Der Prozess Arid Uka: Tag 10 - Ferien im Terrorcamp? (9. Teil)

Ferien im Terrorcamp?

Der folgende Bericht über die Plädoyers von Bundesanwaltschaft und Verteidigung beim Prozess gegen den in Frankfurt aufgewachsenen islamischen Mehrfachmörder Arid Uka ergänzt die ausführlichen Reportagen über eine Gerichtsverhandlung, die in den Medien keineswegs die Beachtung findet, die der schrecklichen Tat und den Motiven des 21-jährigen Täters aus dem Stadtteil Sossenheim angemessen wäre. Nach dem in der kommenden Woche anstehenden Urteil wird sowohl der Prozessverlauf wie auch die verhängte Strafe noch einmal ausführlich betrachtet werden. Auch damit wird eine Lücke gefüllt, die in den verbreiteten Medien - aus welchen Gründen auch immer - sehr auffällig in diesem Fall gelassen wird. 
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Mit einer sensationellen Entwicklung beim Prozess des Frankfurter und islamischen Flughafen-Mörders Arid Uka wartete das OLG Frankfurt am gestrigen 19. Januar auf: ein neuer Zeuge ist nach den abschließenden Plädoyers vom 9. Januar 2012 aufgetaucht, dessen Aussage von Seiten des Gerichts so hoch eingestuft wird, dass das Verfahren vor seiner für den gestrigen Tag geplanten Urteilsverkündung wieder zurück in den Status der Beweisaufnahme gesetzt wurde. Die Spannung war handgreiflich, als um 14:05 Uhr der Vorsitzende Richter das Wort ergriff.

Und tatsächlich wartete die erste Äußerung des Richters Sagebiel am gestrigen 10. Verhandlungstag mit einer Sensation auf: Der Vorsitzende Richter befragte als ersten Vorgang den Angeklagten Arid Uka, ob er im Sommer 2010 in einem islamischen Sommercamp unter dem Namen „Abu Reyyan“ gewesen sei, in dem ideologische und militärische Schulungen durchgeführt worden sind. Arid Uka antwortet in ungewohnter Klarheit und verständlicher Stimmlage (nachdem er im Verlaufe des Verfahrens entweder leise geflüstert oder gleich geschwiegen hatte), dass er in diesem Zeitraum mit seiner Mutter im Kosovo im Urlaub, aber in keinem Sommercamp für Islam-Schulung gewesen sei. Auch auf eine weitere Nachfrage des Gerichts verneinte Arid Uka definitiv, dass er sich in einer solchen Einrichtung befunden habe.

Der Vorsitzende Richter Sagebiel führte aus, diese Frage sei für das Verfahren eine ganz zentrale, denn mit dem Vortrag der Verteidigung, dass Arid Uka einer Art „Blitz-Radikalisierung“ unterworfen gewesen sein soll und direkt nach dem Ansehen eines Videos am Abend vor der Tat den Entschluss gefasst habe, handeln zu müssen – jene Version der Wirklichkeit ließe sich in keiner Weise mit dem neuerlichen Verdacht in Einklang bringen, Arid Uka sei schon im Sommer 2010 in einem islamischen Schulungscamp ideologisch und militärisch trainiert worden. Nach dieser Erläuterung teilte das Gericht mit, dass der Zeuge für den neuerlichen Verdacht aufgrund einer schweren Grippe am gestrigen Termin nicht der Ladung vor Gericht Folge leisten könne und an einem Folgetermin aussagen werden. Stattdessen solle eine Zeugin des Bundeskriminalamtes befragt werden, die den erkrankten Zeugen vernommen habe und somit über jene neuerlichen Informationen berichten werde.

