Römer-Rede zum Thema „Bauen, bauen, bauen!“
Wolfgang Hübner in der Stadtverordnetenversammlung
In der Januar-Sitzung der Stadtverordnetenversammlung stand das Thema „Wohnen“ im Mittelpunkt einer ziemlich hitzigen Debatte, die erhebliche Meinungsunterschiede zwischen den Koalitionspartnern CDU und Grünen offen legte. Im Gegensatz zu allen anderen an der Debatte beteiligten Fraktionen beleuchtete die FW-Fraktion mit ihrem wohnungspolitischen Sprecher Wolfgang Hübner einige Aspekte des Problems, die viel zu oft aus der Diskussion um dieses wichtige Thema ausgeblendet werden.
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Frau Vorsitzende,
meine Damen und Herren!
Niemand erwartet von den FREIEN WÄHLERN, dass sie die Probleme auf dem Wohnungsmarkt lösen, denn wir werden sie nicht lösen können. Viele erwarten allerdings, dass die großen Parteien diese Probleme lösen. Ich sage voraus, auch diese Parteien werden sie nicht lösen. Und im Gegensatz zu uns - wenn keine Erwartung besteht, wird es auch keine Enttäuschung geben - sind da einige Enttäuschungen vorprogrammiert.
Seit der Oberbürgermeisterwahl lautet die Parole in Frankfurt: Bauen, bauen, bauen! Dabei ist dieser Stadt an vielen Stellen ist diese Stadt schon komplett vollgebaut und verdichtet und es gibt nur noch wenige Bereiche, von denen man sagen könnte, dass da noch gebaut werden kann. Wir werden sehen, was geschieht. Aber ich will mich nicht auf diese Frage konzentrieren. Ich will einmal ein bisschen darauf verweisen, was eigentlich los ist und was der Hintergrund dieser Bauobsession ist.
Sicherlich hat es sich schon vor der Oberbürgermeisterwahl angedeutet, dass hier ein Problem entsteht. Dieses Problem ist vielschichtig, nicht einschichtig. Ich denke, kein einziger Redner bisher hat auch nur annähernd die Grundlagen dieser ganzen Situation, die wir jetzt hier bewältigen sollen, wollen und müssen, wirklich umfassend geschildert. Das werde ich auch in den acht Minuten, die mir verbleiben, nicht schaffen, aber ich möchte auf bestimmte Dinge aufmerksam machen.
Wir haben, das wird keiner bestreiten, heutzutage, und zwar nicht nur in Frankfurt, einen sehr viel höheren Raumbedarf. Das ist gut, denn das zeigt, dass wir reicher geworden sind. Wir wollen nicht auf wenigen Quadratmetern pro Person leben, sondern wir wollen mehr Raum haben. Mehr Raum haben heißt aber, dass natürlich die Ansprüche größer geworden sind und dass das Ganze hier auch verteilt worden ist. Wir haben gerade in einer Stadt wie Frankfurt am Main viele Alleinstehende. Wir sind in großen Teilen eine Singlestadt oder eine Stadt von Paaren, also von zwei Menschen, die teilweise erheblichen Wohnraum beanspruchen. Das muss man sehen. Das sind gesellschaftliche Entwicklungen, die jenseits der Politik laufen, jedoch durch bestimmte politische Entscheidungen begünstigt. Ich sage aber, dass ein Großteil der Ursachen für heutige Situation politisch gewollt ist. Wenn ich politisch gewollt sage, dann muss ich hier eine Zahl erwähnen, die einfach nicht vergessen werden darf.
Wir hatten im letzten Jahr eine Einwanderungszahl von ungefähr einer Million Menschen, die nach Deutschland gekommen sind. Der größte Teil davon geht in die Großstädte. Eine Million in einem Jahr! Das ist eine Zahl, die Sie nachprüfen können. Wenn diese Menschen zum Großteil in die Großstädte strömen, dann stellt sich natürlich die Frage, wie der erhöhte Bedarf an Wohnraum gedeckt werden kann.
