Weniger Demokratie oder mehr Deutschland?

Die Entscheidungssituation – auch der FREIEN WÄHLER

Weniger Demokratie oder mehr Deutschland?
© günther gumhold - pixelio.de


Kürzlich hat der Kanzlerkandidat-Kandidat der SPD, Peer Steinbrück, die alternativen Wege für die deutsche Politik in der Euro-Krise begrüßenswert klar und deutlich in einem Interview benannt: „Entweder mehr Europa oder Re- Nationalisierung“. Es versteht sich fast von selbst, welchen Weg Steinbrück als prominentes Mitglied der politischen Elite bevorzugt, nämlich den der noch größeren, der quasi unbegrenzten „Europäisierung“ Deutschlands. Das ist in ziemlich verzweifelter Lage Steinbrücks und all der anderen Flucht nach vorn, in die Schulden- und Inflationsunion, in noch weniger Demokratie, aber fast unbegrenzten Zentralismus und in die Allmacht einer unkontrollierbaren Brüsseler Bürokratie.

Nun weiß auch der SPD-Politiker durchaus, welche fragwürdigen und negativen Folgen die Entscheidung für „mehr Europa“ haben muss. Es sei ihm auch nicht unterstellt, diese Entscheidung zu treffen, um dem eigenen Land zu schaden. Aber er wie auch die gesamte derzeitige politische Elite Deutschlands hat eine geradezu panische Angst vor dem, was als „Renationalisierung“ bezeichnet wird. Denn diese vielgefürchtete „Renationalsierung“ bedeutete ja für die Politiker der verschiedenen Parteien nichts anderes, als wieder die volle Verantwortung für das Wohlergehen und die Sicherheit der eigenen Nation zu übernehmen.

Dazu ist jedoch weder die Regierung noch die Opposition bereit und wohl auch nicht fähig. Nur kann das natürlich nicht laut gesagt werden, denn dann könnten auch die noch verbliebenen Wähler auf den Gedanken kommen, sich von Parteien abzuwenden, deren Personal nicht in der Lage ist, die Interessen des Volkes vor die Interessen von Großkonzernen, der Großfinanz und asozialen Profiteuren aller Art zu setzen. Deshalb ist es notwendig, ein Schreckgespenst zu entwerfen, das dem Volk die fortschreitende politische Entdemokratisierung und materielle Enteignung schmackhaft, ja sogar zwingend erscheinen lassen soll - also die „Renationalisierung“.

Der Reizbegriff wird durchaus bewusst verwendet, um Erinnerungsbilder an den größenwahnsinnigen „Führer“, verblendete Massen und völlig zerbombte Städte zu wecken, also die Traumata der Deutschen. Nationalismus soll all das verursacht haben. Alles, was mit demselben zu tun haben könnte, ist deshalb verpönt mit Ausnahme der in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Begeisterung für die Fußball-Nationalmannschaft, die allerdings auch immer weniger als eine spezifisch deutsche zu erkennen ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Nationalsozialisten weit weniger Nationalisten als rassistische, internationalistische Ideologen waren, die um ihres Wahns willen rücksichtslos die Existenz der Nation fast zerstörten und ihrer Seele unheilbare Wunden zufügten.

Faktisch hat in Deutschland seit 1945 eine Entnationalisierung wie in keinem anderen Land Europas, ja der ganzen Welt stattgefunden. Und wer vor einer „Renationalsierung“ warnt, gibt ja auch indirekt zu, dass es diese Ent-nationalsierung gab und gibt. Allerdings zeigt ein näherer Blick auf die Entwicklung, wie ausgesprochen national es in wichtigen Bereichen nach wie vor zu geht: Herausragendes Beispiel dafür ist die deutsche Sozialordnung, die trotz der rot-grünen Hartz IV-„Reformen“ und um den Preis immer höherer Verschuldung doch weiterhin eine weltweite Ausnahmestellung hat. Keine der in Sachen Diskriminierung besonders empfindlichen Einwanderergruppen in Deutschland haben bislang Proteste gegen die großzügige Sozialordnung angemeldet – das spricht für sich.

Und erst im Jahr 2011 hat Deutschland einen spektakulären nationalen Alleingang mit jener „Energiewende“ gestartet, die nun die Normalverbraucher mit immer höheren Kosten bezahlen müssen. Niemand hat diese sehr folgen-, aber keineswegs unbedingt segensreiche „Renationalsierung“ übrigens so enthusiastisch begrüßt wie die ansonsten zur nationalen Selbstaufgabe und deutschem Selbsthass stets bereiten Internationalisten von den Grünen. Es ließen sich ohne Mühe noch mehr Beispiele für Widersprüchlichkeiten bei der so eifrig betriebenen Entnationalisierung Deutschlands anführen, aber auf Vollzähligkeit kommt es hier nicht an.

