Zum Konflikt bei den FREIEN WÄHLERN
Eine notwendige persönliche Vorbemerkung:

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Neuen Presse gibt es einen längeren Bericht zu dem schon längere Zeit schwelenden Konflikt zwischen dem Bundes- und hessischen Landesvorstand einerseits und der Mehrheit der FREIEN WÄHLER in Frankfurt sowie speziell ihrem Fraktionsvorsitzenden im Römer, Wolfgang Hübner, also um mich. Dabei geht es keineswegs, wie der fair und sachlich geschrieben Artikel nahe legen könnte, um bestimmte Formulierungen in meinem als Diskussionsbeitrag gekennzeichneten Kommentar, der selbstverständlich völlig im Rahmen der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit ist und überwältigend viel Zustimmung bekommen hat.
Vielmehr geht es darum, dass mit der Bildung einer FW-Partei, die sich Bundesvereinigung nennt und an der Bundestagswahl 2013 teilnehmen will, seitens einiger Personen der Versuch unternommen wird, eine politische und personelle Ausrichtung zu erreichen, die im krassen Gegensatz zu den demokratisch erarbeiteten und erfolgreichen Positionen der FW in Frankfurt steht. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten aber diejenigen Mitglieder in Frankfurt aus der Partei gedrängt werden, die an vorderster Front diese Positionen glaubwürdig und öffentlich vertreten. Davon bin ich besonders betroffen - welche Ehre!
Der Versuch, mich aus der FW-Partei ausschließen zu wollen, ist der Versuch, einen Kritiker des politischen Kurses und innerorganisatorischen Umgangs des jetzigen Bundesvorsitzenden mundtot zu machen. Das wird nicht gelingen. In meinem Schreiben vom 26. November 2012, das bis heute unbeantwortet geblieben ist, habe ich dem Bundesvorsitzenden die Antwort auf seine Äußerungen gegeben, die notwendig war. Ich dokumentiere nun diesen Brief, nachdem der Konflikt auch in Frankfurt öffentlich geworden ist.
Allen Bestrebungen, mich und andere aus der FW-Partei auszuschließen, sehe ich mit großer Gelassenheit entgegen: Wer uns ausschließen möchte, will die demokratische Kultur innerhalb der noch jungen Partei auf das Niveau einer autoritären Kaderorganisation herunterwirtschaften. Daran sind schon ganz andere gescheitert. Ich jedenfalls werde ebenso politisch Kurs halten wie die große Mehrheit der FREIEN WÄHLER in Frankfurt.
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Frankfurt am Main, 26. November 2012
Herr Bundesvorsitzender Aiwanger,
nach meinen Informationen haben Sie sich abermals – nämlich anlässlich der „Nymphenburger Gespräche“ vergangene Woche - öffentlich abfällig über die FREIEN WÄHLER in Frankfurt geäußert und dabei abermals die Möglichkeit von Ausschlussverfahren erörtert. Als Mitbegründer, stellvertretender Vorsitzender und Fraktionsvorsitzender der FW in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung fordere ich Sie abermals auf, abfällige und in der Wirkung diffamierende Äußerungen über die FREIEN WÄHLER in Frankfurt künftig zu unterlassen. Sie haben weder Grund noch Recht dazu.
Die FREIEN WÄHLER in Frankfurt, die lange Jahre von mir geführt wurden, leisten seit Mitte der neunziger Jahre in einer der politisch schwierigsten, aber auch bedeutendsten Städte Deutschlands eine erfolgreiche, weithin anerkannte Arbeit. Der Erfolg dieser Arbeit, die bei Null begann, liegt nicht nur in Fleiß, Beharrlichkeit und Opferbereitschaft begründet, sondern vor allem in dem Mut und der Bereitschaft, sich stets auch der Themen anzunehmen, die von den anderen politischen Kräften ignoriert, missachtet, geschönt oder extremistisch missbraucht werden. Dazu gehören in besonderer Weise die Themen Integration und Islam, die bei den „Nymphenburger Gesprächen“ ja wohl eine zentrale Rolle gespielt haben.
Zu beiden Themen haben sich die FREIEN WÄHLER in Frankfurt eine hohe Kompetenz erworben, die uns vor Ort ein Alleinstellungsmerkmal gesichert hat, das es uns ermöglichte, bei der letzten Kommunalwahl 2011 als einzige politische Kraft neben den Grünen Zugewinne an Wählern und Mandaten zu erzielen. Die selbstverständlich nach wie vor geltenden Positionen im Wahlprogramm 2011 bis 2016 zu den zusammengehörigen Themen Integration und Islam wurden demokratisch unter Mitwirkung aller Mitglieder erarbeitet und einmütig verabschiedet.
Diese Positionen sind öffentlich bekannt, seit langer Zeit auch dem Landes- und Bundesverband. Niemals haben wir von beiden Verbänden Kritik an diesen Positionen vorgelegt bekommen. Wir denken überhaupt nicht daran, unsere Positionen zu Integration und Islam in Frage zu stellen, zumal diese Positionen wesentlich konkreter und realitätsnäher sind als die entsprechenden Formulierungen im Bundesprogramm der FW. Von den etablierten bürgerlichen Parteien CDU und FDP werden unsere Positionen zwar nicht geteilt, der in jeder Weise absurde Vorwurf „fremdenfeindlicher“ Tendenzen wird aber nur von links-grüner und linksextremer Seite erhoben – damit können wir gut leben.
