100 Millionen verfolgte Christen und kein Ende in Sicht

Bericht von einer Veranstaltung in Wiesbaden

100 Millionen verfolgte Christen und kein Ende in Sicht
© Via Dolorosa


Ende November fand unter der Schirmherrschaft der CDU Hessen eine Vortragsveranstaltung mit der Menschenrechtsorganisation „Open Doors“ in der Christian-Bücher-Halle in Wiesbaden statt. Open Doors hilft seit 1955 verfolgten Christen weltweit. Die Halle war voll. Peter Beuth, der Generalsekretär der CDU Hessen, hielt die Eröffnungsrede für den Vortrag „100 Millionen verfolgten Christen eine Stimme geben“.

Die Veranstaltung lockte rund 250 unterschiedlichste Menschen aus der näheren Umgebung herbei. Ein junger, studentischer CDU-Wähler schob seinen Kinderwagen in den Saal. Engagierte Christen, darunter Armenier, Assyrer, Pastoren saßen in den Reihen. Anhänger von Menschenrechtsorganisationen fanden ein Plätzchen. Schließlich huschte der als bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion zurückgetretene Hans-Jürgen Irmer noch hinein und wurde prompt vorgestellt. So auch der Landtagsabgeordnete der CDU in Hessen, der Muslim Ismail Tipi.

Michael Rode, der Geschäftsführer von „Open Doors“ referierte über die Hintergründe der zurzeit größten Christenverfolgung in islamischen, buddhistischen und kommunistischen Ländern. Er benannte nur die extremsten „Härtefälle“:

Im Weltverfolgungsindex von Open Doors belegt Nordkorea den Platz Nummer eins unter den 50 Ländern, in denen Christen brutal verfolgt, von Ämtern ausgeschlossen, gefoltert und getötet werden. Unter der Kim-Dynastie lebt im abgeschotteten Nordkorea eine Zweiklassen-Gesellschaft. Die kleine Elite residiert in der Hauptstadt Pjöngjang. Die Masse unterernährter Menschen – darunter auch 200 000 bis 400 000 Christen– leben verteilt im Land. Christen gelten als verbotene Minderheit, leben im Untergrund. Für die stets beaufsichtigten Touristenführungen gibt es jedoch sorgfältig präparierte Show-Kirchen, in denen Statisten die christliche Zeremonie nachstellen und den fremden Besuchern einen Schein-Gottesdienst präsentieren. Währenddessen schuften 70.000 Christen in Arbeitslagern. Sie dürfen nicht zum Himmel schauen. Denn es gibt nur einen Gott in der Dschadschusong-Philosophie. Die Statue der ewigen Sonne wurde zur Statue des ewigen Präsidenten unter dem Enkel von Kim Il Sung.

Als zweite Region akuter Verfolgung nennt Michael Rode Ägypten. Dreiviertel aller Christen in Nahost leben in Ägypten, das sind 10 Millionen. Sie hofften auf mehr Toleranz durch die Revolution. Doch seit dem Rücktritt des Präsidenten Husni Mubaraks 2011 haben sich ihre Hoffnungen ins Gegenteil gekehrt. Vor der Revolution wären sie auf der Straße nie böse angepöbelt worden. Mit Amtsantritt von Präsident Mursi wurden zwei christliche Fernsehsender abgeschaltet. Eine einsetzende Christenbedrohung durch Islamisten führte zur Flucht ganzer Gruppen von Kopten aus Ägypten. Präsident Mursi will eine Islamische Republik. Als nicht-staatlich anerkannte Religion werden Christen nun offen verfolgt. Dennoch gibt es immer wieder Zusammenkünfte von Christen. So sammelten sich am 11. September 2011 70 000 Christen in der Felsenkirche in Kairo zum gemeinsamen Gebet.

In den anderen Ländern des „Arabischen Frühlings“ geht es den Christen keineswegs besser. In Syrien brüsten sich die Söldner der Faruq-Brigade damit, schon mehrere Regionen von Christen befreit bzw. „gesäubert“ zu haben. Tausende syrisch-orthodoxe Christen wurden aus ihren Häusern verjagt, ihre Kirchen zerstört. Syrien hat rund 415 000 Christen. Die versuchen, sich im Untergrund vor den Hinrichtungen der radikalen Islamisten zu schützen.

Michael Rode nennt als vierte, wichtige Region der Christenverfolgung Bhutan. Das Land ist so groß wie die Schweiz, hat 700 000 Einwohner. Auch hier dürfen Christen keine öffentlichen Ämter bekleiden, keine eigenen Geschäfte haben, keine Kirchen bauen. Der als besonders friedliche Religion dargestellte Buddhismus gestattet seinen Christen nicht, ihren Glauben offen zu zeigen. Christen in Bhutan treffen sich heimlich, beten im Verborgenen, geben vor, eine Party zu feiern, wenn sie sich zum Gottesdienst zusammenfinden. Während der christlichen Feiertage sind die Hüter des Gesetzes besonders wachsam. Denn im Himalaja-Staat Bhutan ist es Christen bei schwerer Strafe verboten, öffentlich Gottesdienste zu feiern. Christliche Versammlungsräume werden immer wieder von Polizisten bestürmt, Pfarrer verhaftet und mit Gefängnisstrafen bedroht. Man versucht sie zu zwingen, abzuschwören. Die Minderheit von etwa 65 000 Christen machen nur etwa 0,5% der Religionsvertreter aus, Buddhisten 72%.

