Der Prozess Arid Uka: Tag 6 (7. Teil)

Kreuzverhöre

Vorwort:

In Frankfurt am Main findet seit dem 31. August der Prozess gegen den jungen muslimischen Flughafenattenäter statt, der aus religiös-politischen Motiven Anfang des Jahres zwei US-Soldaten getötet und zwei weitere lebensgefährlich verletzt hat. Die Tat und der Prozess sind von erheblicher Bedeutung für die Diskussion, ob der Islam zu Deutschland gehört und welche Folgen das haben kann.
 
Von besonderer Bedeutung für die FREIEN WÄHLER in Frankfurt ist, dass die Tat ausgerechnet in der Stadt geschah, in der wenige Monate zuvor das gesellschaftspolitische Ziel der Integration von Einwanderern aufgegeben wurde zugunsten eines "Vielfalt"-Konzepts, in dem die Integration von Muslimen und die damit verbundenen Probleme faktisch geleugnet wird.

Die offizielle Reaktion auf die Bluttat bei Frankfurter Politikern und Parteien, aber auch der meisten Medien war dann große Verlegenheit, gezieltes Herunterspielen des ungeheuerlichen Vorfalls und die Suche nach individualpsychologischen Erklärungen für das Handeln des Mörders, der in Frankfurt aufwuchs und sozialisiert wurde. Angeregt von meinem Vorschlag, verfolgt der Sozialwissenschaftler G. Andreas Kämmerer nun den Prozessverlauf und wird über alle Stationen Berichte und Analysen abgeben.

Für die Richtigkeit und Tendenz seiner mit Autorenrechten geschützten Texte zeichnet G. Andreas Kämmerer mit Namen verantwortlich. Seine Texte über den Prozessverlauf erscheinen auf dieser Seite ohne Kürzungen und inhaltliche Eingriffe oder Veränderungen. An der herausragenden sprachlichen und analytischen Qualität der Texte gibt es aus meiner Sicht keinen Zweifel. Doch die Leser mögen sich selbst ein Urteil bilden, für Reaktionen aller Art sind wir dankbar.

Wolfgang Hübner, Stadtverordneter
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Der Prozess Arid Uka: Tag 6 -  Kreuzverhöre

Am 6. Verhandlungstag, der wegen einigen Verspätungen nur schleppend in Gang kam, durften die weniger als 25 Zuschauer wieder hinter einer Glasscheibe Platz nehmen und wurden sogleich mit einer kleinen Sensation aufgeweckt: Die Eltern von Arid Uka, die zum heutigen Termin zu einer Zeugenaussage geladen waren, hatten von ihrem Zeugenaussagenverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, wie der Vorsitzende Richter Sagebiel zu Protokoll gab.

Man darf über diese Entscheidung der Eltern, die im Rahmen unseres Rechtssystems liegt, dennoch verwundert sein. Denn schließlich handelt es sich hier um einen öffentlichen Prozess gegen einen 21 Jahre jungen Mann, dem vorgeworfen wird, 2 Menschen getötet und mehrere andere schwer verletzt und traumatisiert zu haben. Als Eltern eine Gelegenheit nicht zu nutzen, den eigenen Sohn in aller Öffentlichkeit zu verteidigen, ihn somit alleine zu lassen, ist schwer verständlich. Natürlich kommen die Gedanken in den Sinn, dass der Gesetzgeber dieses Recht auch unter dem Primat einräumt, dass die Aussagen von Familienmitgliedern zum Nachteil des Angeklagten ausfallen könnten. Und in diesem Sinne wäre es naheliegend, dass die Eltern von Arid Uka Belastendes zu sagen hätten, das zum Nachteil des Angeklagten Sohn reichen könnte. Spönne man aber diesen Gedanken weiter, dann wäre die nächste Frage, welchen inhaltlichen Charakter könnten denn jene Details und Aussagen haben, die den eigenen Sohn belasten würden? Aussagen zum Tathergang selbst, können die Eltern wohl nicht beitragen, da sie nicht vor Ort waren.

