Die künftige „Frankfurter Allgemeine Rundschau“

Was steckt hinter der Weiterführung der Pleite-Zeitung?

Die künftige „Frankfurter Allgemeine Rundschau“
Creative Commons Wikipedia - Philipp Gross


Die „Frankfurter Rundschau“ (FR), wie es sie fast 70 Jahre gegeben hat, ist wirtschaftlich gescheitert. Trotzdem wird sie – wie lange auch immer – unter dem traditionsreichen Titel weiter erscheinen, selbstverständlich mit „linksliberaler“ Ausrichtung. Dabei ist das gar nicht selbstverständlich, denn die von linken und ganz linken Lesern so geschätzte Pleite-FR wird ausgerechnet von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und der Frankfurter Societät GmbH gerettet, beides eher konservative Unternehmen. Irritiert wird sich manch einer fragen, was hinter dieser Rettung einer „linksliberalen“ Zeitung durch solche Kreise stecken mag.

Bevor ich Antworten darauf zu geben versuchen werde, muss aber erst einmal daran erinnert werden, dass über 400 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren und lediglich 28 Redakteure vom neuen Arbeitgeber übernommen werden. Will man das etwas zugespitzt formulieren, könnte die Überschrift lauten: „Die Malocher gehen, die Agitatoren bleiben“. Spannend ist dabei, welche Redakteure übernommen werden und welche nicht. Noch spannender ist aber sicherlich die Antwort darauf, warum ausgerechnet die FAZ ihren ökonomisch erledigten langjährigen Konkurrenten auf dem Frankfurter und nationalen Markt wiederbeleben will.

Einer der FAZ-Herausgeber begründet das in der heutigen Ausgabe so: „Denn eine offene Bürgergesellschaft lebt von der Vielfalt der Meinungen. Eintönigkeit ist ihr fremd.“ Das klingt sehr nett und demokratisch, vielleicht glaubt der Verfasser sogar ein wenig selbst an das, was er da schreibt. Doch die wahren Motive dieser überraschenden Wendung im FR-Drama werden damit keineswegs offenbart. Die sind vielmehr eindeutig ökonomischer Natur: Die neuen Herren der Zeitung sichern sich nämlich nicht nur die Titelrechte, sondern Abonnentenkartei und die Anzeigenkunden der alten FR. Das ist ein immer noch recht wertvoller Schatz, den die FAZ-Strategen nicht anderen, zum Beispiel der politisch der FR verwandten Süddeutschen Zeitung, überlassen wollten.

Wer die Abonnentenkartei und die Anzeigenkunden hat, aber einen Teil der Redakteure, alle Verwaltungsangestellten und Arbeiter los ist, der hat auf jeden Fall ein profitables Geschäft gemacht. Und er weiß auch: Soweit reichen Solidarität mit den entlassenen Kollegen und journalistischer Wahrheitssinn der 28 übrig gebliebenen „linksliberalen“ Redakteure gewiss nicht, dass diese in den nächsten Tagen oder Wochen ihren kritischen Lesern den wahren Hintergrund der FR-Rettung analysieren werden. Man kann darüber spekulieren, was die FAZ-Strategen wirtschaftlich und publizistisch künftig mit der eroberten FR vorhaben. Einiges, ja viel spricht für einen geplanten längeren Sterbeprozess der Zeitung, um sich die Mehrzahl der Abonnenten und Anzeigekunden langsam, aber beharrlich auch langfristig zu sichern.

Es könnte aber auch ein etwas zynisches Kalkül mit im Spiel sein, wonach sich die ökonomisch wesentlich stabilere FAZ eine preiswert zu produzierende „linksliberale“ Spielwiese leistet, die nach dem Abschütteln teurer personeller Belastungen „Vielfalt“ in den Medien der „Vielfalt“-Metropole suggerieren soll, wo doch in denselben längst allüberall politische korrekte Einfalt regiert. Tatsache ist: Alle drei in Frankfurt erscheinenden „Qualitätszeitungen“, also auch die Frankfurter Neue Presse, erscheinen von nun an im gleichen Verlag, nämlich der Societät GmbH. Die Meinungsmacht der Herren dieses Verlags ist in der Stadt und der Rhein-Main-Region nahezu unumschränkt.

Das wird auch politisch nicht folgenlos bleiben – fragt sich nur, in welcher Weise. Warten wir ab, welche Antworten die Realität uns bescheren wird. Allzu viel Optimismus ist aber nicht angebracht, denn die jetzige Entwicklung könnte in einigen Jahren mit einer liberal-linkskonservativen „Frankfurter Allgemeinen Rundschau“ enden.

 
Wolfgang Hübner, 1. März 2013

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