Ziehen Sie endlich die Konsequenzen, Herr Aiwanger!

Offener Brief an den Bundesvorsitzenden der FREIEN WÄHLER-Partei

Ziehen Sie endlich die Konsequenzen, Herr Aiwanger!
© Foto R. Sawicki

Sehr geehrter zweifacher Bundesvorsitzender Hubert Aiwanger,

mit Datum vom 1. April 2013 haben sie den Mitgliedern der FW-Bundesvereinigung, also auch mir, eine aktuelle Information übermitteln lassen. Dieser entnehme ich, dass Sie und offenbar auch der Bundesvorstand allen Ernstes immer noch die Beteiligung an der Bundestagswahl am 22. September 2013 anstreben. Nach den letzten Entwicklungen, die in dem spektakulären Abgang ihres „designierten“ Spitzenkandidaten Stephan Werhahn einen vorläufigen negativen Höhepunkt hatten, kann das Festhalten an dieser Wahlbeteiligung nur ein ebenso sinnloser wie mutwilliger Verschleiß an menschlichem Einsatz und Idealismus, als Verschwendung finanzieller Mittel und als bewusste Zersplitterung der eurokritischen Kräfte zum Nutzen des etablierten Parteienblocks gewertet werden.

Mit der Bildung der „Alternative für Deutschland“, die in kürzester Zeit an Mitgliederzahl die wesentlich länger bestehende FW-Partei überholt hat und von vielen hervorragenden Persönlichkeiten getragen und unterstützt wird, formiert sich eine politische Kraft, die in jeder Weise mehr Wahlchancen hat als eine FW-Partei, der wenige Monate vor der Wahl der von Ihnen eigenmächtig ernannte Spitzenkandidat von der Fahne geht, die gerade in den Großstädten Hamburg und Berlin etliche Aktivisten und Kandidaten verloren hat, die derzeit Mitglieder einbüßt statt gewinnt und deren Vorsitzender, also Sie, Herr Aiwanger, von vielen Seiten wegen seines selbstherrlichen und autokratischen Stils angegriffen wird. Inzwischen sind zudem Fakten öffentlich geworden, die nicht nur Ihre politische Führungsfähigkeiten, sondern auch Ihre charakterliche Integrität in ein schlechtes Licht rücken.

In Ihrer Mitgliederinformation ist der erste Punkt die „Erfreuliche Finanzsituation der Bundesvereinigung“. Mit Speck fängt (oder fesselt) man Mäuse – das ist wohl der Sinn der Mitteilung dazu. Sie machen auch im weiteren Schreiben noch nicht einmal den Versuch einer politischen Begründung für das Festhalten an der Teilnahme zur Bundestagswahl. Haben Sie dafür keine politischen Argumente? Oder glauben Sie, die Mitglieder seien auch weiterhin bereit, Ihnen blind in das Abenteuer Bundestagswahl zu folgen? Wie Sie schon wissen, gehöre ich nicht dazu. Es ist eine unglaubliche Anmaßung von Ihnen, in einer solch krisenhaften Situation der FW-Bundesvereinigung keinerlei politische Analyse vorzulegen. Aber das passt zu Ihrem Verhalten, die Mitglieder niemals in den letzten Monaten sachlich und ehrlich über den Stand der Kooperation mit der „Wahlalternative 2013“ informiert zu haben.

Es ist – auch in Anbetracht ihres autoritären Führungsstils - ganz allein Ihre Verantwortung, dass die „Wahlalternative 2013“, die in bester Absicht die FW-Partei unterstützen wollte, gezwungen wurde, selbst eine Parteigründung vorzunehmen. Damit haben sie langfristig großen Schaden für die Freien Wähler in den Kommunen, Kreisen und Bundesländern verursacht, weil überall dort künftig auch Organisationen der „Alternative für Deutschland“ entstehen werden. Offenbar haben Sie geglaubt, mit den klugen, kooperationswilligen und keineswegs machtgierigen Repräsentanten der „Wahlalternative 2013“ so umgehen zu können wie mit den Mitgliedern des Bundesvorstands und den meisten Mitgliedern der Bundesvereinigung – eine totale Fehleinschätzung mit Folgen.