Somit könnten es nur Aussagen sein, die die Vorgeschichte des Angeklagten anbetreffen. Und diese Vorgeschichte ist insbesondere in jener Hinsicht interessant und für den Prozess elementar, ab welchem Zeitpunkt Arid Uka nicht mehr als „normaler“ Islamgläubiger zu bezeichnen gewesen ist. Denn die Strategie der Verteidigung zielt bekanntlich darauf ab, Arid Uka als ein „Opfer“ einer Art „Blitz-Radikalisierung“ darzustellen. Wenn aber eine Befragung der Eltern heute ergeben hätte, dass  ihr Sohn schon länger als ein paar Wochen vor der Tat, vielleicht schon viele Monate oder Jahre vor der Tat Kontakte zu Islamisten gepflegt  oder diesbezügliche Auffälligkeiten  vor den Eltern gezeigt hätte (Schulschwänzen, Moscheebesuche, Konsum von gewaltverherrlichenden Videos auf Youtube, usf.), dann wären dies in der Tat sehr belastende Hinweise auf den Umstand, dass KEINE Blitz-Radikalisierung stattgefunden habe. Und in diesem Kontext der Verteidigungsstrategie würde es auch notwendig sein, dass die Eltern von ihrem Recht auf Zeugenaussagenverweigerung Gebrauch machen würden.

Nach der  aufregenden Neuigkeit von Arid Ukas Eltern nahm der Prozesstag seinen geplanten Gang: sieben Zeugen waren geladen - die Eltern entschuldigt und ein weiterer Zeuge verhindert - so dass fünf Befragungen  für den Vor- und Nachmittag auf der Agenda standen. Neben einem Klassenlehrer und der Pflegedienstleiterin des Sozialdienstes „Grüner Halbmond“ standen drei Schulkameraden von Arid Uka heute in der Pflicht, ihren ehemaligen Mitschüler und Freund näher zu beschreiben.

Ohne den Erinnerungsprotokollen vorgreifen zu wollen, darf verraten werden, dass die heutigen Aussagen der Ex-Mitschüler einen sehr tiefen Blick in die islamische Denk- und Handlungsweise von Arid Uka zuließen. Und dies insbesondere Dank der professionellen Beharrlichkeiten von Staatsanwalt Weingarten und des Vorsitzenden Richters Sagebiel, die beide mit der nötigen Autorität und Strenge jeden Versuch von Zeugen unterbanden, in plötzlichen „Erinnerungslücken“  zu stolpern oder in „Verständnislöchern“ abzutauchen und Arid Uka so schützen zu wollen. Spätestens nach dem heutigen Tag dürfte die These der „Blitz-Radikalisierung“ als Legendenbildung der Verteidigung von Arid Uka vor Gericht ad acta gelegt werden können.


Zeuge Nr. 1 – Der Lehrer

Als erster Zeuge trat ein 40jähriger Lehrer in den Zeugenstand, der an dem Gymnasium Frankfurt-Höchst in dem Leistungskurs Politik/Wirtschaft  Arid Uka im Jahr 2009/2010 unterrichtet hatte (12. Klasse) und als  sein Tutor tätig gewesen war. Der Lehrer berichtete, dass Arid Uka ein Schüler gewesen war, der im Unterricht allgemein nicht aufgefallen sei. Jedoch seien seine Fehlzeiten ins Auge gefallen. Während er im ersten Halbjahr der Klasse 12 noch einigermaßen regelmäßig den Unterricht besucht hätte, wäre er im 2. Halbjahr nicht mehr zum Unterricht erschienen und hätte sich dann selbst im Juni 2010 vom Unterricht abgemeldet.

