Warum ich Boris Rhein wähle
Eine Entscheidung der praktischen politischen Vernunft

Zweifellos gäbe es Gründe, bei der Stichwahl um das Amt des Frankfurter Oberbürgermeisters die Entscheidung zu verweigern oder den Stimmzettel ungültig zu machen. Keiner der beiden verbliebenen Kandidaten von CDU und SPD hat auch nur annähernd deutlich machen können oder wollen, wie das erneute Abrutschen der Stadt in Milliardendefizite verhindert werden könnte. Keiner weiß ein Rezept für die Herausforderungen der zunehmenden Einwohnerzahl in der räumlich engen Stadt. Und beide schweigen zu den wachsenden Problemen, die mit der ethnischen und sozialen Bevölkerungs-entwicklung Frankfurts verbunden sind. Es ließe sich noch einiges auflisten, was Boris Rhein und Peter Feldmann an konkreten Aussagen den Wählern bislang schuldig geblieben sind und sicherlich bis zum Termin am 25. März schuldig bleiben werden.
Wie alle Wähler unserer Stadt muss auch ich mich der Frage stellen: Was tun? Da ich aber nicht nur Wähler, sondern auch Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER im Römer bin, muss ich zusätzlich bedenken, dass meine Entscheidung ein gewisses öffentliches Interesse findet, also auch öffentliche Reaktionen provozieren kann. Was mich dabei aber am meisten beschäftigt, ist der Gedanke, was die Menschen, die mich privat oder politisch kennen, zu meiner Entscheidung sagen werden, ob sie diese verstehen und akzeptieren. Denn mein Votum für den CDU-Kandidaten Boris Rhein wird manchen überraschen, irritieren oder gar verärgern, der weiß, wie kritisch ich ansonsten mit der Partei von Boris Rhein ins Gericht zu gehen pflege.
Für mich selbst ist es auch ziemlich gewöhnungsbedürftig, die Wahl von Rhein in einer Reihe mit solchen den FREIEN Wählern und mir alles andere als wohl gesonnenen Personen wie die scheidenden Oberbürgermeisterin Petra Roth und den Grünen-Politikern Uwe Paulsen und Olaf Cunitz zu empfehlen. Deren Motive, Rhein als nächsten Oberbürgermeister zu wollen, sind mir zwar bekannt, es sind gleichwohl nicht meine Motive.
Der erste Grund, warum ich Rhein wähle, ist einfach der, dass ich Demokrat bin, die Demokratie aber durch und von Wahlen lebt. Der neue Bundespräsident hat in seiner der Dankesrede am 18. März daran erinnert, erst im Alter von 50 Jahren eine freie und geheime Wahl erlebt zu haben - mit großer Dankbarkeit. Für mich ist das seit dem 18.Lebensjahr eine Selbstverständlichkeit. Oft tue ich mich schwer mit der Wahl, die bislang nicht selten eine für das kleinere Übel sein musste. Doch nicht wählen? Das mögen andere tun, eine konstruktive Antwort auf die damit eventuell zum Ausdruck kommende Unzufriedenheit mit der Politik und den Politikern ist es nicht.
Die aktuelle Wahlalternative Rhein – Feldmann ist im Blick auf den SPD-Kandidaten für mich schnell zu entscheiden: Feldmann ist ein linker Sozialdemokrat und Sozialpolitiker, der politisch wie beruflich davon lebt, Geld umzuverteilen, das andere erarbeiten müssen. Dabei benutzt er Lockrufe wie „Soziale Gerechtigkeit“ ebenso wie Warnungen vor angeblicher „Kinderarmut“, um sich zu profilieren.
Er mag das subjektiv überzeugt tun, gleichwohl bedient er damit objektiv eine keineswegs ungefährliche soziale Demagogie. Denn „Soziale Gerechtigkeit“ ist längst das Codewort für weitere Umverteilung im Sinne sozialistischer Gesellschaftspolitik. „Kinderarmut“ soll suggerieren, in der noch reichen Stadt Frankfurt würden Kinder der Armut preisgegeben, was natürlich Unsinn schon deshalb ist, weil die Armut von Kindern nur die Folge der Armut ihrer Eltern sein kann. Dass über die Definition, was Armut in Frankfurt und Deutschland bedeutet, heftig gestritten wird, sei nur am Rande vermerkt.
