Warum Frankfurt so bürgerfeindlich ist
BFF-Neuzugang Peter Paul Thoma spricht Klartext

„Grün ist attraktiv, Grün zieht magisch an“, sagt Prof. Dr.-Ing. Nicole Pfoser von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. „Wer wollte nicht in einem ausgedehnten Großstadt-Dachgarten mit Gemüsehochbeeten, Holzdeck, Ölweiden, Liegemöbeln, Blumen, Grillplatz und lauschigen Rückzugsecken seine Kinder großziehen?“ Der Traum von einem gesünderen Mikroklima durch grüne Dachlandschaften stirbt in Frankfurt durch den Beschluss der Römer-Koalition, im Rahmen von Bebauungsplänen oder der Vergabe bzw. des Verkaufs von städtischen Grundstücken die Installation von Solartechnikanlagen auf 50 % der nutzbaren Dachfläche zwingend festzuschreiben. Der Energieexperte und Sachverständige Peter Paul Thoma (66), der in Bornheim sein eigenes Ingenieur- & Sachverständigenbüro hat, lehnt einen „Solarzwang“ auch deswegen ab, weil dieser einen massiven Bürokratieaufbau nach sich ziehe.
Seit dem 31. März 2025 sitzt der FDP-Flüchtling für die BFF-BIG-Fraktion im Römer, wo er sie im Fachausschuss für Klima- und Umweltschutz vertritt. Und heute Nachmittag neben mir im alteingesessenen Wirtshaus Apfelwein Solzer auf der Berger Straße. Im Prinzip dort, wo alles für ihn begann: „Ich bin meinen Eltern dankbar und meinen Vorfahren, daß ich einen anständigen Beruf erlernt und mir meinen christlichen Glauben bewahrt habe. Meine Mutter kommt aus einer Bornheimer Schlossereifamilie, die als ehemalige Schmiederei von meinem Ur-Ur-Großvater gegründet wurde.“ Gleich in der Nähe vom Hohen Brunnen, der seit 1827 die Bornheimer mit frischen Trinkwasser versorgt. „Und mein Ur-Großvater väterlicherseits gründete 1903 eine Spenglerei & Installation Peter Paul Thoma und baute auch das Haus in der Bornheimer Landwehr 39, dass ich heute noch bewohne und auch als mein Büro nutze.“ Der gelernte Gas- und Wasserinstallateur und amtierende Obermeister der Innung Sanitär Heizung Klima Frankfurt „kann fünfmal ‚Guten Tag‘ sagen, wenn er im ‚lustigen Dorf‘ über die Berger Straße läuft.“

In Zeiten des Wandels und der Globalisierung ist der Respekt vor den Vorfahren ein ebenso zeitloses Prinzip wie die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. „Ohne Ehrenamt und aktive Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft gibt es keine Demokratie“, sagt Thoma. „Warum nicht?“ – „Wir wollen ja Bürgerbeteiligung über Verbände und Vereine, mit denen die Politik als Ansprechpartner kommunizieren kann, wenn es zum Beispiel um neue Gesetze geht. Wenn die Politik alle am Tisch hat, dann ist das basisdemokratisch.“ Was für Thoma jedenfalls in kein bürgerliches Konzept passt, ist ein unverantwortlicher Umgang mit Steuergeldern. So sei beim Theater-Neubau als „Kulturmeilenlösung“ für schätzungsweise 1,6 Mrd. € jeder realistische Blick für die Wirtschaftlichkeit verloren gegangen. Zum Preis von einem Theaterneubau heute baute man in Frankfurt vor 20 Jahren noch sieben bis acht Fußballstadien. Der damalige Stadion Geschäftsführer Winfried Naß sagt zum faktischen Neubau des Waldstadions 2005: „Wir hatten einen Etat von 188,5 Mio. €. Ich habe am Ende abgerechnet mit 188,4 Mio €. Wir hatten ein scharfes Controlling und eine gute Kalkulation.“
Gruselig findet Thoma auch die „fast stablinienförmig organisierte“ FDP: „Obwohl ich typische FDP-Tugenden vereine - wie Mittelstand, Handwerk und Selbstständigkeit, und zwar als Ingenieur und nicht als Rechtsanwalt - war ich insbesondere für die Jungliberalen ein ‚enfant terrible‘ und somit unerwünscht. In der Römer Fraktion wird es einem nicht leichtgemacht mitzudiskutieren. Vorlagenbeschlüsse sind vorgegeben und die Voten werden nicht besprochen. Am besten man gehorcht. Wie kann ich mich unter diesen Umständen für Frankfurt einsetzen?“, fragt sich Thoma, der andersherum „den Freiheitskämpfer und mutigen Frankfurter Demokraten Friedrich Stolze liebt.“ Provokativ und scharfzüngig kämpfte Stoltze in seinen politischen Schriften gegen Zensur, Antisemitismus und Preußens Politik. Wegen seiner literarischen Angriffe auf den Offenbacher Kreisrat wurde er bis zu seiner Amnestie 1860 sechs Jahre lang steckbrieflich gesucht.