In Nigeria ist der Scharia-Islam im Norden des Landes knallhart. Dennoch gibt es auch hier noch viele Christen. Selbstmordattentäter aus den Reihen der militanten Islamisten sprengen sich häufig in den Kirchen selbst in die Luft. Radikale Scharia-Anhänger setzen ihre archaische Justiz der abgehakten Gliedmaßen durch. Im April 2004 wurden 1500 Christen und acht Pfarrer abgeschlachtet, Kirchen zerstört. In der Pufferzone zwischen dem muslimischen Norden Nigerias und dem christlichen Süden des Landes sind die radikalen Islamisten besonders aktiv. Ihre Strategie: Sie umzingeln ein Wohngebiet, blockieren alle Straßen, setzen Christenhäuser in Brand und sobald die Christen aus ihren Häusern fliehen, feuern die bewaffneten Muslime ihre Gewehre auf sie ab. Die Pastoren in der Kirche werden nicht verschont. In Nord-Nigeria dürfen Christenkinder gar nicht erst eine Schule besuchen. Die christliche Bevölkerung lebt in ständiger Angst vor An- und Übergriffen.

Michael Rode nennt Pakistan als sechster Brennpunkt der Christenverfolgung. Dort hat sich die Situation für Christen seit 2005 dramatisch verschlechtert. Gegen die Christen wütet ein Blasphemie-Gesetz. Hier gilt das offene Bekenntnis zu einem anderen Glauben als dem Islam als Kapitalverbrechen. Trotz ausgesetztem Zwang zur Konvertierung, der Gefahr, einfach verbrannt zu werden, halten diese Christen an ihrem Glauben fest, manchmal in der Todeszelle. Die pakistanische Armee, die für die Transporte von Hilfsgütern aus dem Westen in Katastrophengebiete zuständig ist, klammert Christen bei der Auslieferung einfach aus. Open Doors ist in Kontakt mit dem Minderheitenberater der Hannes-Seidel-Stiftung in Pakistan. Dr. Paul Bhatti kämpft gegen das Blasphemie-Gesetz. Seine Behörde ist umringt von den vielen radikalen Moscheeschulen in Pakistan.

Wer glaubt, im Irak gehe es Christen jetzt besser, sieht sich getäuscht. Unter Saddam Hussein war es ihnen besser ergangen. Der Irak wird heute von Islamisten beherrscht. Christen werden aus ihren Häusern vertrieben (Enteignung), verlieren ihren Job. Im Pass steht die Religionszugehörigkeit. Viele Christen flüchteten in die Kurdengebiete nach Syrien.

Im achten Brennpunkt, dem Iran, werden alle verfolgt, die sich nicht zum Schiitischen Islam bekennen. Das Regime verfolgt Christen. Immer wieder wird dem Regime vorgeschlagen, nach Scharia-Recht das Köpfen von Christen möglich zu machen. Abfall vom Glauben (Islam) wird sowieso mit dem Tode bestraft. Die größte christliche Gemeinde besteht aus Konvertiten! Enttäuschte Regimekritiker, ehemalige Schiiten, sie alle werden gefoltert.

Michael Rode schließt seine Präsentation mit einem gemeinsamen Gebet. Stille im Saal. Doch was tun, fragen Teilnehmer. Leserbriefe schreiben, Bibeln verteilen, spenden, beten. Ein mitleidiges Lächeln huscht über einige junge Gesichter. Auch einer Handvoll außereuropäischer Zuwanderern genügt das nicht. Ein ägyptischer Kopte klagt, dass die deutsche Regierung nur Hilfe für Muslime schicke. Ein Assyrer verweist auf die Christenverfolgung in Europa, im Kosovo, in Albanien. Und die Ehrenmorde in Deutschland seien getarnte Tötungen von Konvertiten. Ismail Tibi will wissen, warum wir hier nichts tun, um den Scharia-Islam an seiner Ausweitung zu behindern. Die Türkei habe 1915 noch 2,2 Millionen Christen gehabt. Die Türkei enteigne Christen, in der türkischen Bevölkerung würden Christen als Feindbild wahrgenommen, klagt er. Eine zugewanderte Pastorin, die christliche Konvertiten betreut, erklärt, dass Konvertiten hier in Angst und Unsicherheit leben, mitten im demokratischen Deutschland.

Die Zuwanderer aus den Verfolgungsgebieten der Erde - sie warnen! Sie warnen gegen die Ahnungslosigkeit an, gegen die Gutgläubigkeit, warnen vor der wachsenden Gefahr in Europa. Sie wollen verantwortlich handelnde Autoritäten sehen, hier in Deutschland.

100 Millionen verfolgte Christen – das ist die größte Christenverfolgung aller Zeiten. Sie findet heute statt, nichts Vergleichbares brachte das Mittelalter. Das Ausmaß und die Härte gegen Christen haben seit den 1990er Jahren dramatisch zugenommen. Und es wird immer schlimmer.


Cornelia Claßen

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