Die kurze Flucht der Frankfurter „Waldmenschen“
Vier Orang-Utans wollten sich mal den Zoo anschauen

Hübners Frankfurter Woche – Folge 166
Um halb drei am Dienstagnachmittag waren im Frankfurter Zoo vier Menschenaffen unterwegs: Die beiden Orang-Utanmütter Rosa und Inda hatten mit ihren Kindern Sayang und Buxit eine Lücke in der Außenanlage erspäht und genutzt, um sich ihr Zuhause mal aus einer anderen Perspektive anzuschauen. Wie und warum das Schlupfloch zustande kam, ist zwar noch zu ermitteln, klar ist aber, daß die Exkursion der Mütter mit ihrem Nachwuchs nur von kurzer Dauer war, den bereits nach einer Stunde befanden sich die vier Neugiernasen wieder im gewohnten Gewahrsam.
Eine Gefahr für die Besucher hat schon deshalb nicht bestanden, weil Orang-Utans absolut friedliche Pflanzenfresser sind. Bekanntlich sind die Menschen für diese in ihren natürlichen Lebensräumen von der Regenwaldrodung stark gefährdeten freundlichen Riesen unendlich gefährlicher als umgekehrt. Orang-Utan heißt übersetzt in „Baummenschen“. Nun gibt es im Frankfurter Zoo zwar viele Bäume, doch von Baum zu Baum mit ihren mächtigen Armen hätten sich die Ausreißer auch bei einem längeren Aufenthalt in der Freiheit kaum schwingen können – unsere Baumarten eignen sich nicht dazu.
Leider hält sich die verunsicherte Zooleitung mit Informationen zurück, was sich in der Stunde des Ausflugs der Mütter mit ihren Kindern genau ereignet hat und wie es gelang, das Quartett wieder ins Gehege zurück zu schaffen. Übrigens hat ausgerechnet das Familienoberhaupt darauf verzichtet, seine Damen und Kinder zu begleiten: Kembali blieb lieber abenteuerunlustig zurück. Offenbar sind auch bei den Orang-Utans die Männer nicht mehr, das was sie einmal waren!
Blamabel finde ich die Äußerung von Zoodirektorin Christina Geiger zu dem Geschehen: „Wir wissen nicht, ob die Tiere ein Gefühl haben, daß sie was falsch gemacht haben könnten“. Was, um Gotteswillen, sollen Rosa, Inda und ihre zwei Kinder denn falsch gemacht haben? Ist es nicht ihr gutes Recht, die Gelegenheit zu nutzen für ein Schnuppern an jener Freiheit, die ihnen der Mensch genommen hat? Frau Geiger ist Tierärztin und als Zoodirektorin eher eine Notlösung, nachdem ihr Vorgänger in seine spanische Heimat gewechselt war. Ich glaube nicht, daß der legendäre Bernhard Grzimek einen solch törichten Satz formuliert hätte.
Unseren neugierigen tierischen Mitbürgerinnen kann das egal sein. Sie sind wieder in ihrem luxurösen Gefängnis. Leider können wir nicht wissen, was Rosa und Inda ihrem faulen Patriarchen Kembali von der spannenden Stunde im Zoo erzählt haben. Aber als Besucher sollten wir künftig die Frankfurter Orang-Utans mit noch mehr Respekt und Zuneigung betrachten!
Wolfgang Hübner