Der Bluff der Römer-Koalition
Eine Analyse des Haushaltssicherungskonzepts 2013

Nachdem die Koalition aus CDU und Grünen am 22. Februar ihr lang erwartetes „Sparpaket“ öffentlich präsentierte, konnte sie ein sehr wohlwollendes Echo in den Medien registrieren. Denn endlich hatte die Haushaltskommission aus Kämmerer Becker (CDU), Bürgermeister Cunitz (Grüne) sowie den Fraktionsvorsitzenden von CDU und Grünen ihre Geheimniskrämerei beendet. Der Lohn waren Zeitungsüberschriften wie: „Frankfurt beschließt Sanierungspaket von rund 80 Millionen Euro“. Ein Kommentator schrieb gar: „Der Vorschlag der Frankfurter Etatkommission ist ein kleines Meisterstück im Machthandwerk“
Falls auch der politische Bluff zum Machthandwerk zählt, braucht der Kommentator sein Urteil nach der Analyse des seit wenigen Tagen vorliegenden Haushaltssicherungskonzept (HSK) nicht zu revidieren. Denn tatsächlich ist es der schwarz-grünen Koalition in gelungen, Einsparwillen und Einsparentscheidungen so geschickt zu simulieren, dass der oberflächliche Betrachter von diesem nicht mehr für möglich gehaltenem Mut zu unpopulären Maßnahmen beeindruckt werden kann. Wer sich allerdings in die 113 Seiten mit Anlagen des HSK vertieft, dem sind Ernüchterungen zuhauf gewiss.
Wagen wir also einen näheren Blick in das HSK, das schon allein wegen seines Umfangs eine wenig vergnügliche Lektüre ist. Aber vergnüglich muss es ja auch nicht sein, sich mit der finanziellen Situation und Perspektive der Stadt Frankfurt zu beschäftigen. Wer also 113 Seiten tapfer hinter sich gebracht hat, wird mit großer Spannung in den Anlagen 3 und 4 nachlesen wollen, was denn nun die schwarz-grüne Haushaltskommission beschlossen hat, vor allem aber: welche Haushaltsentlastungen damit im Jahr 2013 verbunden sein sollen. In der Tabelle zum Ergebnishaushalt wartet die erste große Ernüchterung: Es gibt keine, nicht eine einzige Entlastung, die mittels einer echten Einsparung erzielt wird. Denn die 25,9 Millionen, die in Summe weniger ausgegeben werden sollen, resultieren aus lediglich drei Positionen, die entweder aus der Erhöhung der Grundsteuer (geplante 15,62 Millionen Euro), der Erhöhung der Standmieten auf dem Weihnachtsmarkt (geplante 175.00 Euro) sowie aus einem Einmalzuschuss des Landes Hessen für Kitas (10,1 Millionen Euro) bestehen.
Da sowohl die höhere Grundsteuer wie auch die höheren Standmieten auf die Eigentümer und Mieter bzw. Käufer des Weihnachtsmarkts umgelegt werden, „spart“ die Römer-Koalition im Ergebnishaushalt nur auf Kosten der Steuerzahler, die selbstverständlich auch die Quelle des Zuschusses der Landesregierung sind. In der Anlage 4 des HSK sind die Beschlüsse der Haushaltskommission bei der Reduzierung des Investitionsprogramms aufgelistet. Hier fällt sofort auf, dass bei den gerade heftig diskutierten, weil gestrichenen Projekten „Romantikmuseum“ und „Quast-Theater im Paradieshof“ weder im Jahr 2013 noch in den Folgejahren bis 2016 auch nur ein Cent Haushaltsentlastung realisiert wird! Denn für beide Projekte waren im Haushaltsentwurf 2013 keinerlei Gelder eingestellt gewesen. Und da die Projekte nunmehr vom Tisch sind (was sich aber noch ändern kann), entstehen folglich auch künftig keine Kosten für die Stadt damit.
Ebenso auffällig wie die vielen Nullen bei „Paradieshof“ und „Romantikmuseum“ ist die gewaltige Zahl von 51,4 Millionen Euro, die als „Globale Minderausgabe“ im Dezernat IV vermerkt ist. Dieses Dezernat IV ist für Bildung und Frauen zuständig, nach wie vor in grüner Hand. Kein anderes Dezernat muss im Investitionsprogramm einen auch nur annähernd hohen Beitrag zur Haushaltsentlastung leisten. Die Folgen werden sein: Schulneubauten finden nicht statt, fällige Renovierungen unterbleiben, Schultoiletten verkommen, notwendige Kitas werden verzögert. Im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen von 2011 und in der tagtäglichen politischen Propaganda von der Wichtigkeit der Bildung für die Integration hört sich das alles ganz anders an.
