Freie Wähler gegen die geplante „Nordstadt“!

FW-Ortsbeiräte haben gute Argumente gegen diesen Plan der SPD

Freie Wähler gegen die geplante „Nordstadt“!
© Marvin800


Das war der Knaller auf der Rede, die Frank Junker, als Geschäftsführer der stadtnahen Wohnungsgesellschaft ABG Holding Herr über 50.000 Wohnungen in Frankfurt, darunter 20.000 Sozialwohnungen, deren Zahl allerdings seit vielen Jahren stetig rückläufig ist, hielt: Auf dem Neujahrsempfang der Stadt Frankfurt schlug er vor, den in Frankfurt dringendst benötigten Wohnraum auf dem Acker im Norden Frankfurts zwischen Nieder-Erlenbach und Nieder-Eschbach nördlich Harheim zu schaffen. Junker ist bekanntlich ein Wendehals von der SPD zur CDU, wie auch Prof. Felix Semmelroth und der Vater von Boris Rhein. Die Idee „Nordstadt“, auf ca. 200 Hektar rund 8.000 Wohnungen für etwa 16.000 Menschen zu bauen, griff die SPD sofort auf, um Wohnungsmangel und die darauf folgende Mietpreissteigerung in Frankfurt zu mindern: Peter Feldmann, der mit diesem Thema die Wahl gegen Boris Rhein gewann, wurde ebenso Befürworter wie Klaus Oesterling, SPD-Fraktionsvorsitzender in der Stadtverordnetenversammlung.

Doch die Bürger im Frankfurter Norden finden diese Idee gar nicht so prickelnd. An die Spitze des Widerstands der Bürger setzen sich die gewählten Vertreter der Freien Wähler: Dr. Katharina v. Beckh, 2006 bis 2011 Stadtverordnete und Mitglied des Planungsausschusses sowie Mitglied im Ortsbeirat 13 (Nieder-Erlenbach) führt gleich vier Argumente gegen den Plan „Nordstadt“ ins Feld: 1. Dieses Gebiet gehört zur Wetterau, die fruchtbarste Lößböden bietet, wie sie in Deutschland nur noch in der Magdeburger Börde zu finden sind. Kürzlich sei hier ein Oberräder Kräuterbauer zugezogen, dem dort es wegen des Baues der Mainbrücke Ost zu eng wurde. 2. Diese geplante Trabantenstadt stört die Frischluftzirkulation aus dem Taunus in die Frankfurter Innenstadt, wo bei der Klimaerwärmung dann der Hitzekollaps drohe. 3. Im Umland von Frankfurt gibt’s doch noch genügend Bauland und 4. Hält der Zuzug nach Frankfurt in diesem Ausmaß an? Schließlich wachse die Zahl der Arbeitsplätze, wo man von zu Hause – wo auch immer, Stichwort „Home Office“ – per IT arbeiten könne.



(Junge Saat, Obstbäume, Nieder-Eschbach, Taunuskamm)


Die Fotos entstanden am 15. Mai entlang der Verbindungsstraße von Nieder-Eschbach nach Nieder-Erlenbach. Hier soll das Zentrum der Trabantenstadt entstehen. An einer Feldscheune, mehrere 100 Meter vom Ortsrand Nieder-Eschbachs entfernt, treffen wir die Seibolds, zu deren „Bauernhof Seibold“ mit eigenem Hofladen im Ortskern die Scheune gehört. Claudia Seibold ergänzt die Aussage von Dr. Katharina v. Beckh zu den Lößböden: „Wir kommen ohne Beregnung aus, weil wir im Gegensatz zur Magdeburger Börde genügend Niederschläge haben. Und die nächsten Kriege werden ums Wasser geführt werden.“ Interessant auch ihre Feststellung: „Unsere Familie ist hier seit dem 17. Jahrhundert.“ Würde die Trabantenstadt gebaut, wäre diese alte Bauerntradition vernichtet.

Gerhard Meier, für die Freien Wähler seit nunmehr 16 Jahren im Ortsbeirat 15 (Nieder-Eschbach), hat im „Nieder-Eschbacher Anzeiger“ vom 16.4.13 seinen Artikel „FW – Freie Wähler im Ortsbeirat 15. Meinung und Tatsachen“ veröffentlicht, aus dem hier auszugsweise zitiert wird: „Die Verwirklichung des missglückten SPD-Traumes muß verhindert werden. … Dieselben Politiker, die es seit Jahren nicht auf die Reihe kriegen, unseren Autobahnanschluss Bonames wieder zu öffnen, schwätzen davon, was für Anbindungen an die A661 möglich wären. … Die Frischluftschneise in Richtung Innenstadt hilft uns auch nicht. Ein gewiefter Politiker findet allemal einen gewieften Gutachter, der nach sorgfältiger Überprüfung herausfindet, daß die Frischluftschneise sich‘s noch mal überlegt hat und jetzt haarscharf an der neuen Bebauungsgrenze entlangführt. ... Eine solche "Trabantenstadt" wollen wir nicht. … Gerhard Meier“.

