Rede des FW-Stadtverordneten Patrick Schenk zum Haushalt 2012
Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 1. März 2012
Stadtverordneter Patrick Schenk, FREIE WÄHLER:
Herr Vorsteher,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Zunächst einmal von unserer Fraktion einen recht herzlichen Dank an die Kämmerei sowie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Erstellung dieses Haushalts. Das hätte eine interessante Debatte werden können, wenn man sich etwas mehr mit den Zahlen, die manchmal sehr nackt und brutal sind, auseinandergesetzt hätte. Aber dem nüchternen Betrachter war klar, dass die Debatte im Schatten des Oberbürgermeisterwahlkampfes stehen wird. Ich kann mich an keine Haushaltsdebatte erinnern, lieber Uwe Becker, in der so wenig zum Haushalt gesprochen worden ist, wie am heutigen Abend.
(Zurufe)
Aber das hat nicht der Kämmerer zu verantworten. Fakt ist, dass das Ziel der Regierungskoalition die Haushaltskonsolidierung ist.
(Zurufe)
Ja, so steht es auf Seite zwölf des Koalitionsvertrages und dazu gehört die Vorlage eines ausgeglichenen Haushalts. Dieses Ziel wurde jetzt mit der Einbringung dieses neuen Haushalts, rundgerechnet ein Jahr nach der Kommunalwahl, grundlegend verfehlt. Ein Defizit von 340 Millionen Euro, das der Kämmerer durch eine verbesserte Einnahmenseite auf 285 Millionen Euro runterrechnen konnte, zeichnet diesen Haushalt aus. Insofern verwundert es mich nicht, dass von den Regierungskoalitionen nichts zum Thema Defizit gesagt worden ist.
(Beifall)
Ich glaube, das wird auch in den nächsten Beratungen, die anstehen, der Fall sein. Stattdessen wurde, wie wir von Frau Oberbürgermeisterin gehört haben, schleunigst eine sogenannte Haushaltskommission einberufen, deren rechtlichen Charakter wir an dieser Stelle nicht tiefer gehend bewerten wollen. Es wurde eilig ein Katalog erstellt, der uns - Kollegin Rinn hat darauf hingewiesen - erst auf Nachfrage zur Verfügung gestellt worden ist. Im Grunde muss-ten wir uns aus der Presse mit den notwendigen Informationen versorgen.
Vieles ist gesagt worden, und ich möchte kurz vier Punkte von den sogenannten Haushaltsvorschlägen, die gemacht worden sind, skizzieren. Der erste Punkt ist das Thema Stadthaus. Es wird Sie nicht verwundern, dass wir FREIEN WÄHLER beim Stadthaus nicht besonders traurig sind. Das Problem dabei ist aber, dass das Angehen des Stadthauses zum jetzigen Zeitpunkt das Altstadtprojekt in Gänze gefährdet. Eine Sache, die wir absolut verurteilen. Die gerechneten Zahlen von rund sechs Millionen Euro Einsparungspotenzial scheinen uns nicht mit dem Planungsansatz, der da einzusparen ist, in Relation zu stehen. Vielleicht sind es eine Millionen Euro, aber mehr auf keinen Fall. Der erste Einsparpotenzialansatz ist somit verfehlt.
(Beifall)
Das Museum der Weltkulturen, auch das ist richtig, diesem Spar-Projekt kann man sicher zustimmen. Aber auch da haben Sie nur den Planungsansatz, wir reden also von keinem großen Betrag, sondern von einer Millionen Euro, lassen Sie es vielleicht zwei Millionen Euro sein. Das wird nicht reichen. Zum Bolongaropalast ist schon gesprochen worden. Gerade bei den Höchstern an deren Projekt zu sparen, finde ich bei der außerordentlich schwierigen Situation in Höchst den grundlegend falschen Ansatz. Da sind wir alle einer Meinung, das geht nicht.
(Beifall)
Der witzigste Sparansatz, muss ich ganz ehrlich sagen und den verstehe ich von der Koalition am allerwenigsten, ist das Einsparen beim Ortsbeiratsbudget. Erstens ist es der kleinste Betrag und dann sparen Sie an einer Stelle bei den kleinen Parlamenten, wo Sie mit wenig Geld einen riesen Benefit haben. Dort wird über Stadtteilpreise und über die Förderung kleiner sozialer Projekte mit wenig Geld viel erreicht. Wir sagen, das ist nicht nur wenig föderal, es ist undemokratisch.