Die andere bedeutsame Haushaltsentlastung im Investitionsprogramm betrifft die Verschiebung des Neubaus Klinikum Höchst. Doch in diesem wie auch anderen Fällen (Neugestaltung Platz um den Hauptbahnhof, Sanierung Grüneburgpark) ist aufgeschoben ja nicht aufgehoben. Das betrifft auch den Bolongaropalast in Höchst, der zwar 2013 noch keine Entlastung bringt, wohl aber in den Folgejahren und erst 2016 – da ist nämlich wieder Kommunalwahl – angeblich saniert werden soll. Insgesamt kalkuliert die Haushaltskommission im Investitionsprogramm 2013 mit einem um 87,5 Millionen Euro verringerten Finanzmittelbedarf, 2014 aber nur noch mit 39,5 Millionen Euro und 2015 gar mit gar keiner Entlastung mehr. Wie gesagt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Zusammenfassend lässt sich zu den Beschlüssen der Haushaltskommission feststellen: Die vier Mitglieder haben im Ergebnishaushalt Entscheidungen getroffen, die fast ausschließlich Mehrbelastungen für die Bürger zur Konsequenz haben; im Investitionsprogramm werden Projekte, die der Bildung dienen, in völlig unverhältnismäßiger Weise reduziert und das für den Westen Frankfurts so wichtige „Leuchtturmprojekt“ Sanierung des Bolongaropalasts wurde nach dem Motto „Versprochen, Gebrochen“ in ferne Zukunft geschoben.
Die vom hessischen Innenminister bereits mehrfach angemahnte Überprüfung der freiwilligen Leistungen der Stadt Frankfurt, nämlich überprüft darauf, ob für diese ein zwingendes öffentliches Bedürfnis geltend gemacht werden könne, wurde einmal mehr ignoriert. Es wird lediglich auf Seite 109 des HSK darauf verwiesen, dass mit dem Haushaltssicherungskonzept des Vorjahres 2012 eine umfassende „Übersicht der pflichtigen und freiwilligen Leistungen“ vorgelegt wurde. Dann heißt es: „Diese Übersicht bietet eine Grundlage für die Ermittlung von freiwilligen Leistungen, auf deren Erbringung möglicherweise verzichtet werden kann oder deren Umfang reduziert werden könnte. Auch hierfür gilt es, in der Reformkommission entsprechende Vorschläge zu entwickeln.“ Mit anderen Worten: Die Reformkommission, die personell der Haushaltskommission entsprechen dürfte, hat in Bezug auf Prüfung der freiwilligen Leistungen nichts, absolut nichts getan, geschweige denn entschieden!
Um sich das ganze Ausmaß dieser politischen Arbeitsverweigerung zu vergegenwärtigen, müssen einige Zahlen genannt werden, die aus der 2012 präsentierten Übersicht der freiwilligen und pflichtigen Leistungen des Magistrats resultieren und die 2013 nur marginal verändert sein dürften: Die Stadt Frankfurt vergibt freiwillige Leistungen an 494 verschiedene Empfänger – von kleinen Beträgen bis zu Millionensummen. Ferner gibt es 469 Pflichtleistungen Frankfurts, deren Höhe aber im Ermessen der Stadt liegt. Folglich hatte und hat die Reformkommission 963 Möglichkeiten der Überprüfung von Leistungen gemäß der Vorgabe der Kommunalaufsicht.
Da keine dieser Möglichkeiten genutzt wurde, bleiben nur zwei Schlüsse: Entweder hat sich die Reformkommission mit dem Thema der freiwilligen Leistungen überhaupt nicht befasst - - oder aber ganz bewusst nicht befassen wollen. Alles deutet auf letzteres hin. Denn es ist zweifellos politisch bequemer, die Bürger insgesamt zu belasten (Erhöhung der Grundsteuer) als bestimmten Gruppen und Klientels, die auf Kürzungen oder Streichungen stets mit lautstarken Protesten zu reagieren pflegen, etwas zu entziehen. Eine Gruppe, von der das allerdings nicht befürchtet wird, sind behinderte Menschen, denen die Haushaltskommission ab 2014 eine Million Euro für den Beförderungsdienst streichen will.
