Ökonomisch und ökologisch kranker Hochhaus-Rausch
Trotz Leerständen und Verkehrsinfarkt noch mehr Wolkenkratzer

Unser Autor Dr. Claus-M. Wolfschlag hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Zukunft Hochhäuser in Frankfurt haben. Obgleich seine Überlegungen nicht die Meinung der Bürger Für Frankfurt BFF zu diesem Thema widerspiegeln, veröffentlichen wir den Text, um damit zur Diskussion anzuregen. Wie denken Sie darüber? Lassen Sie es uns wissen und schreiben Sie Ihre Meinung in den Kommentarbereich. Wir freuen uns auf eine lebhafte Diskussion!
____________________________________
Frankfurt baut weiterhin Hochhäuser wie in einem Rausch. Dies geschieht ungeachtet jeder ökonomischen Verantwortung und ökologischen Vernunft. An der Junghofstraße neigt sich gerade die Großbaustelle des "Four Frankfurt" ihrer Endphase zu. Dort entsteht ein Cluster aus vier Hochhäusern mit bis zu 233 Metern Höhe. 4000 Menschen sollen in dem neuen Quartier arbeiten, mindestens 1000 Menschen wohnen.

Wie diese 5000 Menschen in Zukunft ihre externen Wohn- oder Arbeitsstätten eigentlich verkehrstechnisch erreichen sollen, ohne im Verkehrsinfarkt zu versinken, wird - wie stets bei solchen stadtplanerischen Fehlleistungen - weitgehend elegant ausgeblendet. Die Straßen wachsen nämlich nicht mit, die einfahrenden Bahnen werden nicht mehr, sofern sie überhaupt noch pünktlich kommen.
An der Friedrich-Ebert-Anlage soll das Gebäude der Matthäusgemeinde abgerissen werden und einem absurd unsakralen Gebilde weichen, das künftig als Sakralhaus mit dem Namen Hoffnungskirche fungieren soll. Dahinter ist Platz frei für einen 130 Meter-Turm, entworfen vom Architekturbüro Meixner Schlüter Wendt, der als Ergebnis einer Einigung der evangelischen Kirche und des Hamburger Entwicklers Becken entsteht. Sakralitätsverlust und Profitstreben gehen Hand in Hand ihre Allianz ein.

An der Gallusanlage soll ein bestehendes Bürogebäude durch zwei Hochhäuser ersetzt werden, einen 60 Meter hohen Wohnturm und einen 170 Meter hohen Büroturm mit Hotel. Zudem gibt es Planungen für einen 190 Meter hohen Turm an der Ecke Kaiserstraße/Neue Mainzer Straße.
Derzeit geht der Trend vom reinen Bürohochhaus weg hin zu einer Mischnutzung, vor allem durch einen Wohnanteil. Im Turm auf dem Matthäus-Areal soll es beispielsweise 30 Prozent geförderte Wohnungen und 15 Prozent "innovatives" Wohnen geben. Auch an der Gallusanlage wird ein Teil der Wohnungen öffentlich gefördert. Auch hier ist ein Teil "innovativen Wohnformen, die auf neue Lebenskonzepte ausgerichtet sind," vorbehalten. Im Erdgeschoßsockel werden Gastronomie und Einzelhandel platziert. Inwiefern sich das für die Läden rechnet, wird man sehen.
Seit ca. 35 Jahren sitzen die "Grünen" in unterschiedlichen Stadtregierungen. Ihre ökologische Bilanz ist äußerst fragwürdig. Unter ihre Mitverantwortung fielen die Umwandlung des Goetheplatzes in eine triste Schotterfläche oder die Anlage der Steinwüste des Karl-Arnsberg-Platzes im Ostend, die später mühsam wieder entsiegelt und begrünt werden mussten. Die von ihnen seit langem auch mitgetragenen Hochhausbau-Politik ist blind. Sie lässt sich vom Panorama der Skyline blenden, übersieht aber, daß eine derartige Stadtplanung die Gefahr in sich birgt, an die Wand zu fahren, weil sie kein Maß mehr hat.

Denn Hochhäuser sind nicht nur äußerst anfällige Gebilde. Man denke nur daran, wie die Menschen von der 20. Etage nach draußen gelangen können, falls es zu einem Stromausfall kommt oder die Aufzüge technisch versagen. Oder die Reparaturfirma durch Material- und Personalengpässe nicht schnell dazu kommt, die Anlage wieder instand zu setzen? Horrorszenarien? Keinesfalls. Derartige Fälle sind aus einigen älteren Wohnhochhäusern bereits bekannt geworden.
Hochhäuser sind auch ökologisch fragwürdig. Nicht nur durch ihren latenten Energieverbrauch im Alltag, sondern auch durch diesen (sowie den CO2-Ausstoß) beim Bau. 50 Prozent der Endenergie wird nämlich nicht im viel gescholtenen Autoverkehr, sondern im Bauwesen verbraucht. Hinzu kommen Unmengen an späterem Bauschutt oder Sondermüll. Es gibt folglich kaum etwas unökologischeres, als Häuser nach kurzer Gebrauchsdauer ohne zwingenden Grund abzureißen und zu ersetzen. Genau das aber wird in Frankfurt getan.
Es ist nämlich ein Unding, daß es nach Angaben des Maklerunternehmens Colliers in Frankfurt derzeit für 1,3 Millionen Quadratmeter Bürofläche keine Nutzer gibt. Innerhalb nur eines Jahres stieg die Leerstandsquote um 1,5 Prozent auf 11,3 Prozent. Die Bürogebäude sind den Firmen offenbar nicht mehr schick und zentral genug. Aber selbst Toplagen alleine reichten nicht. So sind einige Bürotürme wie das "Trianon" im Finanzviertel nach Auszug von Großmietern nicht wieder vermietet worden.

