Das Großprojekt von Islamisten in Frankfurt
Griesheimer Informationsveranstaltung mit Milli Görüs

Zwei fundamental-islamische Gemeinden haben bereits ihren Sitz im heruntergekommenen Gewerbegebiet des westlichen Frankfurter Stadtteils Griesheim. Vor einiger Zeit haben sich dort auch die türkisch-ultranationalistischen „Grauen Wölfe“ niedergelassen. Nun beabsichtigt die türkisch-islamistische Organisation Millî Görüş in der Eichenstraße 55 auf einem 2.700 Quadratmeter großen Grundstück einer ehemaligen Druckerei ein riesiges Gemeindezentrum zu errichten. Viele Bewohner Griesheims sind beunruhigt und befürchten eine weitere islamische Ausbreitung in ihrem Stadtteil.

Deshalb lud der für den ganzen Westen Frankfurts zuständige Ortsbeirat 6 Ende Januar in das Bürgerhaus Griesheim zu einer Informationsveranstaltung ein. Dort konnten sich Vertreter der islamischen Gemeinde Millî Görüş (IGMG) öffentlich vorstellen und ihre Baupläne präsentieren. Mit rund 150 Interessierten war der große Saal recht gut gefüllt. Die angestammten Griesheimer dominierten, doch waren in hoher zweistelliger Zahl auch türkischstämmige Neubürger gekommen, unter ihnen einige kopfbetuchte Frauen, die einen recht unsicheren Eindruck machten, mit ihren kleinen Kindern.
Ortsvorsteher Manfred Lipp (CDU) erstarrte nach seinen einleitenden Worten auf dem Podium in den folgenden zwei Stunden zum stummen Beobachter. Die gleiche Rolle auf dem Podium spielten: Der Vorstand der Yanus Emre Moschee Griesheim und selbst seit 25 Jahren in Griesheim ansässige M. Caglayan sowie IGMG-Regionalleiter Bilal Kacmaz. Der deutsche Moderator Bernd Fechter machte seine Arbeit schlecht. Fechter wurde auch für diesem Abend vom AMKA (Amt für multikulturelle Angelegenheiten) verpflichtet: An diesem Abend griff er so gut wie nie ein und ließ zu, dass ein türkischstämmiger Nicht-Griesheimer seinen langatmigen Redebeitrag halten konnte, in dem er das Vorhaben von Millî Görüş in Griesheim wortreich befürwortete – bis andere Besucher protestierten: „Und wo bleibt Ihre Frage? Dies ist eine Informationsveranstaltung!“

Höchst wortgewandt stellten sich und seine islamistische Gemeinschaft Oguz Ücüncü vor. Der Generalsekretär der IGMG für Europa hatte zu Beginn die Lacher auf seiner Seite, als er betonte: „Mein Name erfüllt voll das türkische Klischee: sechs Buchstaben mit drei ü.“ Sein perfektes Deutsch wurde verständlich, als er berichtete, 1965 im westfälischen Hamm bei Dortmund geboren worden zu sein. Allerdings erntete er beim deutschen Publikum keine Punkte, sondern skeptisches Stirnrunzeln, als er seine Nationalität als Türke bekannt gab. Daran änderte sich auch nichts, als Ücüncü betonte, er fühle sich weder als Türke noch als Deutscher, sondern wegen seiner Geburtsstadt Hamm als „Hammer“. Denn hier lebten inzwischen auch seine Kinder und Kindeskinder. Er sei Ingenieur, seit 1986 bei Millî Görüş und seit 2002 deren Generalsekretär für Europa, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit.
Wer ist Millî Görüş?
Geschickt begann Ücüncü seine Ausführungen zu seiner Organisation mit den Worten: „Wenn man die vier Buchstaben IGMG googelt, sorgt das für Aufregung: Das ist eine Organisation, die einem nicht ganz geheuer ist.“ In der Tat liest man bei Wikipedia einleitend: Millî Görüş (häufig auch Milli Görüş geschrieben; deutsch: Nationale Sicht) ist eine länderübergreifend aktive islamische Bewegung, deren wichtigste Organisationsvehikel die türkische Partei Saadet Partisi und der europäische Dachverband Islamische Gemeinschaft Milli Görüş sind. Neben dem Schwerpunkt Europa ist Millî Görüş auch in Nordamerika, Australien und Zentralasien aktiv. In vielen Staaten und Ländern ist Millî Görüş wegen islamistischer Tendenzen umstritten. Die Innenministerien von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sehen in der Bewegung antisemitische Charakterzüge und unter anderem auch damit eine deutliche Gegnerschaft zur demokratischen Grundordnung. Prozesse, die Millî Görüş gegen diese Feststellungen geführt hat, wurden von ihren Anhängern verloren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kommt zu der Überzeugung, dass Millî Görüş ein antidemokratisches Staatsverständnis zeige sowie westliche Demokratien ablehne.

