Eingaben zum Bürgerhaushalt überraschen in Quantität und Qualität!
Detaillierte Auswertung als PDF-Download

Ungeachtet einiger Skepsis gegenüber dem Projekt „Bürgerhaushalt“ hat die FW-Fraktion im Römer eine sorgfältige und vollständige Auswertung der Eingaben von Bürgern vorgenommen (PDF-Download).
Ausgedruckt auf über 968 DIN-A-4-Seiten finden sich von 3.038 Bürger/innen 1.328 Eingaben, dazu über 46.000 Kommentare zu den Eingaben. Die meisten Reaktionen kamen via Internet, ein Viertel per Post, einige per Telefon.
Auch wenn die Frankfurter Tagespresse urteilte, das Projekt Bürgerhaushalt sei gescheitert, weil nicht repräsentativ, da sich nur 0,6 Prozent der Frankfurter Bevölkerung an dem Projekt „Frankfurt fragt mich“ (www.ffm.de) beteiligte und bei den Kosten dieser Aktion von 1,2 Mio. € jede Reaktion rund 25 € teuer sei:
Die Fülle der Ideen ist höchst umfangreich und sollte besonders der von der Oberbürgermeisterin eingesetzten Vierköpfigen Sparkommission auf die Sprünge helfen. Noch nie hatten in Frankfurt so viele Bürgerinnen und Bürger auf einmal Vorschläge zu ihrem lokalen Umfeld einbringen können und eingebracht! Bisher gab es doch nur Einzelreaktionen via Leserbrief im Lokalteil der Tageszeitungen oder Anregungen in den Bürgerfragestunden der Ortsbeiräte.
Nach Abschluss der Aktion am 18.12. letzten Jahres wurden die eingegangenen Vorschläge zum Bürgerhaushalt in eine Hitliste gebracht, nach einem höchst komplizierten und dazu höchst fragwürdigen System, weil es die wahre Quantifizierung nicht widerspiegelt. Denn durch das Programm bedingt kam es zu mehreren gleichen oder ganz ähnlichen Vorschlägen, die jeder für sich gewertet wurden. Kämmerer Uwe Becker stellte noch vor Weihnachten eine Liste der Top 100 vor, die zum Glück noch durch das Bürgerforum am 24. März 2012 kräftig durcheinander gewirbelt werden kann, wobei auch „durchgefallene“ Ideen, also die es nicht in die Top 100 schafften, noch eine 2. Chance haben werden. Über 1.000 Bürger/innen haben sich für dieses Bürgerforum bereits im alten Jahr angemeldet. Wie viele und wer nach welchem Verfahren hierzu berücksichtigt wird, dürfte die Öffentlichkeit schon heute interessieren ...
Denn nur das Verfahren zur Erstellung der Top 100 erklärt, wieso zwei Ausgabenvorschläge die Hitliste anführen, während Sparvorschläge in großer Millionenhöhe auf den Plätzen 3 (Kein Bau des Stadthauses) und 6 (Einsparung Neubau Museum Weltkulturen) landeten.
Auffällig ist: Immer die gleichen, wenigen Vorschlager, immer die gleichen wenigen Kommentatoren. Dabei nur wenige mit Klarnamen, aber viele lustige Namen wie Lalelu, Diedingsda, Tüfteline, Namen mit Lokalbezug wie Briggegiggel, schobbedeggel, Stadtteil-Namen wie: Riederwälder, Goldsteiner oder Namen mit aktuellem, zeitlichem Bezug: Nikolaus, Zimtstern. Bemerkenswert ist: Bis auf den Bürgervorschlag 1037 (Ganzheitliche, niederschwellige Kinder, Jugend und Familienberatung) in den Kommentaren keine Namen mit Hinweis auf Migrationshintergrund, hier aber gehäuft!
Viele Vorschläge, die erst Kosten verursachen, dann Geld einbringen (z.B. Blitzer an Kreuzungen). Die meisten der Vorschläge kosten Geld. Zweitgrößter Posten ist „Sonstiges“, also kostenneutrale, nicht den städtischen Haushalt betreffende oder zu pauschale Vorschläge. Sparvorschläge sind ca. 20 Prozent und nur wenige Vorschläge bringen Geld!
Viele Vorschläge betreffen Objekte, z. B. Bahnhofsvorplatz, die DB AG und Fahrpreise des RMV, dessen Teil die VGF ist, eine Ausgliederung der Stadt. Ebenso Vorschläge zur Autobahn (Bundesangelegenheit!) bzw. Landesangelegenheiten, so Polizei und Bildung. Auch wird das Bürgerforum statt für Vorschläge zum Haushalt auch als „ Kummerkasten“ genutzt.
Unter „ferner liefen“ auch der Top-Sparvorschlag „Aufgeblähte Stadtverwaltung auf normales Maß Stutzen“: In die gleiche Richtung zielen auch: Reduzierung von Dezernenten, Ämtern, Anzahl der Stadtverordneten und Ortsbeiräten.
Unter den Vorschlägen, die Geld bringen: Spielapparatesteuer/Besteuerung von Wettbüros und Spielcasinos verdreifachen.
Beim Themenkomplex „Wohnen, Verkehr und Umwelt“ sind viele Vorschläge mit teilweise nur örtlicher Bedeutung (einzelne Straßen, Kreuzungen etc.), die man in der Bürgerfragestunde des jeweiligen Ortsbeirates hätte ansprechen können. Große Sparvorschläge: Keine „EZB“-Brücke, U-Bahn Europaviertel nicht bauen, ebenso die Umfahrung Praunheim, Geld bringe eine Fluglärmsteuer.
Höchst sozial geht’s im Bereich „Bildung, Gesundheit, Soziales zu: Kostenloses Essen für arme Kinder in Schulen und Kitas, Schülermonatskarte (10 €) für Kinder Frankfurter Familien mit Hartz IV, keine Kitagebühren für Familien mit bis zu 50.000 € Jahreseinkommen oder Tariflohn für soziale Arbeit bei freien Trägern; hier liegt auch der Kommentar-Rekord: 48!
Im Bereich „Kultur und Sport“ ist erstaunlich, wie viele Doubletten - also Vorschläge des gleichen Themas - kamen zum Thema „Museum für Weltkulturen am geplanten Ort nicht bauen“ (14 mit maximal 21 Kommentaren) bzw. doch bauen (4 mit maximal 32 Kommentaren!) Einsparung ca. 80 Mio. €. Auch zum Thema „Kein Stadthaus am Dom“ kamen 9 Doubletten! Und da jede Eingabe für sich gewertet wurde, kamen diese Super-Sparvorschläge halt nur auf die Plätze 3 und 6, während „Förderung privat organisierter Schülerbetreuungen“ und „Kostenloses Schulobst für Frankfurter Grundschüler“ an die Spitze kamen.
D. Schreiber, 17. Januar 2012