(Zurufe)
Es ist eine Tatsache, dass diese starke Zuwanderung stattfindet.
(Beifall)
Ich kritisiere hier nicht die Zuwanderung, ich sage nur, dass das eine Tatsache ist. Wenn es eine Tatsache ist, dann führt das auch dazu, dass sich bestimmte Situationen verändern und natürlich eine Verknappung stattfindet. Diese Menschen wollen irgendwo wohnen. Sie wohnen auch irgendwo und das führt zu bestimmten Prozessen. Wir haben - das hat der Dezernent vorhin schon gesagt - aufgrund der Finanzkrise und dieser ganzen Unsicherheiten eine Flucht in Immobilien, und wir haben schon zum ersten Mal das, was hier auch prophezeit wird, dass infolge der Finanzkrisen inflatorische Tendenzen auftauchen, und das passiert auf dem Wohnungsmarkt.
(Beifall)
Hier können Sie schon sehr viel besser beobachten, was passiert. Das sind die Investitionen, die getätigt werden. Von denen, die jetzt sozusagen ihr Geld in Sicherheit bringen, die investieren wollen. Da kommen viele Investoren aus dem Ausland. Ich habe diese Frage gestellt, und der schriftlichen Antwort konnte ich entnehmen, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mitgeteilt werden könne, inwieweit Leute aus Spanien, Italien und anderen Ländern, Krisenländer, also Wohlhabende, auch in Frankfurt investieren.
Aber worin investieren diese Menschen? Die investieren nicht in niedrigpreisige Wohnungen, sondern in hochpreisige und luxuriöse Wohnungen. Das sind die Tatsachen. Natürlich ist auch ein Schwund an Sozialwohnungen politisch gewollt. Ich gehe einmal so weit zu sagen, dass die ABG nicht das geringste Interesse hat, in diesem großen Ausmaß in sozialen, geförderten Wohnungsbau zu investieren, weil man unter der Hand - das ist eben die Unehrlichkeit, die auch in diesem Land breit regiert - auch eine bestimmte Klientel nicht haben will oder zumindest nicht in dem Maße haben will. Man möchte Leute haben, die relativ gut verdienen und ihre Steuern zahlen. Man kann das kritisieren, aber es wird gemacht. Ich denke, die ABG ist nicht Willens, diesen Kurs sonderlich zu verändern.
(Beifall)
Noch eine Sache halte ich für sehr wichtig. Wir haben aus dem Jahr 2010 nach dem Mikrozensus Zusatzerhebungen des Statistischen Bundesamtes. In Frankfurt werden 18,1 Prozent der Wohnungen von Eigentümern bewohnt. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. In Italien haben 85 Prozent der Menschen Immobilieneigentum. Wir haben in Deutschland eine beschämend niedrige Quote an Eigentum an Immobilien. Wir sind sozusagen ein Volk von Mietern, und Mieter sind abhängig. Ich denke, hier hat die Politik schon über viele Jahre die Weichen falsch gestellt. Deswegen steht auch in unserem Programm, dass wir das Wohneigentum fördern.
Die Dinge werden keineswegs so leicht zu lösen sein, wie sich das manche vorstellen, schon gar nicht durch Reden in der Stadtverordnetenversammlung. Entschieden wird diese Frage ganz woanders, nämlich da, wo Menschen die Sache anpacken. Auch das möchte ich noch sagen: So schlechte Erfahrungen hat man mit der Marktwirtschaft nicht gemacht. Marktwirtschaft oder freier Markt ist keineswegs das Allheilmittel, aber wer will noch einmal Verhältnisse wie in den realsozialistischen Ländern haben, wo die Altbauwohnungen verkommen sind und wo die Plattenbauten die Neubauwohnungen waren? Und wenn ich noch einmal erinnern darf, es gab auch einmal in diesem Land eine „Neue Heimat“ - wir wissen allerdings, was aus der geworden ist.
Danke schön!
(Beifall)