Der Lehrer berichtete, dass er sich um Arid Uka gekümmert habe; so habe er mit Arid Uka zusammen eine Bewerbung geschrieben für den Beruf des Chemikanten. Auch habe er Briefe an das  Elternhaus der Ukas wegen der hohen Fehlzeiten geschrieben, die aber weder beantwortet wurden noch als unzustellbar zurückgekommen wären. Auf seine Frage an Arid Uka, warum er so oft fehle, habe Arid Uka geantwortet, es ginge ihm „nicht gut“. Auf die Frage von Staatsanwalt Weingarten, ob sich Arid Uka im Unterricht als geistig strukturiert und thematisch orientiert gezeigt habe, beantwortete der Lehrer positiv, Arid Uka sei nicht weiter auffällig gewesen.

In der abschließenden weiteren Befragung ergab sich, dass Arid Uka im Unterricht  Referate über den Kosovo und das Thema Harz IV gehalten habe – und wegen Arid Ukas detaillieren Insider-Kenntnissen  zu vermuten gewesen war, dass auch die Familie Uka jene staatlichen Leistungen beziehen würde. Weiterhin führte der Lehrer auf Nachfrage aus, dass Arid Uka nicht der einzige Moslem in der Klasse neben anderen Religionen war.

Als besonders bemerkenswert bei dieser ersten Zeugenbefragung blieb das Faktum in Erinnerung, dass Arik Uka schon über ein Jahr vor seiner Tat nicht mehr den Unterricht besuchte – nämlich schon das 2. Halbjahr der Klasse 12 schwänzte, dass kalendarisch das erste Halbjahr 2010 bildete. Was er in dieser freien Zeit tat oder nicht, wurde schon am ersten Verhandlungstag kurz thematisiert, jedoch von Seiten der Verteidigung als „unzumutbare“ Frage abgeblockt. Zur Klärung der wichtigen Frage einer „Radikalisierung“ müssen diese offenen Fragen jedoch noch in den Mittelpunkt gerückt werden.


Zeuge Nr. 2 – Die Pflegedienstleiterin

Als zweite Person am heutigen Tage wurde die 55jährige Pflegedienstleiterin der Einrichtung „Grüner Halbmond“ vernommen. Sie zeichnete auf Nachfrage das Bild eines Arid Uka, der in der moslemisch dominierten Sozialeinrichtung als „ruhig“, „beliebt“, „kollegial“, „zuverlässig“ und „pflichtbewußt“ zu qualifizieren wäre. Die deutschstämmige Pflegedienstleiterin mit einem türkischen Nachnamen stellte Arid Uka somit vor Gericht beste Referenzen aus. Ob aufgrund solch „qualifizierter“ Referenzen Arid Uka später im Postbereich des Frankfurter Flughafens einen Job bekommen konnte, wurde vor Gericht nicht thematisiert.

Von Oktober 2010 bis Dezember 2010 war Arid Uka nach der Aussage der Pflegedienstleiterin beim „Grünen Halbmond“ im Rahmen eines „Freiwilligen Sozialen Jahres“ tätig. Dann habe er zusätzlich bei der Post am Flughafen zur Aushilfe angefangen. Dies habe aufgrund der unterschiedlichen Dienstplänen zu einem Zielkonflikt geführt, so dass Arid Uka dann hätte entscheiden müssen, entweder für die Post oder für den „Grünen Halbmond“ zu arbeiten. Letztendlich hätte sich Arid Uka für die Post entschieden, da er dort mehr Geld verdienen könne.

Auf die Nachfrage des Nebenklägers, warum Arid Uka mehr Geld habe verdienen wollen, antwortete die Pflegedienstleiterin mit einem überraschenden Detail: Arid Uka habe angeblich „heiraten wollen“.
Die letzte Einlassung der Zeugin lässt sehr verwundern, hatte doch Arid Uka in seiner Aussage am ersten Verhandlungstag zu Protokoll gegeben, er habe mit mehr Geld seine „Familie unterstützen wollen.“ Auch hatte Arid Uka auf die Nachfrage des Vorsitzenden Richters Sagebiel ausgesagt, keine Kontakte mit Frauen gehabt zu haben. Widersprüchliche Aussagen, die nicht zusammenpassen und darauf hindeuten, dass Arid Uka nicht die Wahrheit sagen will.