Nachdem nun das Ergebnis der Haushaltskommission als ein teurer, weil auf Kosten der Bürger inszenierter Bluff nachgewiesen wurde, soll untersucht werden, wie es tatsächlich mit der beschlossenen Konsolidierung des Etats um 50 Millionen bestellt ist. Aufschluss darüber gibt die Anlage 2 des HSK. Die Tabelle auf dieser Anlage ist allerdings ohne intensive Recherchen nicht zu verstehen, was auch Absicht sein könnte. Denn der genauere Blick auf die tatsächliche Situation bei den Konsolidierungsvorgaben für 2013 verbreitet nicht nur Ernüchterung, sondern lässt auch hier Bluff vermuten.
Von den angestrebten 50 Millionen sind im Entwurf des Haushalts 2013 nämlich nur 14,7 Millionen Euro auch schon konkret in Kürzungen umgesetzt worden. 20,8 Millionen sind noch im endgültigen Etat umzusetzen, wobei hierbei angeblich Pläne der Dezernate vorliegen sollen, wie die anteiligen Beträge jeweils wirksam werden. Wie nebulös allerdings dieses Pläne sind, zeigt das Dezernat Bildung und Frauen: Es ist völlig offen und soll wohl auch offen bleiben, wie die 8,2 Millionen Euro des Sparbeitrags dieses Dezernats aufgegliedert sind. Bei anderen Dezernaten ist das nicht anders. Stadtverordnete, die dem Haushalt zustimmen, wissen also überhaupt nicht, welche konkreten Folgen ihre Entscheidung haben wird! Und für die restlichen 14,4 Millionen Euro der pauschalen Konsolidierungsvorgabe gibt es eine Woche vor der Schlussabstimmung über den Haushalt 2013 noch keinerlei Pläne der säumigen Dezernate darüber, wie sie ihren Beitrag leisten wollen und können.
Spitzenreiter ist hierbei das das von einem CDU-Politiker geführte Dezernat Kultur und Wissenschaft mit 6,58 Millionen Euro. Aber auch Wirtschaft und Sport (3,13 Millionen) und Umwelt und Gesundheit (2,86 Millionen) sollen sich noch Kürzungsmöglichkeiten einfallen lassen – allerdings erst nach Verabschiedung des Haushalts. Ob dann allerdings noch etwas geschieht, werden die Stadtverordneten wie auch die Bürger erst bei der wesentlich später vorgelegten Schlussabrechnung des Haushaltjahres 2013 erfahren. Doch dann ist natürlich nichts mehr zu ändern. Es bleibt festzustellen: Von der pauschalen Konsolidierungsvorgabe 2013 über 50 Millionen Euro werden nur 14,7 Millionen ganz sicher, 20, 8 Millionen geplant und 14,4 Millionen vielleicht, vielleicht aber auch nicht eingelöst. Damit ist übrigens noch gar nichts gesagt über die Qualität, Nachhaltigkeit und Wahrhaftigkeit der tatsächlichen oder geplanten Einsparmaßnahmen.
„Notsanierung auf Kosten der Mittel- und Kleinverdiener“ hat die FW-Fraktion ihre erste Stellungnahme vom 24. Februar zu den Beschlüssen der Haushaltskommission und der dominierenden schwarz-grünen Koalition übertitelt. Diese Einschätzung muss nicht revidiert, aber ergänzt werden. Denn zu jenem Zeitpunkt lag das Haushaltssicherungskonzept noch nicht der Fraktion vor. Nach Studium dieses Textes muss nicht nur von einer keine schlüssige politische Konzeption vermittelnden „Notsanierung“ gesprochen werden, sondern eben auch von dem mehrfachen Bluff einer Koalition, die nicht unerwartet gerade zu dem Zeitpunkt ins Stolpern gerät, da die Rücklagen aus ganz wenigen fetten Einnahmejahren versiegen. Das ist nun der Fall.
2014 und die folgenden Jahre werden für das Bündnis von CDU und Grünen aus finanzpolitischen Gründen sehr schwierig, denn der Speck, von dem sich zehren ließ, ist weg. Schon jetzt rufen deshalb immer mehr Stadtverordnete und Ortsbeiräte der Grünen, gemeinsam mit SPD und Linkspartei, nach der Anhebung der Gewerbesteuer, um sich neue Einnahmequellen zu sichern. Sollte die CDU – gegen alle Erwartungen – diesem Druck widerstehen, dann könnte das Ende der Koalition noch vor dem Ende der Wahlperiode im Jahr 2016 kommen. Der Bluff mit den Zahlentricksereien des Jahres 2013 wird sich jedenfalls nicht beliebig wiederholen lassen – dafür wird schon die FW-Fraktion sorgen.
Wolfgang Hübner