Der Flughafenausbau und die Folgen

Eine politische Rede im Römer

Der Flughafenausbau und die Folgen
© Makrodepecher - pixelio.de

Auch weiterhin sind die Folgen des Ausbaus des Frankfurter Flughafens ein kontrovers geführtes Diskussionsthema, zudem reißen Proteste und Demonstrationen nicht ab. Selbstverständlich gibt es auch bei den FREIEN WÄHLERN in Frankfurt sehr unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema.

Unbestritten ist allerdings, dass die Frankfurter FREIEN WÄHLER 1999 noch vor der politischen Entscheidung für den Ausbau vor der nun realisierten Variante und ihren Folgen gewarnt haben. Es hat nichts mit Rechthaberei zu tun, dies gerade jetzt in Erinnerung zu rufen - es ist sogar notwendig in Anbetracht der alten und neuen Lügen und Vernebelungen seitens der dominierenden Parteien und ihres Personals.  

In seiner Rede auf der Stadtverordnetenversammlung am 15. Dezember 2011 hat sich der Fraktionsvorsitzende der FW-Fraktion im Römer, Wolfgang Hübner, noch einmal ausführlich zum Ausbau und den Folgen geäußert. Zwei Begriffe sind in dieser Rede von besonderer Bedeutung: Glaubwürdigkeit und Enteignung. Gerade für bürgerliche Wählerinnen und Wähler sind Glaubwürdigkeit und Enteignung alles andere als Nebensächlichkeiten in einem Konflikt, der sich noch weiter zuspitzen dürfte.

Die folgende, leicht gekürzte Rede wurde aus Gründen der Redezeitbeschränkung in zwei Teilen gehalten. Erklärende Anmerkungen stehen in Klammern.         
___________________________________________________________
 

 
Frau Vorsitzende,

meine Damen und Herren!
 
Es wäre ein grundlegendes Missverständnis, wenn wir meinten, die Debatte dreht sich um Fluglärm, den Flughafen oder das Nachtflugverbot. Hier und heute findet eine Diskussion über Glaubwürdigkeit statt - die Glaubwürdigkeit steht im Mittelpunkt.

Ich habe mir die Wortprotokolle von den Diskussionen angeschaut, die wir hier bereits zum Thema Flughafen geführt haben. Am 30.08.2001, also vor mehr als zehn Jahren, wurde an dieser Stelle gesagt, ich zitiere: „Ich halte den Ausbau für eine Maßnahme, die uns auf viele Jahre größten Verdruss, größte Proteste und auch im Ergebnis größte Verwerfungen in verschiedenen Stadtteilen oder Teilen der Region bringen wird.“ Heute, fast auf den Tag genau vor vier Jahren, am 13.12.2007, wurde laut Protokoll an dieser Stelle gesagt, ich zitiere: „Was auf uns zukommt, meine Damen und Herren von der CDU oder von der FDP, ist die größte Enteignungsaktion nach dem Zweiten Weltkrieg, denn in den betroffenen Gebieten werden die Leute in vielerlei Hinsicht enteignet. Sie werden enteignet an Lebensqualität, aber auch ganz gewiss an Eigentum. Der Hausbesitzer, der in der falschen Schneise sein Haus hat, verliert einen großen Teil seines Hauswertes. Der Wohnungseigentümer verliert, und der Mieter verliert auch, weil er nämlich unter bestimmten Umständen gemietet und auch bestimmte Vereinbarungen getroffen hat und nach dem Ausbau diesem Lärm ausgesetzt ist. Er muss dann erst einmal aus seinem Vertrag heraus. Also, was hier läuft, ist eine große Enteignungsaktion, die da auf die Menschen zukommt.“ Das waren jetzt zwei Zitate aus Wortprotokollen. Ich will Sie nicht auf die Folter spannen, die Worte, die damals gesagt wurden, habe ich selbst gesagt.

                        (Beifall, Zurufe)
 
In dieser Diskussion geht es um Glaubwürdigkeit. Diese Überraschtheit, die Sie hier simulieren und die in Ihren Anträgen zum Ausdruck kommt, ist keine echte Verwunderung. Alles, was jetzt passiert, ist lange vorhersehbar und berechenbar gewesen. Nichts, was in den letzten Wochen seit Eröffnung der Landebahn geschehen ist, ist in irgendeiner Weise eine Überraschung und kann auch für niemanden hier eine Überraschung sein. Heute steht in der BILD‑Zeitung, dass der hessische Verkehrsminister davon überrascht ist. Das zeigt nur, in welcher Weise die politischen Verantwortungsträger mit der Bevölkerung umgehen.