Journalist Franz Feyder als neuer Zeuge

Die 43-jährige Kriminalkommissarin aus Berlin berichtete präzise über ihre Befragung des neuen Zeugen. Sie führte aus, dass es sich bei dem Zeugen um den Journalisten Franz Feyder (Foto l.) handele, einen ehemaligen Bundeswehrangehörigen, der nach seinem Dienst u.a. als Kriegsberichterstatter recherchiert habe. Franz Feyder, so lässt sich im Internet unschwer feststellen, ist ein bekannter Journalist, der für viele Medien, auch für ARD, ZDF und TAZ Beiträge verfasst hat und dessen Spezialgebiete auch die Länder Afghanistan, Bosnien, Kosovo, Irak und Sierra Leone umfassen. Die BKA-Beamtin führte aus, dass Franz Feyder in der Zeugenaussage berichtete, er habe laut einer Quelle aus dem Kosovo, die er aus Sicherheitsgründen nicht offenlegen könne, erfahren, im Sommer 2010 sei eine siebenköpfige Gruppe junger Männer in einem islamischen Sommercamp im Kosovo beobachtet worden, zu der auch der Angeklagte Arid Uka gehört haben soll. Feyder habe davon berichtet, dass er im Kosovo mit 15 Personen persönlich gesprochen habe, die im Umfeld eines wahabitischen Gebetsraums von ihm befragt worden seien. Das Ergebnis: drei Personen hätten Arid Uka auf einem Foto definitiv erkannt. Die Zeugen aus dem Kosovo berichteten weiterhin, dass Arid Uka unter dem Namen „Abu Rayyan“ vor Ort aktiv war, unter jenem Namen, den er bekanntlich auf Facebook führte. Für besondere Authentizität der Quellen spricht weiterhin die Aussage, dass Arid Uka vor Ort Deutsch und Albanisch gesprochen haben soll, wie Zeugen vor Ort beim Beten in dem Gebetsraum beobachtet hätten.

Über den Zeitraum des Aufenthaltes konnte die Kriminalkommissarin aus Berlin weitere belastende Indizien benennen. So ließe sich aus Reisedokumenten der Ausländerbehörde, der Reisegesellschaft und aus der Auswertung der IP-Adresse seiner PS3 in Bezug auf den Besuch der Spiele-Netzwerke von Arid Uka belegen, dass dieser sich im Zeitraum vom 29.06.2010 bis 21.07.2010 im Kosovo bzw. nicht zu Hause aufgehalten habe. Jener Zeitraum, in dem Arid Uka laut eigener Aussage mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder wegen einer Urlaubsreise im Kosovo gewesen sei. Pikante Details zeigten sich, als Arid Ukas Handy von der besagten „Urlaubsreise“ vom BKA ausgewertet wurde: u.a. konnten Bilder gesichtet werden, auf dem Arid Ukas Mutter mit Pfauenfedern im Haar vor einer Moschee zu sehen ist. Was die Familie Uka zu dieser Zeit im Urlaub in die Nähe einer Moschee trieb, warum sich Arid Uka kurz vor seiner „Urlaubsreise“ von seiner Schullaufbahn verabschiedete und warum Arid Ukas „Depressionen“ gerade zu jenem Zeitpunkt ein Ende fanden, dies alles sind Fragen, die in einem bestimmten Kontext durchaus Sinn machen würden, wenn man von der These einer Blitzradikalisierung Arid Ukas Abstand nehmen würde; einer Annahme, der der geradlinige Bundesanwalt Jochen Weingarten mit dem denkwürdigen Begriff „islamischer Durchlauferhitzer“ im Prozessverlauf eine höchst ironisierende Note verliehen hatte.

Ausblick auf das Urteil

Sollten sich die Angaben des neuen Zeugen am kommenden Prozesstag, dem 2. Februar 2012, erhärten lassen, wird es für Arid Ukas Verteidigung notwendig, in den dann neuerlichen Plädoyers von der „Missbrauchs“- und „Amok“-These Abstand zu gewinnen, um jenen neuen Sachverhalt glaubwürdig aufklären zu können. Denn dem Zeugen Franz Feyder wird nicht nur vom BKA im hohen Maße Glaubwürdigkeit eingeräumt, auch seine Vita spricht dafür, dass er nichts zu gewinnen und nur viel zu verlieren hätte, würde er sich auf den Boden gewagter Spekulationen oder Vermutungen begeben.

Franz Feyders Quellen und Aussagen werden aus heutiger Sicht eine Schlüsselstellung bei der Urteilsentscheidung des OLG einnehmen, ob Arid Uka bei dem zu erwartenden Urteil auf „Lebenslänglich“ eine „besondere Schwere der Schuld“ zuerkannt bekommen wird. Sollte dies geschehen, wäre eine vorzeitige Entlassung aus dem „Lebenslänglich“ nach 15 Jahren nicht möglich. Die Tatsache selbst, dass der Prozess für den Tag der geplanten Urteilsbegründung unterbrochen und wieder in den Status der Beweisaufnahme gesetzt wurde, deutet darauf hin, dass das Gericht bis Anfang dieser Woche geneigt war, der These der Blitz-Radikalisierung bei der Urteilsfindung ein großes Gewicht beizumessen. Denn im gegenteiligen Falle wäre die Neuaufnahme der Beweisfindung ohne zwingende Grundlage gewesen.


G. Andreas Kämmerer, den 20. Januar 2012

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