Trauer am Merianplatz
Nach den Platanen der nächste Verlust

Hübners Frankfurter Woche – Folge 177
Es sind oft die sogenannten kleinen Ereignisse, die Menschen mehr bewegen als Sensationen in den Medien. Für Bewohner im Nordend, Ostend und Bornheim war es ein Schock, daß die zwei großen Platanen am Merianplatz nach ihrer willkürlichen Vergiftung durch immer noch unbekannte Barbaren kürzlich gefällt werden mussten. Auf einem sehr beliebten Platz in Frankfurt mit U-Bahnstation, vielen Geschäften und Lokalitäten werden seitdem die wertvollen Bäume schmerzlich vermisst.
Nun wird am letzten Samstag im September nach 14 Uhr auch der bei vielen Bürgern äußerst populäre Obst- und Gemüsestand nach fast 40 Jahren nur noch ein Stück Lokalgeschichte sein. Denn sein Chef Michael, ein in die Jahre gekommener herzensguter Mann, geht in den wohlverdienten Ruhestand, den er irgendwo an der Nordsee verbringen soll. Als ich diese traurige Nachricht erhielt, war mein erster Gedanke: Wo bekomme ich jetzt jeden Samstag meine Wochenration Pressmänner her?
Diese originelle Bezeichnung für Orangen habe ich nämlich vor etlichen Jahren beim ersten Einkauf an dem Stand gelernt und seitdem gerne gebraucht. Damit hat es nun leider ein Ende. Vielen Menschen werden aber nicht nur die stets besonders saftigen Pressmänner fehlen, sondern mehr noch die liebenswürdigen, gerne zum Schwätzchen aufgelegten Verkäufer um den beliebten Chef. Das rege Leben um und an dem Stand am Merianplatz war sozusagen eine Art Kontakthof in der Anonymität der Großstadt.
Stammkunden wurden mit Namen begrüßt, der Kauf war nicht nur Geschäft, sondern eine weithin geschätzte Möglichkeit der Kommunikation. Am Stand entstanden unter den wartenden Kunden manche Bekanntschaften, sogar Partnerschaften sollen dort begründet worden sein. Für das Verkäuferteam um Michael ist das Ende des Standes wohl auch das Ende einer familiären Beziehung. Für uns Bewohner rund um den Merianplatz ist dieser Verlust ein wichtiges Stück Lebensqualität, das nun verloren geht.
Wolfgang Hübner