Später, in der abschließenden Fragestunde verliert Ücüncü ein wenig seiner ansonsten ruhigen Haltung, als eine Besucherin mittleren Alters ihn nach dem Resultat einer Anklage fragt: Diese Klage sei niedergeschlagen worden. Dann meldete sich ein Herr aus dem Publikum: Da müsse doch was dran sein an den Vorwürfen von Verfassungsfeindlichkeit, wenn die Klage doch von der Staatsanwaltschaft zugelassen worden sei! Dazu Ücüncü: „In der Tagesarbeit kann man uns keine verfassungswidrigen Tätigkeiten vorwerfen. Religiosität, wie wir sie pflegen in unserer Gemeinschaft, lässt sich staatlich nicht gängeln. Denn in unserer Sicht ist Religion keine Privatsache, sondern hat eine gesellschaftliche Dimension.“
In der folgenden Diskussion wurde allerdings nicht die Frage gestellt, ob diese „gesellschaftliche Dimension“ auch die Nichtteilnahme von Mädchen an gemischt geschlechtlichen Schwimmunterricht und Klassenfahrten beinhaltet. Oder an Zwangsverheiratung von Mädchen, Ehrenmord oder gar drakonischen Scharia-Strafen wie Verstümmelung und Steinigung von vergewaltigten Frauen. Ücüncü jedoch vorbeugend: „Gewalt und Illegalität sind uns fremd.“
Ücüncü führte dann weiter aus, man wolle Freiräume für ein Scharia-gemäßes Leben schaffen. Leichte Unruhe in Teilen des Publikums war die Folge. Und man mache bei Millî Görüş allerdings keinen Hehl daraus, dass man seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz beobachtet werde wie ja auch die Linkspartei. Allerdings gibt es bei der Linkspartei bekanntlich einige, die unseren demokratischen Staat stürzen und durch eine kommunistische Zwangsdiktatur ersetzen wollen. Da darf man doch auch Zweifel gegenüber einer islamischen Gemeinschaft hegen, die ernstlich die Scharia mit unserem Grundgesetz vereinbaren will. Ücüncü beruhigte: „Wir sind keine Orthodoxen, keine Konservativen, keine Radikalen. Wir sind einfach nur praktizierende Muslime.“
So soll das Gemeindezentrum aussehen:.

Ücüncü und Architekt Shakil Ahmed, er baut auch die Hazrat Fatima Zehra Moschee im Stadtteil Hausen und die marokkanische Taqwa-Moschee in der Heilbronner Straße, stellten die Baupläne vor: Auf die Bühne wurden zwei ca. 2 x 3 Meter große Schautafeln mit Geschossplänen gestellt. Die an den riesigen Baukörper angesetzte Moschee für bis zu 300 Betende erscheint mit ihrer angedeuteten Kuppel und ohne Minarette fast unscheinbar. Positiv ist, dass es eine Garage mit zwei Tiefgeschossen geben wird, wo die Autos der vielen Gläubigen unterkommen, selbst an hochfrequentierten Zeiten wie Ramadan. Erschrecken erzeugte beim Publikum der geplante, riesige, mehrstöckige Bau. Es sind im Erdgeschoss geplant: eine Cafeteria als Begegnungsstätte für alle, mehrere Läden, eine Bibliothek, ein Kindergarten. In den Obergeschossen Seminarräume und die Verwaltung von Milli Görüs. Das führte auch bei eher arglosen Besuchern zu dem Verdachte: Hier entsteht eine autarke islamische Parallelwelt.
Ücüncü betonte allerdings die „positiven Seiten“ des Bauvorhabens für Griesheim auf. Man errichte in einem wenig attraktiven Gebiet einen schönen Bau, der eine Bereicherung für den Stadtteil sei. Zwölf Jahre habe man in Frankfurt nach einem passenden Grundstück gesucht und dies nun endlich gefunden. Er meinte neben der entsprechenden Größe wohl auch den günstigen Preis. Hier würden dann auch vielfältige gesellschaftliche Angebote gemacht: Nachhilfe- und Weiterbildungskurse, auch Korankurse, Frauen- und Seniorenarbeit, ja auch „girlsempowerment“, also Mädchen für die Gesellschaft fit zu machen. Das klingt ganz modern, kollidiert aber mit dem islamischen Frauenbild, das die Frau eben nicht gleichberechtigt mit dem Mann, sondern nachrangig ansieht. Ücüncü abschließend: „Wir wollen einen positiven Beitrag leisten zur Entwicklung dieser Gesellschaft.“ Und man wolle nicht in die gleiche Schublade gesteckt werden wie die „durchgeknallten Extremisten in Mali.“