In Ihrer Mitgliederinformation erörtern Sie unter Punkt 4 „Abgang Werhahn und weitere Negativpresse der letzten Tage“. Ich vermisse in den oberflächlich-selbstgerechten Ausführungen dazu von Ihnen jegliche selbstkritische Reflektion. Dabei waren es doch Sie es ganz allein, der einen Herrn Werhahn plötzlich aus der Tasche gezaubert hat und als „Adenauer-Enkel“ zum Wählermagneten machen wollte! Dabei waren es doch Sie es ganz allein, der auf der Mitgliederversammlung in Wolfsburg in selbstherrlicher Ignoranz der Tagesordnung Herrn Werhahn per Akklamation zum „designierten Spitzenkandidaten“ für den Bundestagswahlkampf ausgerufen haben! Warum stellen Sie sich nicht der Verantwortung für diese Fehlentscheidung? Und über die Art und Weise, wie in der Mitgliederversammlung von Geiselwind der Mitgliederbeschluss zur Teilnahme an der Bundestagswahl ohne jede Diskussion und ohne jede Bereitschaft zur Diskussion zustande kam, wäre auch noch einiges zu sagen – ich war schließlich Augen- und Ohrenzeuge.

Ich habe Sie, Herr Aiwanger, früh kennengelernt und als außergewöhnliches politisches Talent eingeschätzt. Damit lag ich auch keineswegs falsch, Sie haben schließlich die FW in Bayern zu einem historischen  Erfolg geführt. Aber Sie haben schon bald danach vergessen oder nicht mehr wissen wollen, dass dieser Erfolg nicht nur Ihnen zu verdanken war. Das war schon keine gute Entwicklung. Es war erst recht keine gute Entwicklung, das Thema Euro-Kritik nicht ernsthaft, sondern aus einem bestimmten Machtkalkül anzupacken. Wäre es anders, wäre niemals die Kooperation mit der „Wahlalternative 2013“ gescheitert. Ich sage heute ganz klar: Dieses Thema hat Sie nie wirklich interessiert – gereizt hat sie nur die Möglichkeit, damit Wähler zu gewinnen. Mit dieser Einstellung sind Sie keinen Deut besser als die Parteien und Politiker, die Sie in Ihren Bierzeltauftritten recht publikumswirksam herunter zu putzen pflegen.

Es gibt in Deutschland viele zehntausende Freie Wähler, die in ihrer oft opfervollen Arbeit für ihre Gemeinden, Kreise und Städte einen besseren, glaubwürdigeren Repräsentanten verdienen als Sie. Treten Sie deshalb als Bundesvorsitzender des Bundesverbandes der Freien Wähler so schnell wie möglich zurück! Machen Sie den Weg frei für eine unbelastete Persönlichkeit! Stellen Sie sich auf der kommenden Mitgliederversammlung der FW-Bundesvereinigung in Berlin am 11. Mai als Vorsitzender mitsamt dem gesamten Vorstand einer Neuwahl!

Jeder weitere Tag mit Ihnen an der Spitze dieser beiden Organisationen ist ein schädlicher Tag für die Freien Wähler von Flensburg bis Konstanz, von Aachen bis Görlitz. Und damit das klar ist: Wenn Sie nicht gehen, werden etliche gehen, die das nicht ertragen. Ich gehöre dazu.


Wolfgang Hübner

Mitbegründer und ehem. langjähriger Vorsitzender der FREIEN WÄHLER in Frankfurt/Main
Stellvertretender Vorsitzender der FREIEN WÄHLER e.V. in Frankfurt/Main
Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER im Römer seit 2001


Frankfurt am Main, 4. April 2013

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