                              (Beifall)
 
Herr Heuser (CDU-Fraktionsvorsitzender und lange Jahre Fraport-Angestellter und Fraport-Lobbyist), Sie sind einer der größten Wendehälse in dieser Sache, sonst hätten Sie diesen Antrag nicht unterschrieben. Wenn Sie solche Anträge stellen, dann verdrängen Sie, dass im Vorfeld umfangreiche Planungen stattgefunden haben, und der heutige Zustand somit absolut vorhersehbar war. Es ist vorhersehbar gewesen, dass es eine Zunahme von Lärm geben wird. Mit Ihrer Unterschrift unter dem Antrag (von CDU und Grünen) unterstellen Sie den Fachleuten, ob Politikern, Leuten von Fraport, der Technik oder der Flugüberwachung, dass sie seit Wochen ein skrupelloses Menschenexperiment an Massen von Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern sowie Menschen außerhalb Frankfurts vornehmen. Denn Sie unterstellen ihnen, dass sie bei der Einrichtung dieser Routen nicht genau bedacht haben, welche Folgen sich daraus ergeben. Das ist eine unglaubliche Geschichte, die hier läuft - und zwar parteiübergreifend. Man tut jetzt so, als müsste man irgendetwas beschließen, damit sich das Ganze beruhigt und auch abgemildert wird. Sie müssen doch bei der Vorlaufzeit, die gegeben war, davon ausgehen, dass all das ausgerechnet wurde, was jetzt eingetroffen ist. Wenn man das voraussetzt - ich muss das voraussetzen, denn ansonsten würde ich an allem zweifeln und denken, dass es nur noch Dilettanten, Verrückte und skrupellose Leute gibt, die so etwas machen -, dann ist es doch ein vollkommen falsches Versprechen, das Sie hier abgeben. Sie versuchen, den Leuten weiszumachen, die Folgen abmildern zu können.

                              (Beifall)

Was Sie machen können, ist lediglich zu versuchen, das Problem zu verlagern. Sie können das Ganze woandershin verlagern, dann haben Sie den Protest von den dort betroffenen Personen. Das ist der Punkt. Wenn es nicht Schwanheim ist, dann ist es eben ein anderer Stadtteil. Die Landebahn wurde gegen den Widerstand der FREIEN WÄHLER gebaut. Wir haben es seit 1997 immer wieder dokumentiert, es war in unseren jeweiligen Programmen nachlesbar, wie wir zu dieser Sache gestanden haben. Es ist eine große Lüge zu meinen, dass jetzt mit irgendwelchen Resolutionen, mit irgendwelchen Dingen, die Sie heute verabschieden wollen, die Probleme verschwinden. Nein, die Probleme werden bleiben. Und weil die Probleme bleiben, werden wir uns diesen Anträgen, die Sie präsentieren, nicht anschließen. Wir werden uns bei Ihrem Antrag enthalten, weil wir auch der Meinung sind, dass irgendetwas geschehen muss beziehungsweise Verbesserungen vorgenommen werden sollen. Ich weiß nur nicht, wie diese Verbesserungen aussehen sollen. Ich denke, dass bisher sehr genau darüber nachgedacht wurde, wie man so milde und schonend wie irgend möglich vorgeht. Wenn Sie dieser Meinung nicht sind, würden Sie unterstellen, dass man seit Wochen Menschenexperimente macht nach dem Motto, erst einmal  zu testen, wie leidensbereit und leidensresistent die Bevölkerung ist, die davon betroffen ist. Wenn die Bevölkerung zu sehr protestiert, dann bringen wir ein paar Anträge ein und arrangieren einige kleine Veränderungen oder kleine Verlagerungen. Ich sage noch einmal: Es wird am Ende nur Verlagerungen geben.

Im Landtag begann das Desaster. Von den GRÜNEN wurde gesagt, sie haben im Landtag dagegen gestimmt, deswegen hätten sie ein gutes Gewissen. Ich habe über zehn Jahre - das ist Ihr Pech - genau verfolgen können, wie Sie hier Stellung bezogen haben. Die CDU hat ebenfalls keine berühmte Rolle gespielt. Immerhin hat die Oberbürgermeisterin ihren festen Standpunkt gehabt, das muss man anerkennen. Sie hat diesen Standpunkt durchgehalten. Was sie heute gemacht hat, ist natürlich äußerst problematisch. Sie will ein gutes Ende (ihrer Amtszeit) finden, aber es fehlt an der Logik. Es fehlt an der Logik, wenn sie sich heute unter die Fittiche dieses Antrages flüchtet. Die SPD ist uns mit ihrem grausamen Spiel, das sie mit der Südbahn getrieben hat, noch gut in Erinnerung. Die SPD hat immer gesagt, die Südbahn ist besser. Wir können uns noch daran erinnern, wie Herr Vandreike mit der Südbahn herumjongliert hat. Das war auch nicht das Gelbe vom Ei.

Die GRÜNEN waren zumindest verbal immer dagegen, das stimmt. Aber ich habe am 20.06.2002, das ist auch schon fast zehn Jahre her, Folgendes gesagt: „Wenn die GRÜNEN so viel Energie bei der Flughafenfrage wie bei der Verteidigung des Ballettdirektors aufbrächten, würde zumindest im Nordend die Erde bei dieser Frage beben.“ Frau Feldmayer (Grüne), Sie haben gesagt, um das Thema Flughafenausbau sei es in den letzten Jahren still geworden. Ich erinnere Sie daran - es war am 03.05.2007 bei einer Diskussion über den Flughafen -, wie Sie aufgeregt zu Ihrem Fraktionsvorsitzenden Cunitz gegangen sind und das Rederecht verlangt haben. Herr Cunitz hatte es Ihnen verweigert. Wenn Sie sich hier hinstellen und sich als die Heilige Johanna der Flughafengegner aufspielen, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie eine ganz andere Rolle innehaben. Sie sind die Miss Folgenlos dieser Stadtverordnetenversammlung. Sie wurden immer ans Rednerpult geschickt, wenn die anderen zu feige waren. Sie haben immer die Alibifunktion übernommen.