Zeuge Nr. 3 - Telekom

Als erster von drei ehemaligen Bekannten bzw. Mitschüler des Angeklagten Arid Uka wurde am heutigen Tag ein 21jähriger Zeuge befragt, der aktuell eine Ausbildung bei der Telekom absolviert, und zu dem das Gericht aufgrund der glaubwürdigen Art und Weise der Aussagen – im Gegensatz zu den folgenden zwei Zeugen - von Anfang an eine gute Verbindung herstellen konnte. Der junge Auszubildende hatte Arid Uka vor ca. 8 Jahren über einen anderen Freund kennengelernt. Die gemeinsamen Interessen beschränkten sich hauptsächlich auf das Computerspielen, nur ausnahmsweise habe man Sport betrieben oder sei zusammen in die Stadt gegangen. Der Kontakt zu Arid Uka sei ca. drei Monate vor der Tat abgebrochen, da Arid Uka laut seiner eigenen Aussage „zu erschöpft“ gewesen sei, neben seinen zwei Jobs noch Treffen mit Freunden zu realisieren.

Weiterhin berichtete der Zeuge, dass es einen „besten Freund“ von Arid Uka gebe, mit Namen Burak, der ihm nach der Tat erzählt hätte, ein marokkanischer Hassprediger hätte in demselben Haus wie Arid Uka gewohnt und Arid Uka sei diesem Hassprediger „in die Hände gefallen“. Auf die Nachfrage von Staatsanwalt Weingarten bestätigte der Auszubildende, dass er von Arid Uka ein Buch erhalten habe, „Islam für Andersgläubige“, um ihn zu missionieren; er habe aber nicht in das  Buch geschaut, da der Inhalt ihn nicht interessiert habe. Weiterhin bestätigte er, dass seines Wissens nach Arid Uka keine Freundin gehabt und ca. drei Stunden am Tag am PC mit Spielen verbracht hätte. Gegenüber Amerika, so sagte er weiter aus, habe Arid Uka seiner Meinung nach eine positive Einstellung gehabt, da er oft entsprechende Comics aus dem amerikanischen Kulturkreis im Fernsehen angeschaut und als „angenehm“ und „unterhaltsam“ beurteilt habe.

Mit einer besonderen Form der kultivierten Kommunikation wurde das Gericht auf Nachfrage des Pflichtverteidigers Hoffmann konfrontiert. Er befragte den Zeugen, ob dieser einmal eine SMS mit dem Betreff „Anschlag“ erhalten habe. Der Zeuge verneinte dies, berichtete aber, dass er von dem besagten Freund Burak erzählt bekommen habe, dass Burak von Arid Uka eine SMS erhalten habe mit dem Wortlaut: „Sorry Bro, habe keine Zeit, muss noch den Anschlag planen, melde mich mo wieder.“ Da Arid Uka viel das Computerspiel „Call of Duty“ spielen würde, ein Kriegsspiel, hätte sich diese Aussage, „Anschlag“ wohl auf das Computerspiel, auf das „Gaming“  bezogen, so der Zeuge von der Telekom. Mit dieser letzten Aussage wurde der junge Auszubildende aus dem Zeugenstand entlassen.