Ansonsten bewegt sich Peter Feldmann strikt im Rahmen der „Politischen Korrektheit“, er würde diesen Rahmen als Oberbürgermeister sogar noch enger ziehen. Der linke SPD-Kandidat hat keine große Berührungsscheu zur linksextremen Szene, wird aber alles, was sich irgendwie konservativ oder auch wertkonservativ versteht, als „rechts“ klassifizieren und bekämpfen – angefangen bei seinem Konkurrenten Boris Rhein.
Was das große Konfliktthema Flughafenausbau betrifft, hat der SPD-Kandidat dazu im Römer in all den vergangenen Jahren nie das Wort oder gar eine Initiative ergriffen. Von ihm ist für die Betroffenen und Gegner der neuen Landebahn ebenso wenig zu erwarten wie von Rhein, der nach anfänglichem Wackeln immerhin zum Ausbau steht. Sein Konkurrent hingegen verteilt unverbindlich verbale Wundsalbe und demonstriert „Betroffenheit“, die er nach dem Wahltag wieder ganz schnell vergessen wird. Auch deshalb halte ich es nicht nur für notwendig, Feldmann die Stimme zu verweigern, sondern auch aktiv zu verhindern, dass er das Amt bekommt. Nach Lage der Dinge geht das nur mit der Entscheidung für Boris Rhein.
Ich habe dabei keine Illusionen über Rheins Verhalten, wenn er am 25. März die Stichwahl gewinnt. Er ist dann mit seiner Partei weiterhin abhängig vom Koalitionspartner Grüne, der im Magistrat vier Schlüsselpositionen inne hat und seine Macht einzusetzen weiß. Zwar wird Rhein nicht gar so freudig im Bett mit Cunitz, Heilig und Co. liegen wie seine Vorgängerin Petra Roth. Und ab und zu wird er auch mal was aus dem konservativen Besteckkasten holen und ebenso publikumswirksam wie in der Regel folgenlos ins Licht halten. Mehr aber wird nicht geschehen. Wenn es ihm opportun erscheinen wird, dürfte er die FREIEN WÄHLER genauso ins Abseits stellen wie es Frau Roth stets und grundsätzlich getan hat, allerdings etwas weniger feindselig.
Rhein ist Politprofi genug um zu wissen, dass weder die FREIEN WÄHLER noch ich als deren Fraktionsvorsitzender ihn schonen werden, wenn es das Thema erfordert. Die Empfehlung, ihn und nicht Feldmann zu wählen, ist kein Freibrief für den CDU-Kandidaten, die FREIEN WÄHLER künftig öfter an seiner Seite zu haben. Es gibt schon jetzt genug Themen, bei denen sich künftige Konflikte und Konfrontationen abzeichnen. Aber es gilt doch zu bedenken, wie viel tiefer der Graben in den meisten Fällen dabei zu einem Oberbürgermeister Feldmann sein würde. Feldmann müsste übrigens vier Jahre lang, also bis zum Termin der nächsten Kommunalwahl, kein einziges seiner vielen kostspieligen Versprechen einlösen. Denn er könnte stets bedauernd auf die Mehrheit von CDU und Grünen im Magistrat und Stadtverordnetenversammlung verweisen, die ihn „leider“ daran hindere.
Das würde die ohnehin nicht geringe Lügerei und Heuchelei in der Frankfurter Politik noch ungenießbarer machen. Und deshalb gilt es auch der Verlockung zu widerstehen, passiv oder gar aktiv die Wahl Feldmanns zu fördern, um die arrogante schwarz-grüne Koalition entscheidend zu schwächen, was ja nebenbei durchaus neue Handlungsräume für die FREIEN WÄHLER eröffnen könnte. Leider hat die von den Grünen und den Massenmedien erfolgreich geschürte Fukushima-Hysterie am 27. März 2011 verhindert, dass diese in jeder Weise notwendige Schwächung durch ein besseres Wahlergebnis der FREIEN WÄHLER erfolgte. Weder meine Mitstreiter noch ich sind zynisch genug, uns das nun ausgerechnet von Peter Feldmann zu erhoffen.
Ein Oberbürgermeister Rhein wird hingegen all das voll verantworten müssen, was immer die schwarz-grüne Koalition in Zeiten sinkender Einnahmen und steigender Defizite tun wird oder tun muss. Er kann dafür politisch haftbar gemacht werden. Genau das werden die FREIEN WÄHLER und ich selbstverständlich tun. Boris Rhein sollte sich also nicht allzu sehr freuen, meine Stimme zu bekommen – denn eine Rechnung dafür bekommt er noch ausgestellt. Sie könnte höher sein, als ihm genehm sein wird.
Wolfgang Hübner, 20. März 2012