Herr Heuser, Sie haben im Grunde genommen wieder das Dilemma beleuchtet, da Sie sagen, die (lärmmindernden) Maßnahmen werden jetzt umgesetzt. Warum wurden sie nicht vorher umgesetzt, bei dem riesigen, jahrelangen Vorlauf, den es gab? Die Frage habe ich vorhin gestellt, und diese Frage werde ich immer wieder stellen. Sie geben dazu keine Antwort.

Frau von der Heide (Grüne) hat hier im Grunde genommen meine These bestätigt, dass es in der Diskussion um die Glaubwürdigkeit geht. Sie sagen, die Menschen im Süden von Frankfurt, wo Sie ja wohnen, sind empört, enttäuscht und entsetzt. Worüber sind sie denn entsetzt? Nicht nur darüber, dass jetzt diese Geräusche über ihnen sind, sondern auch über das Ganze, was von oben unsichtbar herunterkommt (Feinstäube, Umweltgifte). Sie sind natürlich auch enttäuscht. Diese heutige Diskussion wird sie in ihrer Enttäuschung sehr bestätigen. Sie sind enttäuscht über eine Politik, die Maßnahmen verantwortet, nämlich in diesem Falle den Ausbau, und dann, wenn diese Maßnahmen wirksam werden, plötzlich nichts mehr wissen will und hier Kataloge aufschlägt, in denen steht, was demnächst oder irgendwann geändert werden soll.

Sie täuschen sich gewaltig, wenn Sie glauben, dass heute - egal, Sie werden das mit Mehrheit verabschieden -, damit irgendetwas gewonnen ist. Sie können heute so viele verbale und papierene Wundpflaster verteilen, wie Sie wollen, es wird nichts nützen. Denn die, die nicht oder wenig von den Ausbaufolgen betroffen sind, werden diese Wundpflaster nicht brauchen. Das ist klar. Die, die negativ betroffen sind - das sind die, die im Süden oder woanders wohnen -, werden es empört ablehnen, dass die verantwortlichen Verursacher ihrer Wunden jetzt noch sozusagen mit dem Prinzip „Heile, heile Gänschen“ kommen und ihnen diese Wundpflaster aufkleben wollen. Diese können ihnen im Augenblick gar nicht helfen, weil es reine Hoffnungswerte sind.

Ich denke, das ist das Dilemma dieser Diskussion. Im Grunde genommen bekommen heute diejenigen, die betroffen sind, überhaupt keinen Fingerzeig von der Politik, den sie auch nicht bekommen können, weil sie merken, dass Sie das zu verantworten haben. Das war die Eintrittskarte der GRÜNEN im Jahr 2006 in die Koalition, indem Sie gesagt haben, zu diesem Thema werden wir uns enthalten.

                              (Beifall)

Das sind Tatsachen, die es nun einmal gibt, und die keiner wegstellen kann. Wir sollten soviel Respekt haben, um festzustellen, dass die FREIEN WÄHLER, die FAG und andere, die damals dagegen waren, gesagt haben, es muss eine andere Lösung geben. Wir hatten zwei andere Lösungen vorgeschlagen. Wir waren nie gegen den Ausbau, aber wir waren gegen den Ausbau an dieser Stelle. Wir sind unterlegen, das ist schon ganz lange her. Wir waren unterlegen, und die anderen haben das weiter betrieben.

Jetzt ist das Dilemma da, oder wie Sie sagen, jetzt ist das Desaster da. Was sollen wir machen? Ich denke, wir (Politiker) sollten ziemlich schweigsam sein. Vor allen Dingen sollten die schweigsam sein, die die Verantwortung dafür tragen, denn mit dem, was Sie jetzt hier planen, vergrößern Sie nur das Dilemma. Wir sollten schauen, was die Leute machen, die betroffen sind. Das ist zumindest der Weg, den ich vorschlagen würde. Wir sollten zusehen, was die Leute machen, die protestieren beziehungsweise die betroffen sind, und was sie für Vorschläge machen.
 
                              (Beifall)

Die Politik sollte schlicht und einfach einmal den Mund halten. Sie hat hier in dieser Sache keine überzeugende Darstellung geliefert. Ich denke, die Menschen haben ein ganz klares Empfinden, wo gelogen beziehungsweise getrickst und getäuscht wird. In dieser Frage wurde genug getrickst und getäuscht.

Es war kein großer Abend des Parlaments und überhaupt kein Fingerzeig für die, die jetzt betroffen sind. Was diese jetzt machen müssen, müssen sie selbst machen. Die Politik werden sie dazu nicht gebrauchen können.

Leserkommentare (0)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.