(Beifall)
Der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion erklärte in einem Interview auf die Frage: „Oder wird die Koalition an ganz vielen kleinen Stellen kürzen müssen“ Folgendes: „Wahrscheinlich. Dass wir irgendwelche Ausgaben haben, die überflüssig oder entbehrlich sind, kann man ausschließen.“ Hört hört an dieser Stelle, wir werden auf dieses Zitat noch zu sprechen kommen.
Lassen sie mich vier Punkte aus einem Bericht einer bekannten Tageszeitung von heute kurz zitieren. Erstens: „Längst besteht das Defizit strukturell.“ Zweitens: „Ein Ende des strukturellen Defizits ist bis auf Weiteres nicht in Sicht.“ Drittens: „Erst allmählich versteht die schwarz-grüne Koalition, dass es nichts bringt, immer wieder auf die Landesregierung zu schimpfen“ - davon war heute auch wieder die Rede - „und zu betrauern, dass die Gewerbesteuer derart eingebrochen ist.“ Viertens: „Kürzt die Koalition nicht rasch und mutig auf der Ausgabenseite, erhöht jede fehlende Gewerbesteuermillion unweigerlich das ohnehin schon hohe Defizit.“
Wir haben bis jetzt zu wirklichen Strukturreformansätzen nichts gehört. Das ist zu wenig. Es wird Sie nicht verwundern, dass wir Ideen dazu haben. Eine alte geforderte Idee im Rahmen der Verwaltungsreform ist die Zusammenlegung von Dezernaten. Das ist eine Urforderung der FREIEN WÄHLER.
(Beifall)
Nicht nur mit einer Zusammenlegung des Verkehrs- und Planungsdezernates würden wir eine Dezernentenstelle einsparen, und das wäre gar nicht der große Benefit, sondern durch die Verwaltungsreform innerhalb dieser Verwaltungsstruktur sparen wir hoch dotierte Stellen in der Verwaltung ein. Das ist das eigentliche Ziel und eine dringende Aufgabe, der Sie sich stellen müssen.
(Beifall)
Wenn wir schon beim Stellenplan sind - die Kollegin Rinn hat ihn auch erwähnt - schauen wir uns doch einmal die Vorlage M 44 an. In der aktuellen Situation gibt es 143 Neuschaffungen und man höre und staune 474 Höherbewertungen innerhalb des Stellenplans in diesem Jahr. Da geht es nicht nur um geringfügige Stellen, ich rede nicht von einer BAT IX-Stelle eines Hausmeisters, dessen Stelle jetzt im TVÖD angehoben wird, nein, da geht es um die hoch dotierten Stellen. Wir reden von BAT I- und II-Stellen. Diejenigen, die sich mit Tarifverträgen beschäftigen, wissen, da geht es um richtig viel Geld. Da sollten Sie überlegen, ob Sie sich diese Höherbewertungen bei einem solchen Haushalt erlauben können.
Der Witz ist aber ein neuer Antrag der Koalition, besser gesagt des grünen Koalitionspartners im neuen Versandpaket. Im Versandpaket Nr. 9 stoßen wir auf die Vorlage NR 252 der GRÜNEN-Fraktion im Römer. Ich gebe zu, es ist nur ein Prüfungsantrag, aber der befasst sich ernsthaft mit der Schaffung einer neuen Koordinierungsstelle für Schwule, Lesben und Transgender, und das bei 300 Millionen Euro Haushaltsdefizit. Ich glaube, Sie haben die Zeichen der Zeit grundlegend verkannt.
(Beifall)
Wenn wir beim Thema Gemeindefinanzreform und bei Strukturfragen sind, dann habe ich mir dazu die Mühe gemacht, mal in einen etwas älteren Haushalt reinzulesen, nämlich in den ersten eingebrachten Produkthaushalt vom damaligen Kämmerer Albrecht Glaser. Schon damals war die Haushaltslage, Herr Stock hatte den Haushalt aus dem Jahr 2002 angespro-chen, außerordentlich angespannt. Die Oberbürgermeisterin erklärte: „Das Thema Gemeindefinanzreform muss so schnell wie möglich auf die Tagesordnung, um den Städten wieder Gestaltungsfreiheit für eine kreative kommunale Arbeit zu geben.“ Auf diese Gemeindefinanzreform, liebe Kolleginnen und Kollegen, warten wir noch heute.