In zweierlei Hinsicht war diese Zeugenaussage bemerkenswert: Einerseits ist es höchst unwahrscheinlich, dass Spieler von „Call of Duty“ einen sogenannten „Anschlag“ planen. Diesen Spielmodus gibt es in dem Spiel nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist somit sehr hoch, dass Arid Uka mit seiner SMS gegenüber seinem Freund Burak mit einem in Wirklichkeit in Planung befindlichen „Anschlag“ kokettieren, sich wichtig machen wollte. Sollte dem so sein, würde dies darauf hindeuten, dass der Angeklagte unter dermaßen starken Aufmerksamkeitsdefiziten gelitten haben muss, die er mit einer solchen Tat ausgleichen wollte. Neben diesen psychologisierenden Interpretationsmustern, die naturgemäß nur einen schwachen empirischen Gehalt aufweisen können, würde jedoch die Tatsache, dass eine längerfristige Planung von Arid Uka durchgeführt worden ist, seiner eigenen Aussage diametral widersprechen,  „spontan“, „über Nacht“ zu dem Entschluss gekommen zu sein, amerikanische Staatsbürger töten zu müssen. Wer über Nacht, spontan, durch ein Youtube-Video im höchsten Maße traumatisiert und durch jahrelanges virtuelles Töten von Kriegsgegnern in „Call of Duty“ im höchsten Maße zum Pazifisten sensibilisiert, zu dem Entschluss getrieben wurde, als islamischer Robin Hood unschuldigen Amerikanern aufzulauern und sie hinterrücks zu erschießen, wer angeblich dermaßen über Nacht seinen gesunden Menschenverstand verliert, versendet nicht Monate vorher eine SMS, er würde gerade einen „Anschlag“ planen. Jene logische Widersprüchlichkeit kann auch nicht durch den falschen Verweis auf einen nicht existenten Spielmodus in „Call of Duty“ geheilt werden.

Zum Anderen war die Aussage des Zeugen hinsichtlich eines „Hasspredigers“ im Umfeld von Arid Uka von großer Wichtigkeit. Denn in der Tat bewohnte ein einschlägig als Islamist bekannter Mann zur gleichen Zeit ein Mehrfamilien-Mietshaus, in dem auch Arid Uka wohnte. Sein Name: Rami M. Die Bundesanwaltschaft warf dem mittlerweile Inhaftierten 25-jährigen Deutschen mit syrischen Wurzeln vor, von Mai 2009 bis Juni 2010 ein Al-Qaida-Mitglied gewesen zu sein.  Seine Kontakte in höchste Kreise der Terrororganisation Al-Qaida qualifizierten Rami M. zu einem der bekanntesten Terrorverdächtigen Deutschlands aus dem islamischen Kulturkreis. Rami M. wurde von demselben Staatsschutzsenat, unter demselben Vorsitzenden Richter Sagebiel ein „Deal“ vorgeschlagen: ein umfangreiches Geständnis gegen eine Strafe von viereinhalb bis fünf Jahren. Und tatsächlich: das Strafmaß unter dem Vorsitzenden Richter Sagebiel belief sich vor dem OLG in Frankfurt auf vier Jahre und neun Monate. Strafmildernd (es drohte eine Höchststrafe von 10 Jahren) wurde dem 25-Jährigen  zu Gute gehalten, dass er „für Rattenfänger in den Moscheen ein leichtes Opfer gewesen sei“, dass er ein umfassendes Geständnis abgelegt habe und dass er nach der Einschätzung des Gerichts als „sehr unreif“ zu bezeichnen sei.

Sollte Arid Uka unter dem Einfluss Deutschlands bekanntestem Islamisten gestanden haben, unter dem Einfluss von Rami M., dann muss dies vor dem Monat Juni 2010 gewesen sein, als Rami M. im Pakistan verhaftet und den Behörden in Deutschland übergeben worden ist. Genau in dem Monat, als Arid Uka sich von der Schule abmeldete und wohl beschlossen hatte, einen anderen als den schulischen Weg zu gehen. Zufall?

