Frankfurts Weihnachtsmarkt wird schwul!
Alles für die Steigerung des Bruttosozialprodukts

Weihnachten ist ein christliches Fest. Ohne die Geburt des Jesus von Nazareth, dessen Leben, Lehre, Tod und Wiederauferstehung, ohne das Christentum würde es Ende Dezember vielleicht ein anderes Fest hierzulande geben, aber nicht Weihnachten, wie wir es kennen. Jenes Weihnachten, das wir wegen des damit verbundenen Geschenkdrucks insgeheim verfluchen und doch auch wieder so mögen, dass wenigstens einmal im Jahr die Kirchenbänke selbst vor dem linksgläubigsten evangelischen Pfarrer gut gefüllt sind.
Jesus ist bekanntlich für uns irdische Sünder als Opferlamm Gottes am Kreuz gestorben, für die Reichen, die Armen, die Starken, die Schwachen, für Frauen wie Männer, für die Gerechten und die Ungerechten, gewiss nebenbei auch für Hetero- und Homosexuelle. Bislang war letzteres nicht unbedingt erwähnenswert, jedenfalls nicht im Zusammenhang mit Weihnachten. Doch in der bundesweiten „Vielfalt“-Modellstadt Frankfurt am Main soll ab kommenden Montag der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte und beliebte alljährliche Weihnachtsmarkt um eine Novität bereichert werden, die eine Erinnerung daran ratsam macht, was Weihnachten ist und wem wir es zu verdanken haben: Der Frankfurter Weihnachtsmarkt wird mit einer „Pink Christmas“ titulierten Sonderzone für Schwule und Lesben vergrößert.
Aller Wahrscheinlichkeit nach, ja mit Sicherheit wird dagegen kein Protest der staatsfrommen, auch den absurdesten Zuckungen des Zeitgeistes scheunentoroffenen Amtskirchen laut werden. Aber es wird neben wenigen unverbesserlich immer noch konservativen christlichen Werten und Vorstellungen verhafteten Christen auch einige moderne Heiden geben, die nicht so recht verstehen wollen, warum Homosexuelle ausgerechnet auf dem Weihnachtsmarkt in besonderer, räumlich sogar abgesonderter Weise präsent sein sollen.
Aber dieses mangelnde Verständnis, ja sogar Unverständnis zeugt eigentlich nur davon, dass diese kleine Minderheit von notorisch Nachdenklichen nicht begriffen hat, was Weihnachten tatsächlich schon längst ist: Das mit Abstand wichtigste Volkskonsumfest zur Steigerung des Bruttosozialprodukts. Unter den düsteren Vorzeichen der unendlichen Eurorettungskrise ist nämlich der wahre Sinn und Charakter von Weihnachten bedeutsamer denn je, ist Kaufen fürs Schenken doch unverzichtbare Staatsbürgerpflicht! Wer das einmal verstanden hat, wird auch schnell begreifen, warum Weihnachtsmärkte demnächst nicht nur in der hochglobalisierten Stadt Frankfurt am Main, sondern allerorten in den deutschen Großstädten „Pink Christmas“-Bereiche für Schwule und Lesben bekommen werden, ist diese Bevölkerungsgruppe doch als besonders konsumpotent bekannt und umworben.
Zugespitzt lässt sich sagen: Erst „Pink Christmas“ macht wirklich klar, worum es bei Weihnachten jenseits aller sentimentalen Überbleibsel geht. Und weil wir ja längst nicht mehr so viel mit dem vor so langer Zeit bedauerlich jung verstorbenen Mann am Kreuz im Sinn haben, sondern vielmehr darüber nachdenken, welche Profitrate der antike Kreuzhersteller wohl erzielt haben mag, können wir es doch nur begrüßen, wenn eine besonders kaufkräftige Bevölkerungsgruppe, die zudem nicht mit ärgerlich sperrigen Kinderwägen die Besucherflut um die Stände stört, nun einen besonderen Anreiz bekommt, zur Sonderzone des Weihnachtsmarktes zu strömen.
Seien wir doch einmal ehrlich: Dieser Jesus von Nazareth, der gleich nach seinem Einzug in Jerusalem für einen ungeheuerlichen Eklat sorgte, weil er Händler und Geldwechsler aus dem Vorraum des Tempels vertrieb, um gegen die Kommerzialisierung des Glaubens zu protestieren – dieser renitente Konsumfeind müsste heutzutage allemal mit einen strikten Weihnachtsmarktverbot belegt werden. Jesus also raus, Schwule und Lesben rein – in diesem Sinne: Rentable Weihnachten allerseits!
Wolfgang Hübner, 21. November 2012