Nach 42 Jahren: Das Ende des Volkstheaters Liesel Christ!
Der Cantate-Saal neben dem Goethe-Haus wird ausgeräumt...

So endet eine gute, alte Tradition: Am Dienstag, dem 28. Mai wird der Vorhang noch einmal herunter gelassen. Vor über 35 Jahren hatte ihn Hermann Haindl geschaffen. Links der Poirot, Symbol des Volkstheaters Liesel Christ, rechts der Schriftzug „Frankfurter Volkstheater“. Die letzte Vorstellung war am Samstag, dem 25. Mai: „Ein Käfig voller Narren“, im Hessischen bearbeitet und in einer Hauptrolle eine der Größen der Frankfurter Theaterszene, Thomas Bäppler-Wolf, der „Bäppi“, der als Transvestit gekonnt auch „Mutti“ Angela Merkel karikierte und sein eigenes „Theatralala“ an der Friedberger Landstraße betreibt. Gerne hätte er diesen Vorhang „geerbt“, doch Prinzipalin Gisela Dahlem-Christ, die ältere der Töchter von Liesel Christ, möchte ihn als besonderes Erinnerungsstück behalten.

(Ein Schwarz-Weiß-Foto, das traurig wirkt: Die leeren Stuhlreihen des nun verwaisten Cantate-Saals)
Bärbel Christ-Hess alias Schöne, ihre jüngere Schwester, bis dato die Kostümbildnerin des Volkstheaters, scheint nicht ganz so bedrückt: Trotzig sagt sie: „Wir haben uns entschlossen, am 25. Mai unsere letzte Vorstellung zu geben und dann aufzuhören.“ Ihr Mann Rainer Schöne, dessen Schwester Barbara Schöne eine erfolgreiche Schauspielerin in der Hauptstadt Berlin ist, war seit über 15 Jahren der Bühnenbildner des Volkstheaters, stattete die vier bis fünf Produktionen jedes Jahr aus. Er findet klare Worte: „Schon vor einem Jahr sollten wir hier raus. Der Cantate-Saal sei angeblich so marode, dass er abgerissen werden muss.“ Man hätte den Eindruck gewonnen, Frankfurts Kulturdezernent Prof. Dr. Semmelroth (CDU, früher mal SPD) hätte sich für nur ein einziges Mundarttheater in Frankfurt entschieden: Das des neuen Stars Michael Quast. Dieser war als künstlerischer Leiter des Frankfurter Volkstheater im Gespräch. Aber als sich der Eindruck verfestigt habe, er wolle die Geschäftsführung übernehmen, habe sich Gisela Dahlem-Christ als bisherige Intendantin diesem Ansinnen Quasts verweigert.
Rainer Schöne weiter: Bekanntlich sei inzwischen für Quasts nunmehrige „Fliegende Volksbühne“ der Paradieshof als fester Spielort an der klammen Finanzlage der Stadt gescheitert. Semmelroth wollte aber Quast nicht auf Dauer verlieren. „Und nun hat man plötzlich festgestellt, dass im Cantate-Saal alles Tip-Top ist.“ Sogar seine Unter-Denkmalschutz-Stellung sei in Sicht. Nun könne Quast doch diesen Spielort übernehmen. Rainer Schöne führte auch bittere Klage über die Frankfurter Lokalpresse: Sie habe immer nur im Sinne und aus der Sicht der Stadt, also des Kulturdezernenten berichtet. So freue er sich, wenn nun auch die Sicht der Unterlegenen in die Öffentlichkeit komme. Noch-Intendantin Gisela Dahlem-Christ abschließend: „Wir hören ganz auf und ziehen uns ins Privatleben zurück.“ Man sei ja schließlich auch schon im Rentenalter.

(Das Abschiedsprogramm...)
Und was passiert mit dem Inventar? Chefin Gisela Dahlem-Christ: „Ob’s eine Abstandszahlung gibt, wissen wir noch nicht.“ Die Bestuhlung, die Bühneneinrichtung (Boden, Beleuchtungselektrik und Technik) sollen bleiben. Doch traurig packt Gisela Dahlem-Christ schon die klassisch-schönen, von den Seitenwänden abgeschraubten Lampen ein. Der Rest soll verschenkt werden. Gisela Dahlem-Christ: „Wer uns was dafür geben will, das nehmen wir gern. Bis 13. Juni müssen wir unser Haus besenrein verlassen haben.“ Rainer Schöne: „Schon zu Ende März haben wir unsere große Halle in der Schmickstraße im Osthafen aufgelöst.“ Hier lagerte auf 1.200 Quadratmetern unter einer sechs Meter hohen Decke der komplette Fundus des Liesel-Christ-Theaters: Möbel, Kostüme, Requisiten. Alles wurde teils verkauft, verschenkt und an andere Theater abgegeben. So auch in die Naxos-Halle und das Stadttheater Gießen.

(Bärbel Christ-Hess alias Schöne füllt den Müllcontainer)
Und zum Schluss Schöne zu den Pleitegerüchten übers Frankfurter Volkstheater, die durch die Presse gingen: „Wir waren immer in den schwarzen Zahlen. Sonst hätten wir kein Geld gehabt für die nächste Produktion. Und wir hatten die gleiche Flaute an Zuschauerzahlen wie andere Theater auch.“
D. Schreiber
(Alle Fotos: Ryszard Sawicki)