Das Zeitfenster, um von einer „Blitz-Radikalisierung“ Arid Ukas zu sprechen, wird immer größer und umfasst nach jetzigem Kenntnisstand eine Größenordnung von mehr als 24 Monaten. Dass zudem Arid Uka nach Berichten, die im Internet nachzulesen sind, im Zusammenhang des Kontaktes zu Rami M. vom Verfassungsschutz überwacht  worden und neben seinem Festnetzanschluss auch sein Handy einer ständigen Peilung unterworfen gewesen sein soll, wirft die Frage auf, wie es ggf. zu einer solchen Fehleinschätzung deutscher Behörden hat kommen können. Ein als Gefährder gekennzeichneter Arid Uka unterläge einer 24-Stunden-Überwachung, es würden Bewegungsprofile erstellt, und dennoch kann ein solcher Mann auf einem internationalen Flughafen arbeiten? Dass nach der schrecklichen Tat von Seiten des Staates dann von einer Blitz-Radikalisierung gesprochen wird, obwohl die Kontakte zu Rami M. und die Überwachung von Arid Uka bekannt sein würden, macht in jenem Kontext nur Sinn, wenn Fehleinschätzungen gegenüber der Gefahr des politischen Islam auf höchster politischer Ebene vertuscht werden sollten.


Zeuge Nr. 4 - Student

Der zweite Bekannte, ein ehemaliger Mitschüler,  der am heutigen Tag im Zeugenstand Rede und Antwort stehen musste, war ein 19-jähriger Student aus Hattersheim mit amerikanischer Staatsbürgerschaft.  Er war der erste von den drei geladenen Bekannten Arid Ukas, der einen aussageunwilligen und mundfaulen Eindruck hinterließ und erst nach mehrmaliger Ermahnung von Seiten des Gerichts seine Erinnerungsblockaden lösen konnte.

Der junge Zeuge kannte Arid Uka seit 2009, spielte ebenfalls Playstation mit ihm und war jener Kontakt, mit dem Arid Uka mit Softair-Waffen Schießübungen durchgeführt hatte. Beide gingen noch im Jahr 2009 zusammen auf die Schule – ein Kontakt, der erst im Januar 2011 ein Ende fand; zu jener Zeit habe der Zeuge Arid Uka das letzte Mal persönlich gesehen. Nach Aussage des Zeugen hatte Arid Uka durchaus radikale Ansichten vertreten und er sei auch ausdrücklich gegen die Amerikaner negativ eingestellt gewesen. Überhaupt sei Arid Uka der strengste Muslim, den der Zeuge persönlich kennen würde. Ab dieser Stelle konnte oder wollte sich der Zeuge nicht mehr richtig erinnern. Erst die Ermahnung durch den Vorsitzenden Richter Sagebiel, der Zeuge würde sich bei weiterer Verweigerung „fürchterlichen Ärger“ einhandeln, konnte das Erinnerungsvermögen des Zeugen auf die Sprünge helfen.

Sodann führte der Zeuge aus, dass er mit Arid Uka über diverse Filme auf Facebook diskutiert habe, in denen die Amerikaner negativ dargestellt wurden. Er, der Zeuge, habe sich des Öfteren genötigt gefühlt, sich vor Arid Uka zu verteidigen, dass er nicht für Gräueltaten von Amerikanern verantwortlich sei. Weiterhin führte der Zeuge aus, dass Arid Uka ab dem Sommer 2010 einen ungepflegten Vollbart trug – zu einer Zeit, als Arid Uka aus  einer Reise aus dem Kosovo zurückgekommen sei. Weiterhin verriet der Zeuge, dass Arid Uka ihm in dem Keller seiner elterlichen Wohnung eine Waffe gezeigt habe mit den Worten, diese gehöre seinem Bruder und dieser wolle die Waffe für einen Banküberfall verwenden. Weiterhin gab der Zeuge zu Protokoll, dass Arid Uka seinen Namen und sein Facebook-Profil schon 2009 in den Kampfnamen „Abu Ryyan“ verändert habe.

