Die neue Bürgerpartei muss konservative Themen berücksichtigen

Die „Freien Wähler“ sollten sich bei der „Alternative für Deutschland“ einbringen


Es war ein Auftakt nach Maß, als die „Alternative für Deutschland“ am 11. März in die Oberurseler Stadthalle geladen hatte. Als Besucher dieser ersten großen Informationsveranstaltung konnte man nur beeindruckt sein, war doch im Vorfeld überhaupt nicht einschätzbar gewesen, ob die Halle auch nur annähernd gefüllt würde. Es wurden alle Erwartungen übertroffen. Da im Saal kein Sitzplatz mehr vorhanden war, musste die Empore geöffnet werden, und auch dort wurden bald selbst die Stehplätze Mangelware. Bis in das Foyer standen Interessierte und lauschten Bernd Lucke, Joachim Starbatty und Konrad Adam.

Besucher sprachen von einem „historischen Moment“ und von „Aufbruchstimmung“.

Auch die Presse konnte diesen Beginn einer neuen politischen Formation nicht verschweigen und so fanden sich bald zahlreiche Berichte und Kommentare, von blu-news über die BILD-Zeitung bis zur Frankfurter Allgemeinen.

Die zu erwartenden Reaktionen des linken und EU-gläubigen Meinungsmainstreams ließen nicht lange auf sich warten. Auf altbekannte Weise wurde der „Rechtsradikalismus“-Verdacht gestreut. Zum einen hoffte man, dass dadurch bereits frühzeitig ein Makel an der neu entstehenden Partei haften bleiben könnte. Zum anderen waren die Andeutungen auch als Drohung zu verstehen. Frei nach dem Motto: Wir können auch anders, wenn ihr es wagen solltet, an heiklen Themen zu rühren, die unsere Politik in Frage stellen.

In der Tageszeitung „Die Welt“ wurde von Günther Lachmann schon einmal deutlich die weitenteils rhetorisch gemeinte Frage nach dem „Rechtsradikalismus“ in den Raum geworfen. Verwiesen wurde darin auf einen Bericht bei tagesschau.de, also aus dem mit Zwangsgebühren finanzierten Staatsfernsehen, in dem Verbindungen zu nicht näher genannten „rechtsradikalen Kreisen“ suggeriert wurden. Philipp Wittrock durfte bei „Spiegel Online“ das härtere Geschütz auffahren und titelte gleich vom „Aufmarsch der Euro-Hasser“ und einem möglichen „Sammelbecken für Rechtspopulisten“. Das bediente natürlich alte Feindbilder, denn bekanntlich wird der militärische Begriff „Aufmarsch“ in der Presse vor allem für Demonstrationen der NPD verwendet. „Spiegel Online“ dient mittlerweile offenbar bestens zur Verbreitung linker Agitation, und so durfte der unvermeidliche Jakob Augstein ebenfalls dort eine Polemik veröffentlichen, in der er dem bürgerlichen Protest mehr oder minder Nähe zu den „Braunen“ nachzusagen versuchte.

FOCUS-Korrespondentin Margarete van Ackeren konnte das nicht überbieten, aber immerhin der neuen Partei das Prädikat „gefährlich“ anhängen. Anderes ist von einer Journalistin, deren Arbeit unter anderem darin besteht, Kanzlerin Merkel auf ihren Reisen zu begleiten, allerdings auch kaum zu erwarten.

Man kann diese kleinen Angriffe als Auftaktscharmützel einer Propagandaschlacht werten, mit der der etablierte Medien- und Parteienblock seine Pfründe und Positionen zu verteidigen versuchen wird. Sie sind allerdings auch ein Vorgeschmack darauf, welche Geschütze erst aufgefahren werden, wenn die „Alternative für Deutschland“ eine noch sehr viel akutere Bedrohung für den etablierten Parteienblock werden sollte. Zudem bestehen weitere (alte) Risiken für die neue Partei: Das Einschleusen von „agent provocateurs“, der Eintritt von bereits mehrfach parteipolitisch gescheiterten Querulanten und Selbstdarstellern, das Totschweigen durch die alten Medien.