Wer „Mehr Europa“ will, konnte bis vor einigen Jahren auf größte Zustimmung rechnen, ganz besonders in Deutschland. Doch das hat sich in der Euro-Krise gründlich verändert. Der Ruf nach „Mehr Europa“ weckt in immer mehr Menschen die Angst vor mehr Schulden, mehr Zentralismus, weniger Demokratie, nach weniger realen Bürgerrechten. Diese Ängste sind keine eingebildeten, sondern haben inzwischen viele Gründe. Ganz offensichtlich hat sich das Projekt „Mehr Europa“, das ausgerechnet mit der Kunstwährung Euro entscheidend vorangetrieben werden sollte, in eine ebenso rast- wie ratlose Krisenverwaltung von überforderten Politikern und um ihre Privilegien fürchtenden Euro-Bürokraten verwandelt.

Was bislang an politischen Vorstellungen und Modellen für „Mehr Europa“ bekannt geworden ist, erweckt keinerlei Vertrauen. Zweifellos werden sich die Völker des so vielgestaltigen Kontinents auch massiv dagegen wehren, in einen Superstaat gepresst zu werden, der von seinen Bürgern unkontrollierbar wäre. Es mag ein Hintergedanke bestimmter deutscher Kreise sein, mit dem Verzicht auf die nationale Souveränität und Identität Europa ökonomisch dominieren zu können, um daraus für sich maximalen Profit zu beziehen. Doch dieses falsche Spiel wird von anderen Staaten und Völkern irgendwann durchschaut werden, zum Schaden aller Deutschen.

Kurzum: „Mehr Europa“ ist alles andere als attraktiv, es ist eine fragwürdige, ja gefährliche Perspektive. Das ist auch denjenigen, die es propagieren, durchaus bewusst, zumindest dürften sie es ahnen. Also brauchen sie eine in ihrem Verständnis maximal abstoßende Alternative zu ihrem Ziel eines scheindemokratischen europäischen Superstaates. Eben diese Alternative soll die Renationalisierung sein. Doch was den einen als Schreckgespenst dienen soll, kann all denjenigen, die mit guten Gründen nichts mehr fürchten als noch „Mehr Europa“, tatsächlich als der bessere Weg in die Zukunft dünken. Voraussetzung dafür ist aber eine positive, nicht-nationalistische Bestimmung von „Renationalisierung“.

Wenn sich die demokratisch bestimmten politischen Kräfte und Akteure eines souveränen Staates wieder in vollem Umfang für die Geschicke dieses Staates verantwortlich sehen und dafür von ihren jeweiligen Völkern verantwortlich gemacht werden, dann hat das nichts mit „Renationalisierung“ oder gar Nationalismus, sondern ganz einfach um die notwendige Rückkehr zur Normalität zu tun. Denn es kann nicht länger hingenommen werden, dass die verschiedensten Vertreter der politischen Elite stets auf „Brüssel“ oder die „Globalisierung“ verweisen, um sich von ihrer Verantwortung zu entlasten oder sich derer sogar zu entledigen.

In besonderer Weise betrifft das die Haushalts- und Finanzpolitik: In diesen elementaren Politikbereichen ist die „Renationalisierung“ dringend notwendig. Es ist einfach nur irrsinnig, dass das selbst hochverschuldete Deutschland astronomische Bürgschaften und Rettungsmilliarden für andere europäische Staaten auf sich nimmt, die im Ernstfall selbstmörderische Konsequenzen haben können. Das mag zwar im Interesse der Exportindustrie und bestimmter Teile des Finanzsektors sein, verträgt sich aber in keiner Weise mit dem Amtseid und der Mandatsverpflichtung von Bundespolitikern.

„Renationalisierung“ tut not bei Einwanderung und Integration. Gegen alle Widerstände von Multikulti-Ideologen und großindustriellen Lohndrückern muss sowohl Einwanderung wie auch die Integration der Einwanderer im nationalen Interesse unter Bewahrung der nationalen Identität gestaltet werden. Das bedeutete keineswegs das Ende der Einwanderung nach Deutschland, sondern würde glückende, dauerhafte Integration überhaupt erst wieder möglich machen. Bei kulturfremder Einwanderung müsste nach den Erfahrungen der Vergangenheit strikt darauf geachtet werden, wie verträglich oder unverträglich die kulturelle und religiöse Prägung dieser Einwanderer mit der deutschen Mehrheit eingeschätzt werden kann. Um es klar zu sagen: Ein weiterer Massenzustrom aus dem islamisch-orientalischen Kulturkreis mit all seinen Problemen müsste damit ausgeschlossen werden.