Auf Nachfragen des Bundesstaatsanwaltes Jochen Weingarten, ob denn Arid Uka aus seiner Sicht ein strenggläubiger Moslem sei, antwortete der Zeuge, dass Arid Uka Bart trug, immer in die Moschee ging und daher freitags nicht zur 7. Stunde in der Schule erscheinen würde, und dass Arid Uka nicht seiner Einladung zur 18.Geburtstagsparty nachgekommen sei mit der Begründung, dort würde Alkohol getrunken.  Weiterhin sagte der Zeuge aus, dass er eigentlich nur Playstation mit dem Angeklagten gespielt habe, und dass Arid Uka einmal geäußert habe, er wolle eine „Verschleierte“ heiraten. Auch habe Arid Uka ihm gegenüber den Plan geäußert, als Taliban verkleidet auf der Abi-Feier im Jahre 2010 auftauchen zu wollen.

Insgesamt zeichnete der Zeuge – wenn auch erst unter Druck – das Bild von einem Arid Uka, der schon im  Jahre 2009 politisiert und radikalisiert war, und der – nachdem er die Schule nur noch unregelmäßig und schließlich überhaupt nicht mehr besuchte, offensichtlich im Kosovo eine Radikalisierung erfuhr und äußerlich verändert wieder zurückkam. Ein sehr interessantes Detail, da Arid Uka am  ersten Verhandlungstag Fragen zu seinem Freizeitverhalten während seiner Fehlzeiten in  der Schule verweigerte, bzw. die Verteidigung von Arid Uka auf ein späteres Gutachten verwies, dass diesen Fragenkomplex beinhalten würde; interessant aber auch, da der Großvater Arid Ukas im Kosovo ein muslimischer Geistlicher ist – ein islamischer Einfluss, der nicht ohne Wirkung auf Arid Uka geblieben sein wird.


Zeuge Nr. 5 -  Chemikant

Der dritte Bekannte und ehemalige Mitschüler namens Burak, bestätigte von Anfang an das Bild, dass die beiden anderen Bekannten überdeutlich gezeichnet hatten – das eines jungen Mannes, der  schon sehr lange die Inhalte des Korans auch mit Gewalt in Deutschland vertreten und zu  verteidigen gewillt war. Der 21-jährige, türkischstämmige Zeuge und ehemalige Mitschüler Arid Ukas gab zu Protokoll, dass Arid Uka schon vor mehr als 2 Jahren angefangen habe,  sich zu isolieren. (Eine Einschätzung, der eine hohe Aussagekraft zu attestieren ist, da der Zeuge den Angeklagten schon seit der 5. Schulklasse persönlich kannte.) In den letzten zwei Monaten vor der Tat hätte sich Arid Uka gänzlich von dem Zeugen zurückgezogen; und obwohl diese Entwicklung der chronischen Isolation über zwei Jahre andauerte, gab der Mitschüler zu Protokoll, Arid Uka hätte sich charakterlich nicht verändert. Auch hätten sie im Grunde nicht über Politik geredet, obwohl sie regelmäßig in die türkische Moschee gegangen seien, und obwohl auch der Zeuge der Meinung sei, die Amerikaner sollten sich langsam aus Afghanistan zurückziehen. Die Veränderungen von Arid Uka, so führte der Zeuge dann doch überraschend aus, seien wohl auf die Bekanntschaft von Arid Uka mit einem jungen Mann in einer Moschee zurückzuführen.

Die bisherigen Ausführungen des Zeugen erscheinen dem Gericht und der Staatsanwaltschaft als zu wenig glaubwürdig. Und so wurde der Zeuge eindringlich von dem Bundesstaatsanwalt Jochen Weingarten ermahnt, Details über die Veränderung von Arid Uka Preis zu geben und seinen ehemaligen Freund nicht zu schützen.

Der Zeuge beginnt nun offener zu kommunizieren. Er erzählt auf Nachfrage hinsichtlich der Veränderungen von Arid Uka, dass dieser nicht nur jeden Freitag in die türkische Moschee gegangen sei, sondern auch noch in marokkanische, arabische und afghanische Moscheen. Des Weiteren hätte Arid Uka angefangen, Arabisch zu lernen und hätte versucht, sich einen Vollbart wachsen zu lassen. 