(Beifall)
Der Fraktionsvorsitzende der FREIEN WÄHLER erkannte schon damals, ich zitiere Wolfgang Hübner aus dem Jahre 2001: „Wann, wenn nicht jetzt, sollen endlich die längst überfälligen und radikalen Strukturreformen der städtischen Ausgabenpolitik in allen Bereichen in Angriff genommen werden. Diese Strukturreformen werden umso schmerzlicher und politisch brisanter sein, je länger sie hinausgezögert werden.“
(Beifall)
Gemeindefinanzreform und Strukturfinanzreform bedeuten, sich auch ein bisschen mit den brutalen und sehr harten Zahlen auseinanderzusetzen. Lassen Sie mich ganz kurz zum Sollansatz von zwei Produktgruppen kommen. Ich habe die Zahlen in der Summe etwas gerundet, das Ergebnis stimmt aber. Das Dezernat II, Bildung und Frauen, sieht im Sollansatz rund 600 Millionen Euro vor, das Dezernat VIII, Soziales, Seniorinnen und Senioren, Jugend und Recht, rund 800 Millionen Euro. So viel rechnen kann ich noch. Das macht ein Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden Euro für zwei Dezernate. Das ist der Planansatz, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir haben uns auch die Mühe gemacht herauszurechnen, dass davon dem Grunde nach 647 Millionen Euro Pflichtleistungen sind, also Leistungen, die wir laut Bundesgesetzgebung durch SGB II an Sozialhilfe und SGB VIII an Kinder- und Jugendhilfe zahlen müssen. Die Sozialdezernentin wird sich darauf in den kommenden Haushaltsdebatten immer wieder berufen. Aber da ist schon noch Platz bei der Kürzung von lieb gewonnenen, freiwilligen Leistungen. Wenn Sie in der Koalition die Politik weiter betreiben, die der Vierer gemacht hat „Machst du mir meine Sandburg kaputt, dann nehme ich dir das Schäufelchen weg - im Klartext -, gehst du an den Club Voltaire, kürze ich die katholische Jugendförderung“, dann wird das mit der Konsolidierung nichts, denn da müssen Sie jetzt grundlegend ran, das ist die oberste Priorität.
(Beifall)
Lieber Herr Heuser, wir haben bisher nichts gehört.
(Zurufe)
Ich sage nur Ortsbeiratsbudget, wenn das der erste Vorschlag ist, wird von uns dazu knall-harter Widerstand kommen. Das heißt aber auch, wenn Sie bei den 1,4 Milliarden Euro Ansatzvolumen zweier Dezernate bleiben, und jetzt rechne ich einmal mit einer positiven Gewerbesteuereinnahme von einer Milliarde Euro plus den Anteil Umsatzsteuer/Einkommen-steuer, dann reicht das Gesamtbudget allein zur Bezahlung dieser zwei Produktgruppen, also Bildung und Soziales.
Einer hat die allerschlechtesten Karten in dieser Gruppe - ich bin froh, dass er wieder da ist, aber ich habe keine guten Nachrichten für ihn -, das ist nämlich Kulturdezernent Professor Dr. Semmelroth. Er kann sich nicht darauf berufen, dass es Pflichtleistungen sind, und dass er sie machen muss. Natürlich haben wir einen kulturellen Auftrag, aber 200 Millionen Euro stehen im Raum des Kulturressorts und da gibt es keine gesetzliche Auflage des Bundes, die vor diesem Topf haltmacht.
Jetzt will ich ein Beispiel nennen, bei aller Ehre, ich will es einfach nur einmal erwähnen: Es war der damalige Kulturdezernent Dr. Bernhard Nordhoff - es ist nur ein Beispiel, wir werden viele weitere Beispiele finden, wenn wir es wollen -, der das Archiv Frauen und Musik nach Frankfurt geholt hat. Ich habe dadurch viel gelernt, es gibt unter anderem wunderbare Komponistinnen neben Clara Schumann und Fanny Hensel, aber man muss sich doch bei einem Defizit von 300 Millionen Euro fragen können, ob ich ein Archiv Frauen und Musik in der Stadt Frankfurt im Jahre 2012 beziehungsweise 2013 fortfolgende brauche. Es sind doch Fragen, die Ihr stellen müsst.