„Wegen welcher Wahrheiten würde einen denn am liebsten die Frankfurter Verwaltung verfolgen wollen?“ – „Die Frankfurter Verwaltung ist bürgerfeindlich. Nehmen Sie die Bau“behinderungs“behörde. Wenn ich das Amt anrufe, geht niemand ans Telefon. Schreibe ich eine E-Mail, kriege ich keine Antwort. Irgendwann habe ich die Zentrale am Telefon, die sagt: ‚Frau Soundso ist krank.‘ Dann bleibt alles liegen. Oft gibt es keine Vertretung. Das unfähige Amt für Bauen und Immobilien (ABI) übt z. B. ein Vorkaufsrecht aus, um angebliche Spekulationen beim Verkauf von Häusern zu verhindern, und dann stehen diese Häuser leer und verfallen.“ – „Warum ist die Frankfurter Verwaltung so bürgerfeindlich?“ – „Die linke Hand weiß nicht, was die rechte Hand tut. Ständig gibt es neue Ansprechpartner. Niemand ist richtig zuständig. Ein Beispiel: „In der Engelbert-Humperdinck-Grundschule hat es durch das Dach geregnet. Es waren fünf Dachdeckerfirmen da. Jedes Mal haben die 20.000 € bis 30.000 € abgerechnet. Jedes Mal war es wieder undicht. Dann habe ich mal jemanden vom ABI gefragt, ob er das kontrolliert hat. Der wusste gar nichts davon.“
Das waren noch Zeiten als die Preußen nach der verlorenen Schlacht in Jena am 14. Oktober 1806 gegen Napoleon I. ihre gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Institutionen überprüften, daraufhin ein Feuerwerk an Reformen zündeten und sich eine der modernsten Verwaltungen der Welt gaben. Im tumben Frankfurt scheitern die Dinge indes an den bürokratischen Hürden. Ein Beispiel aus Bornheim: Der Kinderarzt Dr. Manfred Wassmann wollte das Haus seiner Tante aufstocken und energetisch sanieren. Es stammt aus den 50er-Jahren und wurde in den Neunzigern nur spärlich saniert. „Ich möchte das Haus energieautark machen, damit die Miete weiterhin so niedrig bleiben kann, wie sie vor der Explosion der Energiepreise war.“ Aber: „Ich werde von A nach B und wieder zurückgeschickt.“ Das Problem: Für das Haus gilt der Milieuschutz. „Eine Sanierung nach der heutigen Milieuschutzsatzung würde die Energiekosten kaum senken – eine Aufstockung wäre nicht möglich.“ Peter Paul Thoma, der in seiner Freizeit gerne Klavier spielt, spricht von einer schleichenden Enteignung der Bestandshalter: „Die Energiekosten steigen, Handwerker nehmen 40 % mehr, aber Vermieter können die Mieten nicht anpassen. Ihre Rendite und/oder Finanzierung einer Rente geht gegen Null.“