Auf die Frage der Verteidigerin, wie sich die Freundschaft zwischen dem Zeugen und Arid Uka ausgestaltet habe, antwortete der Zeuge, dass seit der neuen Freundschaft mit dem jungen Mann aus der Moschee das Verhältnis zwischen ihnen abgekühlt sei. Auch habe er, der Zeuge, sich beleidigt gefühlt und habe deshalb den Kontakt nicht aktiv zu verbessern gesucht. Auf die Frage, wie er es als Türke mit dem Glauben halte, sagte er aus, dass er seit dem 9. Lebensjahr versucht habe, dreimal am Tag zu beten, aber das sei ihm in dieser Strenge leider nicht gelungen. Mit dieser letzten Äußerung wird die Zeugenbefragung beendet und hinterlässt nicht nur vor dem Gericht und der Staatsanwaltschaft den Eindruck eines jungen Mannes, der definitiv nicht mit der Sprache rausrücken möchte und seinen Freund Arid Uka in einem positiven Licht erscheinen lassen will.

Bemerkenswert bleibt bei den widerwilligen Aussagen des letzten Zeugen, dass auch dieser bei aller verbalen Obstruktion zugeben musste, dass die Veränderungen von Arid Uka schon vor mehr als zwei Jahre ihren Anfang genommen haben. Damit verweist auch der letzte Zeuge auf ein Zeitfenster, in dem Arid Uka sehr gut mit dem zu dieser Zeit bekanntesten Islamisten Deutschlands, Rami M.,  unter einem Dach wohnte, bevor dieser Deutschland verließ und mit den höchsten Köpfen der terroristischen  Al-Qaida zusammenarbeitete.

Es bleibt nach wie vor ein großes Geheimnis des Frankfurter Oberlandesgerichts und der Bundesanwaltschaft sowie der Nebenkläger und der Verteidigung, warum gerade jenes Zeitfenster, 2009/2010, indem Arid Uka die Schule aufgab und sich in seiner Freizeit anderen Dingen und Aufgaben widmete, nicht in den Mittelpunkt der Befragungen von Arid Uka gerät, warum Arid Uka und  sein Umfeld nicht eindringlich auf diese Zeit hin befragt und ins Kreuzverhör genommen werden. Eine abgebrochene Schullaufbahn, Kontakte zu einem angehenden Top-Terroristen der Islamischen Szene, unablässige Moscheebesuche, Reisen in den Kosovo, Schießtraining und undurchsichtige Waffenkäufe nebst einer Überwachung durch den Verfassungsschutz sollten Anlass genug sein, die These einer Blitz-Radikalisierung fallen zu lassen und die wahren Hintergründe und Netzwerke für die betroffene deutsche Bevölkerung transparent zu machen.

Ohne jene notwendige Hinwendung auf den zeitlichen blinden Fleck in der Vergangenheit Arid Ukas bleibt als Erklärung nur die Annahme, dass wie schon bei Rami M. ein  „Deal“ hinter den Kulissen geschlossen wurde, um ggf. mögliche Ermittlungspannen von Seiten der Verfassungsschutzorgane in den Hintergrund treten zu lassen, sowie vermeintliche Erkenntnisse über das bestehende islamische Netzwerk in Deutschland über „Geheimaussagen“ von Arid Uka gewinnen zu können. Sollte dem so sein, verwiese dies auf eine eklatante Fehleinschätzung politischer Kreise hinsichtlich der Gefahr des islamischen Terrors in Deutschland, eine Fehleinschätzung, denen fünf amerikanische Staatsbürger zum Opfer gefallen sind. Und: Deutschland hätte seinen kleinen „Watergate“-Skandal.



G. Andreas Kämmerer, 12. Dezember 2011

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