(Zurufe)
Jetzt sagt Ihr, das wollt Ihr noch machen. Ja, ich stelle sie in dem Moment, aber Ihr habt die Regierungsverantwortung und nicht wir. Ihr müsst an diesen Topf ran und da muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich bis jetzt nicht das Vertrauen.
(Zurufe)
Doch, wir haben das sehr gut verstanden und wir haben noch etwas anderes verstanden, Kollege Heuser. Wir haben verstanden, dass es bei dem Zuschussbedarf Jugend- und Sozialhilfeleistungen eine relativ statische Kurve im Entwurf gibt, die in keinem Vergleich zu dem steht, was sich von 2002 bis 2009 entwickelt hat. Auf das hat auch damals bei der Einbringung des ersten Produkthaushaltes der Kämmerer Albrecht Glaser hingewiesen. Euch werden die Sozialleistungen auffressen, die Kurve wird keinen Knick machen, sie wird sich vielleicht absenken, aber sie wird weiter nach oben gehen. Wenn Ihr nicht nur Sozialleistungen bezahlen wollt, sondern noch ein bisschen etwas anderes, muss das kommen, was die Oberbürgermeisterin einfordert. Wenn ich richtig informiert bin, heißt ihr Buch „Aufstand der Städte“. Den hätte sie im Jahr 2001 schon mit der Gemeindefinanzreform fordern können, der Aufstand bleibt aber bis jetzt aus. Ich frage mich, wann er kommt, aber er wird kommen, wenn die Kassen weiterhin so leer bleiben. Ich vermute, dass Sie das machen, was Sie immer tun. Heute habe ich einmal den Begriff Nettoneuverschuldung gehört. Ihr werdet die Schuldenschraube weiter nach oben treiben, so wie es der Bund, die Länder und die Gemeinden machen. Noch ist die Stadt Frankfurt auf einem Niveau, wo sie das machen kann. Sie wird dort nicht bleiben und es gibt ein Rezept und da hoffe ich, lieber Uwe Becker, das könnte was für die kommenden Haushaltsberatungen beziehungsweise für die kommenden Haushalte sein, die einzubringen sind, das nennt sich nämlich Eckwerteplanung.
Das Bundesinnenministerium hat auf Anraten der EU - es scheint also nicht alles schlecht zu sein, was aus Brüssel kommt - Folgendes gemacht: Das Bundeskabinett hatte im Sommer letzten Jahres entschieden, das regierungsinterne Verfahren zur Haushaltsaufstellung von einem Bottom-Up- auf einen Top-Down-Prozess umzustellen. Das heißt, ab dem kommenden Haushalt werden daher zu Beginn der Haushaltsaufstellung auf Vorschlag des Bundesministers der Finanzen Einnahmeplanungsfonds und Ausgabeplanungsfonds für die einzelnen Ministerien festgelegt. Der Gedanke ist nicht neu. Wir gehen in der Geschichte der Stadt Frankfurt zurück. Schon einmal gab es einen Auftrag an die einzelnen Dezernenten, fünf Prozent ihres Etats einzusparen. Das klingt nicht viel, ist es aber. Wir haben Verständnis dafür, dass das schwer sein mag, auf die Jahresrechnung - ich sage einmal über zwei Jahre - zu sagen, fünf Prozent muss ich einsparen. Irgendjemandem muss ich wehtun, aber das wird in Zukunft so sein.
Ein Dezernent hat das seinerzeit gemacht. Es war der damalige Gesundheitsdezernent Nikolaus Burggraf, der in einer außerordentlich schwierigen Zeit den Privatisierungsprozess der Städtischen Kliniken Höchst eingeleitet hat. Er wurde bitter bestraft, weil er der Einzige war, der sich an diese fünf Prozent gehalten hatte. Die anderen Dezernate waren dazu nicht in der Lage, sie haben weiter Schulden gemacht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fordern Sie auf, zu einer solchen Eckwertepolitik zu kommen. Denken Sie nicht an die Einnahmenseite, das bin ich aus den Reihen der Sozialdemokraten gewohnt, da wird immer geschaut, wo ist etwas herzuholen. Auf den Kollegen Reininger gehe ich gar nicht erst ein. Denken Sie in Ihrer Verantwortung an die Ausgabenseite, kommen Sie zu vernünftigen Sparbeschlüssen. Es kann nicht die Aufgabe der Opposition sein, es ist Ihre Aufgabe, diesen Haushalt zu konsolidieren.
Vielen Dank!
(Beifall)