, um das historische Gebäude von 1905 als eine Art Sockel des Turms zu integrieren. Nun sollen die Bürger befragt werden, wie sie sich das neue Gebäude, als Baubeginn ist 2026 vorgesehen, vorstellen, um es auch als „Bereicherung“ des Stadtbildes zu akzeptieren. Viel Zeit dafür ist nicht vorgesehen, denn bereits am 18. September soll die Online-Umfrage unter www.kaiser-karree.de beendet werden.

Die bis zu diesem Datum erfolgten Anregungen sollen in die Auslobung des anstehenden Architektenwettbewerbs für das Hochhaus einfließen. Diese Möglichkeit ist Konsequenz einer Bestimmung im Hochhausentwicklungsplan, der die Öffentlichkeit frühzeitig bei solchen Projekten einbeziehen will. Nun ist gegen mehr Mitbestimmung der Bürger nichts einzuwenden. Doch was selbstverständlich nicht vorgesehen ist: Widerstand gegen den Bau eines weiteren Turms, der Unmengen Energie frisst, zusätzlichen Verkehr seiner Benutzer erzeugt und die Wallanlagen verschattet.

Vielmehr läuft die ganze Aktion auf eine alibihafte Scheinmitbestimmung hinaus. Die Investoren des Multimillionenprojekts werden sich nämlich nicht ernstliche reinreden lassen von Bürgern, die später nur an dem Turm vorbeigehen können. Aber die Grünen, die ehemals keine Freunde von solchen Hochbauten waren, entlasten mit dieser Art von „Bürgerbeteiligung“ mal wieder ihr schlechtes Gewissen, für politische Macht und große Dienstlimousinen alle Ideale sowie frühere politische Positionen geopfert zu haben.
 

Wolfgang Hübner

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