Auch seine Ortsbeiratskollegin Ingeborg Leineweber aus dem Ortsbeirat 13 (Nieder-Erlenbach) hat als dortige Besitzerin des Schreibwarenladens mit Postagentur das Ohr am Bürger. Sie spricht für die einhellige Meinung der Dorfbevölkerung: „ Den Ben-Gurion-Ring II brauchen wir hier schon gar nicht!“ Man befürchtet allgemein schlicht die Verwässerung des solide-dörflichen Milieus durch städtisches Prekariat. „Und wir müssen an unsere Kinder und Enkelkinder denken, dass unsere Landschaft nicht zersiedelt wird!“ Man habe hier zwölf landwirtschaftliche Betriebe, die dann vor dem Aus stünden.



(Über fruchtbarste Lößböden geht der Blick zum Großen Feldberg)


So hat Frau Leineweber mit Datum vom 9.4.13 zusammen mit ihren Kolleg/innen von CDU und Grünen eine gemeinsame Tischvorlage verfasst, die in der letzten Ortsbeiratssitzung verabschiedet wurde.  Sieben (4 CDU, 2 Grüne und sie) waren dafür, nur die beiden SPD-ler dagegen. Hier Auszüge aus dieser Tischvorlage, die die Argumente gegen die geplante „Nordstadt“ liefert: „Keine Trabantenstadt im Frankfurter Norden – Dörfliche Strukturen erhalten und nachhaltig ausbauen – Ziel dieses Projektes soll die zügige Schaffung von billigem Wohnraum für 16.000 Bürger sein. Der Ortsbeirat bittet die Stadtverordnetenversammlung, die von OB Peter Feldmann und der SPD-Fraktion vorgeschlagene Bebauung abzulehnen. Begründung:“ Zur Verkehrserschließung: „Die „angeblich … geeignete Umgehungsstraße von Nieder-Erlenbach (L3008)“ ist als „einzige Zufahrt … von ihrer Kapazität schon jetzt nicht mehr ausreichend“ und führt nicht in die Innenstadt, sondern „im Norden nach Bad Homburg und im Süden nach Bad Vilbel. … Die Anbindungen Richtung Nieder-Eschbach und Bonames führen … direkt in die alten Ortskerne … ; alle bisher erreichten und für die Zukunft geplanten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen würden durch diesen neuen Stadtteil gegenstandslos.“ Auch eine Erschließung durch eine U-Bahn sei schlecht möglich: „Eine Abzweigung der U2 zwischen Bonames und Nieder-Eschbach … ist wegen der jetzt schon ausgereizten Kapazität der Gleise wenig sinnvoll.“

„Für die Landwirtschaft im Frankfurter Norden käme die geplante Trabantenstadt einer Katastrophe gleich. … Gerade in den drei Stadtteilen befindet sich der größte Teil der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe Frankfurts, insgesamt sind etwa 25 Höfe betroffen. … Wenn die Ackerflächen wegfallen würden, müssten viele Betriebe aufgeben. … Darüber hinaus erfüllen die landwirtschaftlichen Flächen auch mehrere wichtige gesundheitsfördernde Erholungsfunktionen für die Stadtbevölkerung … Die landwirtschaftlichen Flächen bilden zudem eine wohlgeplante Frischluftschneise für die Frankfurter Innenstadt.“



(Nur die Salatkulturen nahe dem Hof „Taunusblick“ von Karl-Heinz Laupus müssen bewässert werden. Die Höfe hinten gehören zu Nieder-Erlenbach. Die Fallwinde vom Taunus treiben kräftig die Windräder an)


Alfred Quirin, Ortsbeirat in Harheim (14er) und Landwirt, ist vom Projekt „Nordstadt“ nicht direkt betroffen: Auf etwa 35 Hektar baut er um Harheim Futtergetreide für seine rund 300 Schweine an. Die werden auf dem eigenen Hof geschlachtet, verarbeitet und auf Frankfurter Märkten verkauft, auch auf dem guten Schillermarkt vor der Börse. Würde das Bauprojekt Bonames-Nord umgesetzt, würde er allerdings 10 Hektar verlieren. Dennoch denkt Quirin über seine eigenen Ackerflächen hinaus: „Wir gehören zur südlichen Wetterau, der Kornkammer von Hessen, gehörten vor der Eingemeindung nach Frankfurt zum Landkreis Friedberg. Also sollte man in Frankfurt erst mal die Lücken bebauen!“

Und die SPD?