Ein Plädoyer für MillîGörüş:
Ismail Köse, in der IGMG-Gemeinde Yanus Emre Moschee Griesheim zuständig für Jugend- und Studentenarbeit, zeigte sich sehr dankbar gegenüber seiner Organisation: Millî Görüş leiste mehr an Service und Dienstleistungen als andere islamische Gemeinschaften: „Millî Görüş hat mir die Möglichkeiten gegeben, ein zweites Studium zu absolvieren.“ Zuvor sei er Jahre lang in der Drogen- und Kriminalitätsprävention unterwegs gewesen. Und im Bereich Bildung habe er festgestellt, dass es viele Kinder mit Migrationshintergrund auf Förderschulen gebe, die wegen ihrer Intelligenz da nicht hin gehörten. Dazu bestätigte Architekt Shakil Ahmed: „Die machen gute soziale Arbeit. Wir sind hier aufgewachsen. Wir sehen den Islam anders: mit abendländischen Elementen.“ Denn er selbst sei seit 1971 in Deutschland und habe vor 20 Jahren sein Büro in Offenbach eröffnet. Und zum Bau in Griesheim: „Wir wollen keinen geschlossenen Club bauen, sondern transparent sein und uns öffnen. Denn wir sind ein Teil der Gesellschaft.“ Und im Café hier werde man sich beim Kaffee begegnen können.
Reaktionen aus dem Publikum:
Ein Herr bedauerte, dass es immer mehr Moscheen und immer weniger Kirchen gebe. Dazu knallhart Thomas Schlimme, ein linker Grünen-Ortsbeirat, mit der Gegenfrage: „Was können die Muslime dafür, wenn es bei den christlichen Kirchen abwärts geht?“ Auf die Frage, ob hier dann auch auf Deutsch gepredigt werde, antwortete Ücüncü: Wenn es die „Gemeindewirklichkeit entspricht“, also auch z. B. bosnische Gemeindemitglieder da seien. Und Ismail Köse ergänzte, dass der Großteil der sozialen Arbeit auf Deutsch gemacht werden solle.
Zur Frage nach der Finanzierung des Bauvorhabens erläuterte Ücüncü: Die Baukosten betrügen geschätzte 4,5 bis 5 Millionen Euro. Und würden aus den Spenden der gegenwärtig rund 130 Gemeindemitglieder bestritten. Denn man habe weder den türkischen Staat noch irgendwelche Ölscheichs als Investor. Und die IGMG könne nur unterstützend tätig sein. Da meinte ein Herr aus dem Publikum so gehässig wie prophetisch, das würde sich dann wohl Jahre lang hinziehen wie der Bau der Hazrat Fatima Moschee in Hausen, weil das Geld fehle.
Die Frage zum Baurecht: Rainer Kling, der die Bauaufsicht für die westlichen Stadtteile leitet, berichtete, dass die Bauvoranfrage positiv beschieden sei und noch kein Bauantrag eingereicht sei. Die Eichenstraße sei als Mischgebiet ausgewiesen und somit seien religiöse Bauten zulässig. Erst ganz zum Schluss – Ortsvorsteher Lipp hat die Veranstaltungsdauer zuvor auf zwei Stunden limitiert – fragte die Vorsitzende des Vereinsrings Griesheim danach, wer die Bauvoranfrage gestellt und das Grundstück bezahlt habe. Ücüncü antwortete, die Bauvoranfrage habe der Vorgänger von IGMG-Regionalleiter Bilal Kacmaz gestellt und der IGMG-Moscheebauverein das Grundstück bezahlt.
D. Schreiber
(Fotos: R. Sawicki)