Der Skandal in der Paulskirche

Kriegsrede statt Friedenspreisfeier

Der Skandal in der Paulskirche

Hübners Frankfurter Woche – Folge 139

Seit 1950 ist die Paulskirche in Frankfurt, nationales Monument der deutschen Demokratiebewegung, alljährlich Schauplatz der feierlichen Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Die Liste großer Namen der Preisträger ist lang, genannt seien nur Albert Schweitzer, Hermann Hesse, Ernst Bloch, Yehudi Menuhin oder Vaclav Havel. Mit diesen und den Namen von vielen anderen Preisträgern verbinden sich Werke und Lebensleistungen, die nicht zuletzt dem Geist des Friedens und der Freiheit verbunden waren.

Keiner von ihnen hat je in der Paulskirche zu einem der zahlreichen Kriege auf der Welt seit 1950 gesagt: „Wir können diesen Krieg gewinnen“. Diese skandalöse Äußerung blieb bei der Preisverleihung in diesem Jahr 2024 der amerikanisch-polnischen Publizistin Anne Applebaum vorbehalten. Ihre Dankesrede für die Ehrung war ein martialischer Appell an den Westen und besonders an die Deutschen, das inzwischen diktatorisch mit Kriegsrecht regierende Regime in Kiew massiv mit Waffen und Geld im Ukraine-Krieg zu unterstützen.

Dass diese Rede von der zur Preisverleihung erschienenen sogenannten „Zivilgesellschaft“, darunter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), die grüne Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner sowie Politiker aus Land und Bund, mit zustimmendem Applaus aufgenommen wurde, ist eine Schande. Denn unter der Devise „Wir können diesen Krieg gewinnen“ sterben und leiden jeden Tag tausende ukrainischer Soldaten in einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland, die nach Meinung fast aller Experten nur noch mit der Eskalation zum Weltkrieg für die Ukraine und den Westen gewonnen werden könnte – allerdings um den Preis der Zerstörung Europas.

Selbstverständlich hätte es auch Frau Applebaum zugestanden, kritische Worte aus ihrer Sicht zu dem russischen Vorgehen zu äußern. Das gehört zur Freiheit der Rede, die in der Paulskirche ihren würdigsten Ort hat. Doch offene Kriegstreiberei ausgerechnet bei der Vergabe des Friedenspreises ist eine Pervertierung des Sinns dieser Auszeichnung. Der Stiftungsrat des Buchhandels hat mit der Auswahl von Anne Applebaum dem Preis, der Paulskirche und auch Frankfurt schwer geschadet.
 

Wolfgang Hübner

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