Muss Bismarck in Frankfurt „erklärt“ werden?
Nach der Schande von Höchst droht Lächerlichkeit
Hübners Frankfurter Woche – Folge 143
Der schändliche linksextreme Anschlag auf das Bismarck-Denkmal im Ortsteil Höchst vor einigen Wochen hat im In- und Ausland Empörung und Verwunderung erregt. Deshalb muss das 1899 enthüllte Werk des Bildhauers Alois Mayer so schnell wie möglich von den Farbbesudelungen der leider noch nicht gefassten Täter gereinigt und auf seinen Platz in der Rudolf-Schäfer-Anlage zurückkehren. Dazu hat die Stadt Frankfurt eine moralische und kulturelle Verpflichtung: Barbarei darf sich nicht lohnen.
Nun hat der zuständige Ortsbeirat 6 auf Antrag der Fraktion der Linken beschlossen, künftig das Denkmal mit einer „Informationstafel“ zu versehen, die aus linker Sicht das politische Werk des großen Staatsmanns kritisch in Frage stellt. Das ist aus mehreren Gründen nicht nur überflüssig, sondern auch lächerlich: Denn es gibt bereits eine Plakette auf dem Granitsockel mit den Lebensdaten des ersten deutschen Reichskanzlers, dessen Amtsdauer sowie der Information über seine sich von 1851 bis 1859 erstreckende Frankfurter Tätigkeit als preußischer Bundestagsgesandter.
Wer mehr über die Bedeutung und Folgewirkung dieser bedeutenden Gestalt der deutschen Geschichte wissen will, kann sich im Zeitalter von Google rasch und problemlos einiges Wissen verschaffen. Zudem gibt es ganze Berge von Büchern und historischen Abhandlungen über Bismarck, der nach dem erfolgreichen Krieg gegen Frankreich 1870/71 den Friedensschluss zwischen den beiden Nachbarländern übrigens in Frankfurt unterzeichnete.
Dass es unterschiedliche Einschätzungen über die Politik Bismarcks gegeben hat und auch weiterhin gibt, versteht sich in Anbetracht der überragenden historischen Bedeutung des Reichskanzlers von selbst. Es ist geradezu lächerlich, wenn sich nun ein Ortsbeirat anmaßen will, den Bürgern eine parteiisch gefärbte Interpretation von Bismarcks Wirken zu vermitteln. Niemand in Frankfurt wird gezwungen, stolz auf diesen Mann zu sein. Doch Anlass, seine Leistung öffentlich zu schmälern, haben eigentlich nur die Gesinnungsgenossen der Denkmalschänder.
Wolfgang Hübner