Besonders gut können wir damit leben, seit mit Martha Moussa eine aus Ägypten stammende Migrantin unserer Fraktion im Römer angehört, die damit einen 25-Prozent-Anteil an Mitgliedern mit Einwanderungsherkunft hat. Meines Wissens ist dieser Anteil in der FW-Fraktion im Bayerischen Landtag deutlich geringer, den Namen nach könnte er sogar bei Null-Prozent liegen. Nicht, dass uns das wichtig wäre, doch bekanntlich sollte man aus dem Glashaus nicht mit Steinen werfen – das gilt auch für den Bundesvorsitzenden.
Da Sie nicht nur Bundesvorsitzender der neuen Bundesvereinigung FW sind, sondern auch des Bundesverbandes, dem die FREIEN WÄHLER in Frankfurt als Kreisverband des Landesverbands Hessen seit langen Jahren angehören, zählt es zu Ihren Pflichten, eventuelle politischen Meinungsverschiedenheiten oder andere Konflikte mit Teilorganisationen intern auszutragen. Diese Pflicht haben sie nun bereits zweimal eklatant verletzt. Die FREIEN WÄHLER in Frankfurt sind ein selbständiger, selbstverantwortlicher eingetragener Verein, der sich weder seine Handlungs- noch seine Formulierungsfreiheit beschneiden lässt, auch nicht von Ihnen oder irgendjemand sonst. Wir sind verfassungstreu und fest verwurzelt in den Grundidealen und Grundideen der Freien Wähler. All unsere konkreten politischen Positionen entstammen unseren Antworten auf die konkreten Probleme in Frankfurt und liegen in unserer alleinigen Verantwortung.
Das wurde in der Vergangenheit stets akzeptiert und respektiert. Erst seit Bildung der Bundesvereinigung, deren Vorsitzender Sie auch sind, gibt es seitens des hessischen Landesvorstands wie nun auch vom Bundesvorstand Versuche, die Politik und personelle Aufstellung der FREIEN WÄHLER in Frankfurt zu beeinflussen. Soweit es sich dabei um konstruktive Kritik oder brauchbare Ratschläge handeln würde, wäre dagegen auch nichts einzuwenden. Leider aber ist das unheilvolle Bestreben erkennbar, die hiesigen Freien Wähler auf einen Kurs zu bringen, der nicht unserem Wahlprogramm und unserer langjährig entwickelten politischen Kultur des Widerstands gegen „Politische Korrektheit“ in allen Varianten entspricht.
Ich fordere Sie deshalb als Bundesvorsitzender des Bundesverbands der FREIEN WÄHLER in Deutschland auf, künftig jegliche direkte oder indirekte Einmischung in Frankfurt zu unterlassen. Und wenn Sie Positionen oder Personen in Frankfurt kritisieren zu müssen glauben, dann tun Sie das in einer Weise, die keinen öffentliche Schaden anrichtet und mit dem notwendigen Respekt, der in einer demokratisch verfassten Organisation für alle, also auch den Bundesvorsitzenden selbstverständlich sein sollte. Auf jede weitere abträgliche öffentliche Äußerung von Ihnen oder dem Bundesvorstand über die FW in Frankfurt wird künftig auch von unserer Seite öffentlich reagiert werden.
Offenbar haben Sie auch die Absicht geäußert, mich und womöglich auch andere Mitglieder des Kreisverbands Frankfurt der Bundesvereinigung aus selbiger auszuschließen. Das können Sie selbstverständlich versuchen -gelingen wird das nicht, jedoch großen Schaden für uns alle, insbesondere auch für die Kooperation mit der Wahlalternative 2013 anrichten. Sie müssen sich einfach daran gewöhnen, dass Sie und andere die Bundesvereinigung nicht nach Gutsherrenart führen können, sondern Widerspruch und Kritik ertragen, ja sogar produktiv nutzen müssen.
Die Freien Wähler in Frankfurt blicken auf eine bald 20-jährige Arbeit mit Stolz und Selbstbewusstsein zurück. An der Mühe und dem Erfolg dieser Arbeit hatten weder Sie noch der Bundesvorstand auch nur den geringsten Anteil. Das werfen wir Ihnen nicht vor, wir stellen es nur fest. Und wir stellen ebenso fest: Hören Sie sofort auf, sich auf Kosten und zum Schaden der Freien Wähler in Frankfurt beim Parteienblock der “Politischen Korrektheit“ zu profilieren.
Sie haben als zweifacher Bundesvorsitzender zweifellos das Recht, interne Kritik an unseren Positionen und Aktionen zu üben – für entsprechende Diskussionen oder Gespräche sind wir stets offen, ich ganz besonders. Aber als zweifacher Bundesvorsitzender haben Sie auch die Pflicht, sich Mitgliedern gegenüber fair und loyal zu verhalten. Wir erwarten deshalb einen baldige Erklärung für Ihr Vorgehen und behalten uns alle Schritte vor, das öffentliche Ansehen der FW in Frankfurt zu wahren.
Bereits jetzt haben Ihre abfälligen Äußerungen über die Freien Wähler in Frankfurt für ein weitgehend negatives Echo in etlichen Internet-Foren und unter Unterstützern der Wahlalternative 2013 gesorgt. Bereits jetzt haben Sie damit eine große Anzahl potentieller Wähler irritiert oder sogar abgeschreckt. Wir wollen keinen Beitrag dazu leisten, diesen Schaden noch zu vergrößern. Es liegt in Ihrer Entscheidung, ob das so bleibt.
Mit freien Grüßen
Wolfgang Hübner
Fraktionsvorsitzender und stellv. Vorsitzender der FW Frankfurt
Mitglied der FW-Bundesvereinigung