Die seltsamen Frankfurter „Passionsspiele“

Braucht die Demokratie solche Spektakel?

Die seltsamen Frankfurter „Passionsspiele“

Hübners Frankfurter Woche – Folge 160

Wenn keine Überraschung geschieht, wird nächste Woche im Bundestag ein Mann an die Spitze der deutschen Regierung gewählt, den man straflos als „Lügenkanzler“ bezeichnen kann. Er wird einer Koalition angehören, die weniger als 50 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen repräsentiert. Und die größte Oppositionspartei wird schamlos diskriminiert. Es steht also gerade nicht gut um die Demokratie in unserem Land. Das wäre Anlass genug, sich mit dem Zustand dieser Regierungsform auch in Frankfurt, der Stadt der Paulskirche, so kritisch wie selbstkritisch zu beschäftigen.
 
Aber können bzw. wollen das die vom 15. bis zum 18. Mai stattfindenden sogenannten „Passionsspiele der Demokratie“ in der Paulskirche und an anderen Orten unserer Stadt? Was bewegt die Macher dieser zivilreligiösen Veranstaltung? Zu lesen ist: „Wir glauben an die Demokratie, ja. Aber wir wissen auch: Selbst der beste Glaube muß genährt werden. Deswegen wollen wir versuchen, ein demokratisches Ritual zu schaffen…Ein Ritual für Demokraten.“ Und weiter heißt es: „Passionsspiele der Demokratie eben. Und wo man erfährt, daß man dem richtigen Glauben angehört.“
 
Mal abgesehen davon, daß man an keiner einzigen Stelle der Großanzeige für dieses seltsame Ereignis etwas über dessen Verantwortliche erfährt: Einen größeren Murks habe ich selten in meinem nun schon recht langen demokratischen Leben gelesen. Denn nur an Gott oder Götter kann geglaubt werden, bei solch weltlichen Einrichtungen wie der Demokratie reicht es völlig, von deren Nutzen und Glaubwürdigkeit überzeugt zu sein.
 
Um davon überzeugt zu werden, brauchen die Bürger keine geplante „Prozession“ von der Naxoshalle im Ostend bis zur Paulskirche mit Fahnenschwingern aus Linsengericht im Main-Kinzig-Kreis. Und auch kein Spektakel mit Schauspielern und Musikern im Innern der Paulskirche, die schon lange nicht mehr Gottesdiensten gleich jeder Art dient. Dazu reicht ein Blick auf die nicht wenigen Probleme Frankfurts oder Eindrücke von den meist sehr ernüchternden Sitzungsabläufen der Stadtverordneten.
 
Eine Frage habe ich noch: Wer bezahlt eigentlich diesen ganzen Unsinn?


Wolfgang Hübner

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