Es gilt in dieser heiklen Lage die richtige Balance zu finden zwischen dem Fingerspitzengefühl im Aufgreifen kontroverser Themen und der Anpassung an überkommene politische Stile. Es geht also darum, weder in Wirtshausgepolter noch in Hasenfüßigkeit zu verfallen, sondern Selbstbewusstsein zu zeigen. Wer sich auf das seit Jahrzehnten laufende Spiel der herrschenden Politik- und Medienkreise einlässt, also Angst vor dem „Rechtsradikalismus“-Vorwurf hat, sich stets mit einem Bein rechtfertigt, mit dem anderen politisch-korrekten Gehorsam übt, der hat schon verloren. Nur im Contra zu diesem alten Zeitgeist liegt die Chance auf eine Neugestaltung der Zukunft.

Allerdings hat es eine solche skeptische Haltung nicht nötig, in jene Provokationen und Rüpeleien zu verfallen, wie man sie von anderen Parteien rechts von der Mitte leider immer wieder erfahren musste. So sehr manche Straßenaktionen, beispielsweise von den „Pro“-Parteien oder der „Freiheit“ inhaltlich teils noch diskutabel gewesen sein mögen, sie haben in ihrer Form auf das gegenwärtige Wahlvolk oft eine eher abschreckende Wirkung gehabt.

Natürlich interessiert an dieser Stelle vor allem, welche Haltung die „Freien Wähler“ zu der neu entstehenden Partei einnehmen sollten. Leider wurde durch die Bundesführung der „Freien Wähler“ versäumt, die „Wahlalternative“, die ja kooperationswillig war, in angemessener Weise an den eigenen bundespolitischen Ambitionen zu beteiligen. Diese Chance wurde leichtfertig vertan. Ebenso wurde versäumt, sich eindeutiger von der etablierten Politik abzuheben. Auf einen weiteren Mehrheitsbeschaffer für eine rot-grüne Koalition haben die zahlreichen Unzufriedenen und Nichtwähler im Lande eben nicht gewartet.

Die Folgen waren fatal. Die „Wahlalternative“ hat sich als „Alternative für Deutschland“ selbständig gemacht, die Bürger laufen ihr derzeit in Scharen zu, während sich bei den „Freien Wählern“ offene Auflösungstendenzen breit machen. Die Landtagswahl in Niedersachsen endete mit einem Debakel, der ehemalige Spitzenkandidat Stephan Werhahn ist in den Schoß der CDU zurückgekehrt, und der saarländische FW-Landesverband und etliche andere Freie Wähler fordern mittlerweile offen den Rücktritt von Parteichef Hubert Aiwanger.

In dieser desaströsen Situation sollte es für die „Freien Wähler“ gelten, die Reissleine zu ziehen und auf eine Kandidatur zur diesjährigen Bundestagswahl zu verzichten. Die Chancen tendieren gegen Null, aber eine Kandidatur könnte den möglichen Erfolg der „Alternative für Deutschland“ schmälern, also eine destruktive Wirkung für die Kräfte ausüben, die sich um eine Änderung der Euro-Rettungspolitik bemühen. Die Vergangenheit zeigt, dass viele politische Projekte durch Selbstdarstellungsdrang und Starrköpfigkeit gescheitert sind. Doch die ökonomische Lage ist zu ernst, um ein solches Spiel zu unterstützen.

Deshalb ist es ein Gebot der Vernunft für die „Freien Wähler“ in die zweite Reihe zu treten, der „Alternative für Deutschland“ den Vortritt zu lassen, weil diese einfach die besseren Chancen zu einem Einzug in den Bundestag hat (auch wenn das natürlich keinesfalls sicher ist). Flexibilität ist stets auch ein pragmatisches Gebot der Klugheit, denn Inhalte der „Freien Wähler“ können auch transportiert werden, wenn die „Freien Wähler“ nun als „Juniorpartner“ versuchen, konstruktiven Einfluss auf die Politik der „Alternative“ zu nehmen.

Wolfgang Hübner hat nun bereits Gedanken zur „Geburt einer Bürgerpartei des 21. Jahrhunderts“ formuliert, über die man immerhin diskutieren kann. Die neue Partei hat sicherlich bessere Startvoraussetzungen, als viele zuvor versuchte Projekte zur Etablierung einer neuen bürgerlich-konservativen bzw. patriotischen Kraft. Zum einen ist die ökonomische Krise massiver und nicht mehr zu leugnen, zum anderen haben sich viele soziale Probleme in den letzten Jahre verschärft (von der Problematik der Islamisierung bis zur Sicherheitslage und sozialstaatlichen Fehlentwicklungen). Dann steht einer politischen Kraft heute das Internet als Alternativmedium zur Verfügung, falls die Mediensperre doch noch angezogen werden sollte.