Am 2.Mai 2013 kam es zu einem Streitgespräch, veranstaltet vom hessischen Radiosender hr-Info und der Frankfurter Neuen Presse vor der Hauptwache. Dort SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Oesterling: Man brauche Beides in Frankfurt: Innenentwicklung durch Umwandlung von bisher nicht für den Wohnbau genutzten Flächen und die Neuentwicklung von Flächen wie die zwischen Nieder-Erlenbach und Nieder-Eschbach. Aus seiner langjährigen Erfahrung als Kommunalpolitiker wisse er, dass es neue Ideen immer schwer haben würden. Siehe Riedberg. Nachverdichtung sei nicht positiv. Da stimme er dem Architekten Albert Speer zu. Die großen Freiflächen in den Siedlungen, die in den 1950er und -60er Jahren entstanden, sind Wohnqualität. So sei er bei Planungsdezernent und Bürgermeister Cunitz (Grüne), der gegen die Nachverdichtung in Nord- und Westend sei. Andererseits wollten die Leute in Frankfurt selbst wohnen, da hier die Kulturangebote seien und die Benzinpreise zu hoch. Das neue Wohngebiet könne man mit einem Abzweig von der U 2 anschließen. Da warf Cunitz ein, da müsse erst der Stadtbahn-Lückenschluss zwischen Bockenheim und Ginnheim her, der sehr viel koste. Oesterling weiter: Die Kaltluft folge den tiefsten Stellen, also dem Niddatal. So käme es nicht zu einer Barrikade der Frischkaltluft vom Taunus durch die geplante „Nordstadt“. Cunitz dagegen: einerseits müsse man Pendlerströme verhindern und die Zersiedlung des Umlandes, andererseits fürchteten die Bürger im Norden um die dörflichen Strukturen im Schatten einer Trabantenstadt und ihre Lebensqualität, nach Feierabend mit dem Hund über die Äcker spazieren zu gehen oder zu joggen.



(Junger Weizen bis zum Horizont, wo sich die Frankfurter Skyline abzeichnet)


So scheint es, dass Ortsbeirat Quirin Recht bekommen wird, wenn er schon heute prognostiziert: „Das hat sich erledigt!“ Denn in einem kürzlichen Treffen von Frankfurts OB Feldmann mit seinen Kollegen aus dem Umland wurden ihm attraktive Angebote gemacht, die die Vernichtung der letzten großen Freifläche auf Frankfurter Gebiet überflüssig machen wird: In Friedberg-Süd die Konversion (Umwandlung) der Ex-US-Kasernen Ray-Baracks mit 74 Hektar (ha), wo der Regionalexpress von Friedberg zum Frankfurter Hauptbahnhof nur 22 Minuten braucht! Ähnlich sieht es im Umland mit gutem S-Bahn-Anschluss aus in Offenbach (81 ha), Jügesheim-West (42 ha), Langen (22 ha). Selbst Bad Homburg bietet 2,5 ha für bis zu 400 Wohnungen auf dem zentralen Gelände der ehemaligen Vickers an. Auf insgesamt 280 ha, in bis 45 Minuten mit der S-Bahn zur Hauptwache zu erreichen, könnten 11.000 Wohnungen bis 2020 entstehen. Bauen könnte die Frankfurter ABG-Holding, deren Mittel kürzlich von 1,2 auf 1,6 Mrd. Euro aufgestockt wurden. Und die Nassauische Heimstätte, die nun über eine halbe Milliarde Euro zum Neubau zur Verfügung hat.


D. Schreiber
(Fotos: R. Sawicki)

Leserkommentare (2)

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Wohnungsmangel oder Wohnungsnot ist letzlich immer die Folge von Subventionen oder anderen sozialistischen Eingriffen in den freien Wohnungsmarkt.

Dem Verfasser sollte eigentlich bekannt sein, ein Baugebiet Bonames Ost gibt es nicht mehr. Auf Vorschlag von FREIE WÄHLER Ortsbeirat Rainer Drephal aus Nieder-Eschbach, hat der Ortsbeirat 15 zugestimmt dieses Baugebiet in Am Eschbachtal um zubenennen.Nur zur Info, dieses Gebiet liegt zu 90% auf der Gemarkung von Nieder-Eschbach.Über das vom Bonameser OB Feldmann vorgeschlagene Baugebiet am Pfingstberg brauchen wir uns nicht mehr aufregen, bereits im Januar hat der OBR 15 klar Stellung bezogen und eine Bebauung abgelehnt.Auch Kämmerer Uwe Becker hat aus Gründen der klammen Kassen eine U-Bahn Anbindung abgelehnt. Diese Strecke würde auch das Naherholungsgebiet der Nieder-Eschbacher Bürger, den Pfingstwald zerstören. Ohne Kampf würden wir eine solche Baumaßnahme nicht hinnehmen. wir haben der Stadt Frankfurt schon einmal 1972 die Stirn geboten.Es gibt noch ein paar alte Kämpfer, die diese Aktion nicht vergessen haben. Der Kollege Meier muss auch einmal zur Kenntnis nehmen, der Autobahnanschluss Bonames wird sein Wunschtraum bleiben.Wer braucht eigentlich diesen Anschluss ?
700.000 Einwohner sind auch genug für Frankfurt, wir müssen nicht den Vogelsberg und die Wetterau leeräumen.