Blockupy und die kulturwissenschaftliche Verelendung Frankfurts
Anmerkungen zu einer intellektuellen Selbstdemontage

In Frankfurt am Main haben Teile von Kulturwissenschaft und Kunst in der Art einer kollektiven Performance eine politische Resolution im Internet installiert. Darin wird eine Forderung an die Politik und an die Frankfurter Gesellschaft gestellt: Die die bürgerliche Ordnung miss- und verachtenden Ziele von Blockupy sollen von der Macht des Staates nicht aufgehalten werden.
Diesem Ansinnen muss nachfolgend entschieden widersprochen werden. Denn nicht nur die Reputation von Wissenschaft und Kunst, auch das Soziale steht zu Disposition, wenn ideologische Extremisten ihre akademische Stellung dazu missbrauchen, die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen dieses Staates in Frage zu stellen, indem praktisch darauf hingewirkt wird, den Feinden einer freien und sicheren Stadtgesellschaft Türen und Tore zu öffnen und so einen freien Aktionsraum für gewalttätige Aktionen gegen die große Masse der Bürger zu garantieren.
Die Kernaussagen der inkriminierten Resolution lesen sich wie folgt:
„Der Versuch, soziale Proteste zu verbieten, stellt aus unserer Sicht jede öffentlich freiheitliche Basis in Frage. Wir fordern diese unerträglichen Vorgänge sofort einzustellen und rückgängig zu machen.
Als Intellektuelle und Künstler/innen werden wir gerne beispielhaft für eine weltoffene Stadtkultur gesehen. Um so peinlicher ist uns das paranoide und kontrollversessene Gebaren der Stadt- und Landesregierung. Die eindeutig demokratiefeindlichen Tendenzen der genannten politischen Maßnahmen empfinden wir darüber hinaus als zutiefst besorgniserregend. Gerade in Zeiten der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren halten wir das Infragestellen politischer Standards für besonders unverantwortlich und fatal.
Wir hoffen, dass die Aufenthalts- und Protestverbote in Frankfurt nicht als Eskalationsbeginn im öffentlichen Bewusstsein bleiben, sondern bloß als ein schlechter Scherz.“
Das Argumentationsgerüst der Resolution umfasst folgende 5 Punkte:
1. Angekündigter Terror gegen die Stadtgesellschaft sind „soziale Proteste“.
2. Daher: „soziale Proteste“ sind verboten worden.
3. Intellektuelle und Künstler sind Stellvertreter für Offenheit und Kultur.
4. Die politischen Maßnahmen sind eindeutig demokratiefeindlich.
5. Es besteht Anlass zu tiefer Sorge, denn Diktaturen wie der Nationalsozialismus drohen, wenn in Zeiten der Wirtschaftskrise „politische Standards“ nicht mehr garantiert werden.
Fasst man diese fünf Hauptargumente zusammen, erschließt sich die Gesamtaussage der Resolution, nämlich:
„In Frankfurt droht Faschismus, weil „soziale Proteste“ verboten werden.“
Diese Argumentation ist leidlich bekannt und bietet nichts Neues. Es ist der hohle politische Kern eines linken, materiell übersättigten Salon-Kommunismus, der von den Marxisten bis zu den Grünen in den Bundestag reicht, und deren politische Substanz aus einem Lügengebäude chronisch überhöhter moralischer Selbstbeweihräucherung aufgebaut ist. Überaus notwendiger ist es demgegenüber, die einzelnen Argumente im Weiteren zu betrachten.
