Bahnhofsviertel: Justiz frustriert die Polizei
Nach Großaktion gegen Dealer bald alle wieder frei

Hübners Frankfurter Woche – Folge 153
Katharina Iskandar ist nicht nur eine sympathische Frau, die ich in meiner Zeit als Stadtverordneter als faire Journalistin schätzen lernte. Frau Iskandar gehört auch zu den wenigen in der FAZ-Lokalredaktion, die nicht grün-links verstrahlt sind. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, daß sie über das Thema Sicherheit und Polizei schreibt. Nun hat sie über eine Großaktion der Polizei gegen ausländische Dealer im Bahnhofsviertel berichtet. Mit einem Überraschungseinsatz haben die Ordnungskräfte am Dienstagabend die Geschäfte der Drogenhändler gestört, etliche vorläufig festgenommen und ins Polizeipräsidium verfrachtet.
Für die Beamten ist das harte Arbeit, auch wenn sich dem Zeitungsbericht zufolge nur einer der Dealer gegen die Festnahme wehrte. Doch bei der Aktion müssen rechtsstaatliche Pflichten beachtet werden, zudem ist in jedem Einzelfall eine Menge bürokratischer Aufwand notwendig. Der Einsatzleiter der Polizei, so ist zu lesen, verbindet mit der Großaktion die Hoffnung, „dass nun in der Münchener Straße wieder etwas Ruhe einkehren wird“. Zuvor hatte es massive Beschwerden von Anwohnern und Gewerbetreibenden über die unhaltbaren Zustände vor Ort gegeben.
Doch wie wahrscheinlich ist es, daß sich die Hoffnung der Polizei realisieren wird? Die meisten Festgenommenen sind den Beamten wohlbekannt. Immerhin 17 davon werden offiziell festgenommen wegen des Verdachts des Handels mit Betäubungsmitteln. Gegen andere laufen Ermittlungsverfahren wegen anderer krimineller Aktivitäten. Sie alle bekommen sogenannte Verbotsverfügungen, die ihnen untersagen, sich in den nächsten drei Monaten im Bahnhofsviertel aufzuhalten. Machen sie es trotzdem, droht eine Haftstrafe. Frau Iskandar zitiert einen Polizisten: „Fast keiner der Männer ist ein Unbekannter hier. Die Frage ist, was die Justiz am Ende daraus macht.“
Die Antwort ist ebenso ernüchternd wie frustrierend für die Polizisten. Alle Dealer sind schon Stunden später wieder frei, nur in einem Fall wurden Haftgründe überhaupt in Erwägung gezogen, doch verworfen. Ob und wie sich die Dealer an das Aufenthaltsverbot halten werden, steht in den Sternen. Wer möchte da noch Polizist sein?
Wolfgang Hübner