Der Begriff „international“ macht ohne den Wortteil „national“ keinen Sinn. Ohne nationale Identität und Verankerung gibt es keine Internationalität. Diese Erkenntnis ist so selbstverständlich wie in Deutschland weitgehend in Vergessenheit geraten. Deswegen hat sich gerade in unserem Land ein schwammiger, oft peinlicher, im Grunde höchst unsicherer Internationalismus ausgebreitet, der im Ausland entweder Kopfschütteln oder Misstrauen erweckt. Die Reaktionen in einigen Euro-Krisenländern zeigen überdies, dass alle deutschen Versuche, Weltmeister im ideellen Internationalismus zu sein, kläglich an den Erinnerungen, Vorurteilen und auch den zu unterschiedlichen Interessenlagen anderer Völker zum Scheitern verurteilt sind. Der krampfhafte deutsche Internationalismus wirft also weder nach innen noch nach außen eine lohnende Dividende ab.

Paradoxerweise wird erst die „Renationalisierung“ wieder eine Grundlage dafür ermöglichen, dass sich sehr viel mehr Deutsche als bisher mit der Sprache und Kultur unseres wichtigsten Nachbarn, also Frankreich, beschäftigen, aber auch entsprechend mit Polen, Tschechien, Russland, der Ukraine und den baltischen Staaten. Der bisherige deutsche Internationalismus ist tatsächlich ein oberflächlicher Amerikanismus, der Züge eines kulturellen Kolonialismus aufweist. Die Alternative dazu ist keineswegs Anti-Amerikanismus, sondern die Zurückgewinnung einer gesunden Eigenständigkeit, die nicht vergisst, was für – aus welchen Motiven auch immer - vergleichsweise milde Sieger die USA nach 1945 waren. Doch die USA von damals sind in vielerlei Beziehung nicht mehr die USA von heute. Es wird Zeit, daraus Konsequenzen zu ziehen.

Konsequenzen, und zwar umfassende, müssen aus der demographischen Entwicklung gezogen werden: Entweder werden die gesellschaftlichen Einrichtungen, Systeme und Institutionen auf den kommenden Volksschwund in Deutschland eingestellt oder es werden alle Möglichkeiten genutzt, die Geburtenrate zu steigern. Am realistischsten ist eine Mischung beider Maßnahmen, denn die Volkszahl wird unweigerlich sinken, doch sollte wenigstens ein Mindestniveau gehalten werden. Die gefährliche Illusion, die geringe Geburtenrate der deutschen durch immer mehr Einwanderer ausgleichen zu können, sollte aus der Diskussion verbannt werden: Diese Einwanderer könnten in genügender Zahl nur aus kulturfremden außereuropäischen Räumen kommen und würden viel mehr Probleme mitbringen als sie lösen könnten. Selbstverständlich gibt es auch für das deutsche Volk ein Recht auf Identitätswahrung – auch das gehört zur „Renationalisierung“.

Es ließe sich noch wesentlich mehr zu dem Thema „Mehr Europa oder Renationalisierung“ sagen, aber die oben aufgeführten Beispiel mögen als Einstieg in eine unausweichliche, wenngleich einstweilen noch verhinderte und diffamierte Diskussion vorerst reichen. Eines steht jedenfalls fest: Deutschland braucht eine politische Bewegung und eine politische Partei, die positiv, zukunftsfreudig und frei von engstirnigem Nationalismus oder gar Chauvinismus, aber auch befreit von identitätslosen Internationalismus und Kulturrelativismus gerade deshalb die „Renationalisierung“ bejaht, um ein solideres, demokratischeres, nicht aber nur „mehr Europa“, also mehr Zentralisierung und Entmündigung zu bekommen. Was der SPD-Politiker im Interesse der Großkonzerne und Großfinanz als Schreckensalternative benennt, ist der bessere Weg – für Deutschland und Europa.

Die FREIEN WÄHLER, die nun auch in die Bundes- und Europapolitik eingreifen wollen, müssen wissen, dass sie nur dann nützlich sein und tatsächlich gebraucht werden, wenn sie sich überzeugend dieser „Renationalisierung“ ebenso zuwenden wie der Rekommunalisierung vieler Bereiche nach dem Subsidaritätsprinzip. Wer aus guten Gründen Konzernspenden ablehnt, sollte kein Problem haben, den Weg zu beschreiten, den Steinbrück und sämtliche etablierten Parteien scheuen, ja verteufeln. Denn die Zukunft gehört denen, die nun gegen den Strom schwimmen. Und dieser Strom wird die Richtung bald ändern müssen, wenn wir nicht alle in ihm ertrinken wollen.

 
Wolfgang Hübner, 3. September 2012

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