Ohne Beruf, aber Volksvertreter
Omid Nouripour ist Grünen-Sprecher in Frankfurt

FREIE WÄHLER - Fraktion im Römer
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„Wer etwas bewegen will, muss mit dem eigenen Hintern beginnen“, das ist das Motto des grünen Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour. Der 1975 in Teheran geborene, 1988 mit seinen Eltern nach Deutschland gewechselte und seitdem in Frankfurt am Main lebende Politiker ist kürzlich zu einem der beiden Vorstandssprecher der Grünen in der Bankenmetropole gewählt worden. Herr Nouripour will also noch mehr bewegen als ohnehin schon.
Denn der sicherheitspolitische Sprecher seiner Partei und ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages verfügt offenbar über unerschöpfliche Energien – Frankfurt und besonders Frankfurts Grüne dürfen sich also freuen, dass der bekennende Muslim mit den zwei Pässen sowie vielen Mitgliedschaften in Vereinen und einflussreichen Vereinigungen wie der „Atlantikbrücke“ schon wieder seinen Hintern in Bewegung gesetzt hat, um am Ort seines Wahlkreises eine noch gewichtigere Stimme zu haben. Dass die neue Funktion der künftigen Verteidigung des wertvollen Mandats in Berlin nicht schaden dürfte, wird in den Überlegungen des Politikers wohl auch eine Rolle gespielt haben.
Frankfurt darf sich auf einen umfassend gebildeten Grünen-Sprecher freuen, denn Herr Nouripour hatte als Student an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz nicht weniger als sechs Fächer belegt: Deutsche Philologie, Politik- und Rechtswissenschaft, Soziologie, Philosophie und Volkswirtschaftslehre. Allerdings war das selbst für den extrem beweglichen Ex-Iraner doch ein wenig zu viel des akademischen Ehrgeizes, denn nach der stolzen Aufzählung der sechs Fächer auf seiner Webseite vermerkt der Politiker lapidar in Klammern: Kein Abschluss.
Was Herrn Nouripour von 2002 bis zu einer TV-Magazinsendung im Jahr 2008 nicht daran hinderte, öffentlich zu verbreiten, er arbeite an einer Doktorarbeit mit dem schönen Titel: „Deutschland: Heimat, Fremde – über Deutsche Literatur von Nicht Deutschen“. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Doktorarbeit jemals Leser bereichern kann. Denn laut Studienordnung der Mainzer Universität hätte der vielseitige Student spätestens August 2006 die letzte Möglichkeit zu einer Doktorarbeit gehabt. Doch damit konnte sich Herr Nouripour seinerzeit schon deshalb nicht beschäftigen, weil er im September 2006 als Nachfolger des grünen Übervaters Joseph Fischer in den Bundestag einzog, also Volksvertreter im wichtigsten Parlament der Republik wurde.
Für den Bundestag musste Herr Nouripour allerdings einige biographische Angaben öffentlich machen. Da er außer etlichen Aushilfsjobs in Schüler- und Studentenjahren keine berufliche Tätigkeit oder abgeschlossene Ausbildung angeben konnte, bezeichnete er sich selbst als „Promovent der Germanistik“. Dass die korrekte deutsche Bezeichnung für einen Doktoranden „Promovend“ ist, mag als Lappalie betrachtet werden. Aber sich jahrelang als „Promovent(d)“ auszugeben, ohne das zu sein – wie nennt man das eigentlich: Hochstapelei? Selbstbetrug? Irreführung der Öffentlichkeit? Lüge?
Omid Nouripour hat jedenfalls bereits einen Tag nach der Sendung im Fernsehen seine biografischen Einträge ändern lassen, seitdem ist er also nicht mehr Doktorand aus eigener Ermächtigung, sondern nur noch Bundestagsabgeordneter bzw. „Freiberufler“, wie er sich bei Gelegenheit auch definiert. Denn der verhinderte Germanistik-Doktor unterhält eine Beratungsfirma, deren unerfindliche Tätigkeit nach eigenen Angaben jedoch ruhe, „so lange“ er „als Politiker tätig ist“.
So lange ruht bei dem Grünen noch etwas ganz anderes, nämlich jene Glaubwürdigkeit, die von Volksvertretern in so wichtigen Funktionen wie denen im Verteidigungsausschuss des Bundestages eigentlich erwartet werden kann. Wer erst dann eine wichtige biografische Angabe korrigiert, wenn er von findigen Journalisten erwischt wird und sich in der Bild-Zeitung als „Angeber des Tages“ schmähen lassen muss, der mag zwar als Sprecher der Frankfurter Grünen tragbar sein, weil diese keine übermäßigen charakterlichen Ansprüche an ihr Spitzenpersonal zu stellen scheinen. Als ein Politiker, dem Vertrauen geschenkt werden kann, hat sich Omid Nouripour selbst disqualifiziert.
Bei der Berichterstattung in den Frankfurter Medien über die Wahl des Bundestagsabgeordneten zum Grünen-Sprecher war dieses Kapitel in der erstaunlichen Karriere des Politikers den Journalisten übrigens keine Zeile wert. Herr Nouripour kann also darauf vertrauen, nicht mehr damit behelligt zu werden, selbst noch als Bundestagsabgeordneter öffentlich mit akademischen Weihen geliebäugelt zu haben, die ihm schon längst verwehrt waren.
Und insgeheim wird er sich täglich dazu gratulieren, mit seinen Eltern in ein Land gekommen zu sein, wo man ohne Beruf einflussreicher Volksvertreter , ja sogar, wie sein Vorgänger im Mandat, Außenminister werden kann. Verteidigungsminister in Deutschland, so wird sich Omid Nouripour sagen, sollte man – der fränkische Schummelbaron lässt grüßen – sowieso von vornherein ohne Doktortitel werden. Der grüne Wehrexperte hat diese Voraussetzung jedenfalls schon überzeugend erfüllt.
Wolfgang Hübner, 12. Dezember 2011