Sarrazin und die Profiteure der „Erbschuld“
Von Rufmördern und Juso-Schlägern

Am Umgang mit den Auffassungen und der Person des Dr. Thilo Sarrazin erweist sich die geistige Kultur Deutschlands. Die ersten Reaktionen auf Fernsehauftritte und Interviews Sarrazins aus Anlass des Erscheinens seines neuen Buches „Europa braucht den Euro nicht“ lassen begründet vermuten: Die geistige Kultur in Deutschland ist erbärmlich, verkrampft und voller Totschlagfantasien, aus denen reale Mordtaten werden können. Wer das für übertrieben hält, verweigert sich den Tatsachen, was bekanntlich nie ein gutes Rezept ist. Sprechen wir also über die Tatsachen.
Sprechen wir zum Beispiel über Sarrazins Auftritt in der Talkshow von Günter Jauch in der ARD: Noch bevor die Sendung mit einem Streitgespräch zwischen dem ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Thilo Sarrazin (SPD) überhaupt auf Sendung ging, meldeten sich allerlei prominente und weniger prominente Personen zu Wort, die es ganz unmöglich empfanden, dass einer wie Sarrazin sich mit seinen Thesen einem Millionenpublikum präsentieren dürfe. Nun weiß immerhin jeder, was mit der Meinungs- und Informationsfreiheit geschähe, wenn diese Personen allein darüber zu befinden hätten.
Keine dieser Personen hatte sich jedoch erregt, als einige Tage zuvor in einer anderen Talkshow ein Salafisten-Prediger auftrat und verkündete, das Grundgesetz sei in Deutschland so lange verbindlich, so lange die Moslems noch nicht in der Mehrheit seien – danach gelte natürlich die Scharia. Keiner von ihnen hatte sich erregt, als die Ex-Muslimin Sabatina James, die an besagter Talkshow teilnehmen sollte, ausgeladen wurde. Keiner dieser Sarrazin-Verächter hat bislang machtvoll seine Stimme erhoben gegen die sehr ernst zu nehmenden Morddrohungen islamischer Extremisten gegen Aktivisten der Partei Pro NRW. Das alles berührt diese Feinde der Meinungsfreiheit offenbar überhaupt nicht. Sarrazin jedoch erfüllt sie mit Hass.
Unübersehbar machten diesen Hass dann jene Jusos und Linke, die sich vor dem Schauplatz der Jauch-Talkshow mit einem Transparent folgender Aufschrift hinstellten: „Halt‘ Maul! Oder wie schlagen zurück“, dazu eine rote Faust, die auf das gezeichnete Gesicht Sarrazins zielt. Damit macht die HJ/FDJ der politischen Korrektheit klar: Wer nicht so denkt wie wir, der kriegt was in die Fresse – oder es kann ihm auch noch schlimmer ergehen. Wer nun denkt, diese vulgäre Niedertracht ließe sich nicht mehr unterbieten, täuscht sich sehr: Eine bekannte Kolumnistin der „Frankfurter Rundschau“ namens Mely Kiyak charakterisierte Sarrazin als „lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“. Es ist bislang nicht bekannt, dass die Zeitung dieser unsäglichen Hetzerin mit islamischen Migrationshintergrund ab sofort Hausverbot erteilt hat, noch nicht einmal eine Entschuldigung der Redaktion hat es bislang gegeben.
In Jauchs Talkshow selbst fiel auf, dass es starken Beifall nur dann gab, wenn Steinbrück mal wieder einen routinierten Redeschwall hinter sich gebracht hatte, nie aber, wenn Sarrazin zu Wort gekommen war. Daraus ist zu schließen, dass Jauch und sein Team feige genug waren, bis auf Einzelne nur dem Publikum Einlass zu gewähren, das den politischen korrekten Äußerungen Beifall zu spenden versprach. In Berlin, historisch beschlagene Zeitgenossen wissen das, hat sowas ja eine längere Tradition.
Jauch hat Sarrazin eingeladen, um endlich wieder eine Traumquote für seine Sendung zu erreichen. Dafür stellt auch ein Medien-Multimillionär die ansonsten peinlich genau befolgte politische Korrektheit schon einmal hinten an. Doch auf keinen Fall sollte der ehemalige Spitzenbeamte und Politiker während der Sendung Zustimmung ernten – er sollte sich vielmehr selbst isoliert vorkommen. Ist es wirklich übertrieben, dies als subtile Medienfolter zu bezeichnen – in der Wirkung ungleich raffinierter und wirkungsvoller als körperliche Folter? Aber unsere tapferen Menschenrechtskämpfer sind ja mit der Befreiung der kunstblondbezopften Oligarchin Julia Timoschenko aus dem ukrainischen Gulag vollauf beschäftigt, da bleibt keine Zeit für die eigenen Probleme.
Und selbstverständlich muss noch die Rede sein von den ebenso hysterischen wie verlogenen Reaktionen auf Sarrazins Zitat, die Eurobonds-Befürworter seien "getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben".
Oh, weh! Holocaust!! Euro!! Unser Geld !! – bei der Sarrazinschen Verknüpfung dieser Begriffe musste es geradezu ein Massen-Hyperventilieren im Lager der politisch Korrekten geben. Doch wie richtig Sarrazin mit dieser Formulierung liegt, zeigte nichts so deutlich wie die Argumentation seines Diskussionspartners Steinbrück. Denn was der Kandidat für die SPD-Kanzlerkandidatur gegenüber seinem ungeliebten Parteigenossen vorbrachte, war letztlich kein einziges überzeugendes Sachargument, sondern rhetorische „Gefühligkeit“, die eine Geldwährung zum Friedensstifter Europas und der Akzeptanz des „erbschuldigen“ Deutschlands bei seinen Nachbarn zu verklären versucht – getreu der Merkel-Apokalypse: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“. Fraglos wird - mal ganz direkt, noch öfter aber unterschwellig – Politik mit dem deutschen Schuldkomplex gemacht. Und niemand weiß das virtuos-skrupelloser zu handhaben als das System der politischen Korrektheit in Deutschland, in dem Steibrück nur einer unter vielen ist.
Es ist schon jetzt ein Verdienst Sarrazins, die widerwärtig amoralische Erpressungsmethode der Euro-Verteidiger in Politik und Medien mit seiner provozierenden Formulierung offen gelegt zu haben. Für jeden, der sich einen halbwegs klaren Verstand bewahrt hat, ist erkennbar wie verlogen, aber auch nüchtern-kalkulierend diejenigen vorgehen, die mit ihrem täglichen alkoholfreien Schuldbesäufnis prahlen und unentwegt verlangen, ein ganzes Volk solle hochprozentig mitsaufen. Denn die Profiteure der deutschen „Erbschuld“ brauchen ein Heer von Benebelten, Schwankenden und Orientierungslosen, um weiter als Wegweiser in den kollektiven Schuldturm Wegezoll verlangen zu können.
Wer diesen Wegezoll – wie Sarrazin – nicht nur verweigert, sondern faktisch zur massenhaften Verweigerung auffordert, dem ist der Rufmord der „Erbschuld“-Profiteure gewiss. Und nicht selten ging gerade in der deutschen Geschichte der Rufmord dem tatsächlichen Mord voraus. Die FREIEN WÄHLER in Frankfurt haben im Kommunalwahlkampf des Vorjahres ein Plakat verbreitet mit dem Text „Damit Frankfurt Sarrazin beherzigt“. Es gibt erneut Grund, darauf sehr stolz zu sein. Und noch ein Hinweis: Wir haben noch einige dieser Plakate in Reserve!
Wolfgang Hübner, 23. Mai 2012