"Die Ansprüche von Mietern in Sachen Helligkeit, Fensterfronten und Grundrissgestaltung haben sich geändert“, äußerte im Februar Suat Kurt, Niederlassungsleiter beim Makler Jones Lang LaSalle (JLL). Die so oft gefeierte modernistische Architektur hat sich also zur reinen Wegwerfarchitektur entwickelt. Somit müssen immer neue Bürohochhäuser errichtet werden, während die alten bereits 25 Jahre nach der Fertigstellung oder sogar früher, wie im Fall des 2002 eröffneten "Estrella" an der Theodor-Heuss-Allee, nicht mehr vermietbar sind, leer stehen und entweder abgerissen oder teuer umgebaut werden müssen.
Gegen so viel Energieverbrauch, gegen so wenig Nachhaltigkeit der modernistischen Profit-Gebilde helfen die schönste Efeuranke an der Fassade und der grünste Grashalm auf dem Flachdach nichts. Es ist nur "grüne" Fassadenkosmetik einer zutiefst unökologischen Stadtplanung. Hinzu kommt der anhaltende Trend zum Home-Office, der eigentlich weitere Bürohochhäuser überflüssig machen sollte.

Ausgerechnet in einer solchen Situation aber steuert die rot-grün dominierte Stadtregierung nicht dagegen, sondern bewilligte 2024 einen neuen Hochhausentwicklungsplan, der 14 neue Bauvorhaben im Bankenviertel, im Ostend und in der Umgebung des Hauptbahnhofs vorsieht. Bisweilen wird als Begründung die Wohnungsnot angeführt. Doch ABG-Chef Frank Junker äußerte 2022 in einem Interview, daß zu den derzeitigen Baupreisen Mietpreise von 20 Euro/Quadratmeter verlangt werden müssten, um einen Neubau rentabel zu halten.
Nicht nur die Verteuerung von Energie, sondern vor allem die immensen bürokratischen Auflagen machen es immer schwerer, günstigen Wohnraum zu erstellen. Letzteres geht mittlerweile fast nur noch durch öffentlich geförderte Wohnungen, also indem ein Bauherr oder Vermieter durch öffentliche Bezuschussung dazu verpflichtet wird, einen Mieter vergünstigt einziehen zu lassen. Der Steuerzahler bezahlt das oder der Bauherr versucht durch teurere Vermietung der nicht-geförderten Wohnungen die Verluste gegenzufinanzieren.
Abgesehen von den geförderten Wohnungen können sich in den neuen Wohnhochhäusern nur noch sehr solvente Mieter oder Eigentümer niederlassen. Dies auch angesichts der seit Jahren steigenden Mietkosten in Frankfurt und der seit Jahren steigenden Kaufpreise für Immobilien, die nur durch eine Delle nach 2022 kurzzeitig unterbrochen wurden. Die Wohnungsnot gerade im Bereich der gering bis mittel verdienenden Menschen wird durch das neue Wohnen in schicken City-Hochhäusern nicht maßgeblich gelindert.
Es liegt somit nahe, daß es auch andere Gründe für den aktuellen Hochhausboom gibt, als nur die Wohnungsnot und die Büro-Ansprüche einiger Unternehmen. Seit vielen Jahren findet eine Ausweitung der Geldmenge statt. Inflation, Niedrigzinspolitik und weltpolitische Krisen drängen viele internationale Anleger dazu, ihre Geldwerte in Sachwerten zu parken. Dazu bieten sich Immobilien wie die Hochhausprojekte in Frankfurt geradezu an.

Im "Eden Tower" im Europaviertel werden beispielsweise für eine 52-Quadratmeter-Wohnung 520.000 Euro als Kaufpreis verlangt. Und das wird noch als Sparpreis "ideal für Kapitalanleger" beworben. Im unweit gelegenen "Grand Tower" wird die 93 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung für über 1,8 Millionen Euro angeboten. Das 275 Quadratmeter große Penthouse ist dort für schlappe 8,4 Millionen Euro zu haben. Derartige Preise können normale Frankfurter Bürger natürlich nicht bezahlen. Die Käufer und eigentlichen Finanziers derartiger Türme sitzen nicht hier, sondern höchstwahrscheinlich in Hongkong, Dubai oder New York.
Claus-M. Wolfschlag