Eine Macht, über die z.B. einst der „Bund Freier Bürger“ in den neunziger Jahren nicht verfügte. Schließlich bietet die „Alternative“ eine lange Reihe namhafter Köpfe bzw. Hochschul-Wissenschaftler, also keine Straßen- oder Bierzelt-Krakeeler. Und Wolfgang Hübner schreibt zu Recht, dass das überrascht, denn bislang war man davon ausgegangen, dass sich eine bürgerliche Partei, die den Protest rechts der Mitte aufgreift, entweder durch eine charismatische „Führer“-Figur oder durch Abtrünnige aus dem etablierten politischen Apparat bilden würde.

Richtig erkennt Wolfgang Hübner, dass es gerade in der jetzigen Aufbauphase der Partei wichtig ist, integrierend zu agieren, also unterschiedliche politische Strömungen unter einem Dach zu vereinen. Ob libertär, wertkonservativ, freiheitlich-bürgerlich, nationalbewusst, christlich-traditionell oder identitär - alle diese Strömungen können, trotz interner Differenzen, einen Platz unter dem Dach der „Alternative“ finden. Keinesfalls sollten sich die Verantwortlichen also in eine Abgrenzungs-Sackgasse treiben lassen, die ihnen die etablierten Medien und Politiker aufzuzwingen versuchen werden. Dass offene Extremisten, zwielichtige Figuren und psychisch beeinträchtigte Hobbypolitiker natürlich außen vor gelassen werden müssen, ist eine Selbstverständlichkeit.

Wie Wolfgang Hübner richtig feststellt, kann die Partei auch in ihrer sozialen Basis einen Querschnitt durch die produktiven Gesellschaftsschichten des Landes bilden. Investmentbanker und in den Sozialstaat Eingewanderte dürften sich dort kaum tummeln, aber das Spektrum kann vom arbeitslos gewordenen Facharbeiter über den um seine Rente bangenden Angestellten oder Freiberufler bis zum gebeutelten Kleinunternehmer oder dem kritischen Wissenschaftler reichen.

Dennoch wird die die „Alternative“ längerfristig nicht allein mit dem Konzept einer „Bürgerpartei neuen Typs“, das Wolfgang Hübner entwirft, begnügen können. Schon durch ihre Gegner wird sie beim Aufgreifen heißer Eisen zwangsläufig als eine Partei der „rechten Mitte“ positioniert werden. Es wird ohne die Besetzung der leeren rechten Stelle im politischen Spektrum gar nicht gehen, ein für den Wähler ausreichendes Profil zu gewinnen. Für eine weitere Partei der Linken oder der Mitte ist schlicht kein Platz mehr im politischen Angebot. Und wohin inhaltliche Konfusion führen kann, sieht man gerade am Beispiel der „Piraten“, die sich in der Krise befinden.

Ohne das Aufgreifen „rechter“ Themen also – nationale Interessen in Außen- und Wirtschaftspolitik, Kritik an der gängigen Einwanderungspolitik und Islamisierung, Beschäftigung mit Umwelt- und Stadtbildschutz, Religion und Grundwerten, Verbrechensbekämpfung, Dezentralisierung und kultureller Identität – wird man keine tiefe Änderung der gegenwärtigen Politik und nicht das bislang stumme Protestpotential erreichen. Dass die „Alternative für Deutschland“ dabei womöglich die beschriebenen Probleme in einer ganz neuartigen, modernen Form zu lösen versuchen dürfte, ist dabei natürlich nicht in Abrede gestellt.

Es gilt für die „Alternative“ nun Basisverbände aufzubauen (bei denen sie mit den „Freien Wählern“ kooperieren könnte), ein Programm zu verfassen, Plakate und Broschüren zu drucken, Wahlkampfveranstaltungen zu organisieren und – nicht zuletzt – eine Menge Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Es ist eine Mammutaufgabe, zumal der Erfolg keinesfalls sicher ist. Diese Chance muss aber jetzt ergriffen werden, um den Tendenzen der EU-Bürokratie zur Zentralisierung und Entdemokratisierung noch etwas entgegen setzen zu können. Die „Freien Wähler“ sollten dabei nicht abseits stehen, sondern ihre eigenen Anliegen in die neue Bewegung und Partei einfließen lassen.
 

Marlis Lichtjahr, 6. April 2013

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