Wissenschaftliche Selbstdemontage
Wie nicht nur von den Freie Wählern dokumentiert und durch alle Gerichtsinstanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, waren es nicht angedrohte „soziale Proteste“, die untersagt wurden, vielmehr eindeutig und unübersehbare Ankündigungen und Drohungen, ganz Frankfurt in eine linksextreme Sippenhaft zu nehmen, und in der Folge auch vor massiven Gewaltanwendungen nicht zurückschrecken zu wollen. Diese Ankündigungen sind offen und transparent für jeden Bürger nachprüfbar. Als Beispiel sei die Selbstbeschreibung der Gruppierung Occupy Frankfurt zitiert, die sich noch als gemäßigt von den Blockupy-Zielen verstanden und distanziert haben:
„Occupy Frankfurt, die links violent libertären Anarchos und Antifas (…) straff organisiertes politisches Auftreten von violenten Systemgegnern und friedlicher Massenprotest von vielen Organisationen und Einzelpersonen, auf diesem Humus soll vom 16.-19.Mai 2012 die Großdemonstration "Blockupy Frankfurt" gedeihen.“
Eindeutiger kann man die Maskierung, Billigung, und Anstiftung von Gewaltbereitschaft und Terror gegen die Bürger nicht auf den Punkt bringen – wohlgemerkt: als offizielle, öffentliche Selbstbeschreibung. Und jene Selbstbestimmung der „linken gewalttätigen freiheitlichen Gesetzlosen“ stellt nach der Lesart der Resolutions-Unterzeichner den „Humus“ einer legitimen Form „sozialer Proteste“ dar: Die Gewalttätigkeit und Gesetzlosigkeit als Grundlage eines Wachstumsprozesses – es soll also noch schlimmer kommen.
Die weitere Analyse offenbar jedoch weit größeren Schaden, den die Unterzeichner anrichten. Denn dem dritten Punkt der zusammengefassten Argumente ist zuzustimmen: Ein uneingeschränktes intellektuelles Klima ist die Basis einer freiheitlichen Gesellschaft. Daraus folgen aber Schlussfolgerungen, die den eigentlichen Skandal dieser Resolution erst fundieren.
Die Rede ist von der moralischen Selbstverantwortung der Wissenschaft ihrem eigenen Gegenstand gegenüber. Dieser Punkt soll nachfolgend als Haupt-argument näher erläutert werden. Dazu müssen wir uns zunächst der Wissenschaft selbst zuwenden.
Wissenschaft und Rationalität
Vernunft ist ein hohes Gut und bildet die Grundlage wissenschaftlicher Forschung. Wesentliches Kriterium für Rationalität ist Objektivität. Dabei ist Objektivität kein beliebiges soziales Konstrukt. Das, was richtig ist, oder falsch, ist keine Frage diskursiver Machtverhältnisse, sondern das Ergebnis objektivierbarer Erkenntnisse. Das Tatsächliche bestimmt, was der Fall ist, und nicht das Angenommene, oder das, was aufgrund einer vermeintlichen Gruppenentscheidung als Wahrheit verordnet werden soll. Nationalsozialismus, Kommunismus, Maoismus, real existierendem Sozialismus haben exemplarisch und zum finalen Nachteil von Hunderten Millionen Opfern verdeutlicht, dass Ideologien systematisch auf einer Methodologie aufbauen, die an der Wirklichkeit scheitern müssen.
Unsere Nachkriegsgesellschaft hat daher mit gutem Grund die Freiheit von Wissenschaft (und Kunst) einen herausragenden Stellenwert eingeräumt. Einen elitären Status, der seinen Schutz und seine institutionelle Begründung nicht aus sich selbst – aus einer Art tautologischen Selbstevidenz von Wahrheit – ableitet, sondern aus den sozialen Folgen, aus den rationalen Schlüssen unserer Geschichte, welche sozialen Folgen es unserer Erfahrung nach haben wird, wenn Rationalität zersetzt, zerstört und vernichtet wird, während Demagogie und Ideologie die Gesellschaft und die öffentliche Meinung manipulativ degeneriert und in den Abgrund führen. Die organisierte Rationalität ist somit unser Schutzschild vor der Barbarei.
Der besonders hohe Respekt, den wir den Wissenschaften und deren Vertretern entgegenbringen, ist daher im gesellschaftlichen Kontext im Besonderen den vielen Hunderten Millionen Opfern und Toten geschuldet, auf deren Schultern heute Rationalität und Wissenschaft stehend ein besonders hohes Ansehen genießen.
Wissenschaft und moralische Pflicht
Dieser Vertrauensvorschuss ermöglicht aber nicht nur die gesellschaftliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit, Forschen und Wissen unbeeinflusst erarbeiten zu können, sondern bedeutet gleichzeitig eine im hohen Maße innere Verpflichtung des Gewissens, ein lauter Ruf zur inneren Ordnung, im eigenen Wirken als Wissenschaftler die Kriterien von Objektivität nicht verletzen zu dürfen. Und im Besonderen gilt diese ethische Selbstverpflichtung des Wissenschaftssystems gegenüber den Versuchungen, bewusst und geplant Meinungen und ideologische Prämissen als Wahrheit auszugeben, die Wirklichkeit auf diesem Wege täuschend hinter das Licht zu führen. Wer dennoch, wie in dieser Resolution geschehen als Wissenschaftler blinde Ideologie betreibt, sich gar vernetzt und als Wissenschafts-Kollektiv im Namen objektiver Wissenschaft Fakten ignoriert und politischen Extremismus das Wort redet, begibt sich auf eine moralisch niedrige Stufe.
Denn hier wird das Vertrauen jener Hunderter Millionen Opfern geschändet, die aus ihren Gräbern heraus das wissenschaftliche Streben nach objektiver Wahrheit auf die höchste moralische Stufe gehoben haben.
Wer als Wissenschaftler diese einfach verständlichen moralischen Folgerungen nicht zum Maßstab eigener Handlungen erhebt, hat es nicht verdient, als Wissenschaftler moralisch und monetär erhöht zu werden. Es ist zu fragen, wie lange sich eine Gesellschaft einen derart kontraproduktiven Luxus leisten will, marxistisch orientierte Feinde der eigenen Gesellschaft auch noch mit Geld und Ansehen zu belohnen.
Kulturwissenschaftliches Versagen
Es ist aus dieser Sicht nicht nur „peinlich“ und „unerträglich“ - sondern geradezu ein Skandal des Wissenschaftsbetriebes in Frankfurt am Main, wenn Wissenschaftler und untergeordnete wiss. Mitarbeiter Logik und Vernunft, Objektivität und Rationalität vergewaltigen und beschädigen, um ihre privaten und persönlichen politischen Sympathien in die Öffentlichkeit zu tragen.
Wer in unserer schönen Heimat Deutschland, wer in Hessen, wer in Frankfurt am Main friedlich demonstrieren und seine Meinung kundtun will, kann das jederzeit und ohne Einschränkungen tun. Doch wer Terror und Zerstörung ankündigt, muss notwendigerweise einen Platzverweis im Sozialen ausgesprochen bekommen. Wissenschaftler, die ihre amtliche Funktion öffentlich demonstrativ zur Schau tragen, um die Wirklichkeit zu fälschen, um die staatliche Mobilisierung gegen nachweislich angekündigte Gewalt und Terrorismus als eine lächerliche Maßnahme „lächerlich“ machen zu wollen, übertreten maßlos die Freiheit von Wissenschaft und Lehre. Wenn zudem als Begründung falsche Analogien zur Weimarer Republik gezogen werden, um das Gespenst einer neuen Nazi-Bewegung an die öffentliche Wand zu malen, enthüllen sich selbst als Fälscher historischer Wahrheit. Denn es war gerade das Versagen der Weimarer Ordnungspolitik, die Gewalt und Anarchie auf den Straßen ermöglichten und so den nationalen Sozialisten in der Öffentlichkeit ihren Weg bereiteten, so dass Deutschland in den Abgrund steuerte.
Es ist eine sehr fragwürdige Ironie, wenn am Ende Raum-„Wissenschaftler“ als Mehrheit der Unterzeichner jene akademische Räume besetzen und blockieren, und somit jene Wissenschaftler, die ohne Anführungszeichen geschrieben werden können, aus dem ideologisierten Wissenschaftssystem Frankfurts ausgeschlossen, ausgegrenzt werden: Vernunft und Anstand als Frankfurter Diskriminierungsmerkmal.
Wie groß dieser Anteil ideologische fundierte Exklusion von Rationalität aus dem Frankfurter System der Kulturwissenschaften ist, wird sich auch in der öffentlichen Reaktion des Wissenschaftssystems selbst gegenüber dieser demagogischen Resolution erweisen. Man muss auf diese öffentlichen Reaktionen gespannt sein, und hoffen, dass in der historischen Rückschau nicht von einer Art intellektuellem Lumpenproletariat die Rede sein wird.
G. Andreas Kämmerer, den 19. Mai 2012