Ein bunter Zug des Protestes
Augenzeugenbericht über die linke Solidaritäts-Demonstration

© Foto: R. Sawicki
Bekanntlich war die Schlussdemonstration des „Blockupy“-Bündnisses vor einer Woche schon nach wenigen hundert Metern zu Ende. Ein massives Polizeiaufgebot kesselte die Spitze des Zuges schon in der Hofstraße ein. Bis zu 1.000 militante Demonstranten des „Schwarzen Blocks“ hatten „sich nicht benommen“, wie ein Polizist dem Berichterstatter vor Ort sagte.

Bei schönem Sommerwetter sammelten sich genau eine Woche später, am Samstag, 8. Juni, schon um 11 Uhr Tausende auf dem Baseler Platz. Erfreut darüber zeigte sich ein Blockupy-Aktivist: „Erst letzten Mittwoch haben wir begonnen, unsere Idee organisatorisch umzusetzen, heute eine Soli-Demo zu machen.“ In der Presse war zuvor gemutmaßt worden, durch die Einkesselung der mutmaßlich gewalttätigen Spitze sei die Abschlussdemo der Blockupy-Tage rund um die Innenstadt von der Polizei verhindert worden. Gar von der zeitweisen Aufhebung der Grundrechte auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit war zu lesen. Auf der Stadtverordnetenversammlung letzten Donnerstag ging dann ein großer Riss durch die Schwarz-Grüne-Koalition: Die Grünen stimmten zusammen mit der Linkspartei einer Resolution der SPD zu!
So sah man auf dem Baseler Platz die Fahnen der Grünen, der Jusos, der Linken, der Piraten, der Gewerkschaften von IG Metall über Verdi bis GEW und IG BAU, der Naturfreunde. Auch ATTAC-Fahnen waren dabei. Da ging das Transparent der kommunistischen Sekte MLPD fast unter. Und auch die Fahnen der DKP waren zu erkennen. Jung und Alt freuten sich auf den Umzug. Auch die alte SPD-Genossin Ursula Trautwein, 1989 bis 1997 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Aber auch viele Türkischstämmige waren da, u.a. mit roten TKP-Fahnen. Denn Teile der großen türkischen Gemeinde Frankfurts hatte zeitgleich eine Soli-Demo mit den Landsleuten angemeldet, die, vom Taksim-Platz ausgehend, ihren Protest gegen den autoritären und islamistischen Regierungsstil Erdogans inzwischen über das ganze Land verbreiten. Das bildete dann den Abschluss des Demo-Zuges mit dem Plakat „Überall Taksim. Überall Widerstand“.

Eine letzte Ansprache vom Kundgebungs-LKW: Demo-Anmelder „Jan Umsonst“ von Blockupy so zynisch wie ironisch: „Danke an die vielen Opfer der Staatsgewalt, die gekommen sind!“ Und dann rief er noch einmal dazu auf, stets friedlich zu bleiben: „Keine Gewalt!“ Drei Mal wiederholt. Und der Appell an die Polizei: „Wir sind friedlich. Was seid ihr?“

Endlich - kurz vor halb eins - setzt sich der Zug in Bewegung. Ein riesiger bunter Lindwurm. Konfetti wird geworfen, Seifenblasen schweben über den Umzug. Clowns laufen mit.

An der Spitze ein älterer Herr im Rollstuhl mit der gelben Fahne der Flughafenausbaugegner. Und ein jüngerer Mann mit dem selbst gebastelten Schild „Schwer bewaffnet“ Viele lustig verkleidet. Ja, wo ist er denn, der „schwarze Block“? Zum Glück Fehlanzeige. Vorsichtig hatten die Blockupisten ihre Soli-Demo mit 300 Teilnehmern angemeldet. Am Paulsplatz wird vom Kundgebungs-LKW triumphierend bekannt gegeben: „Im Radio werden 8.000 Teilnehmer gemeldet!“ Am Abend im Fernsehen sprach die Polizei von 6.500, die Veranstalter von 12.000. Die Polizei ist kaum zu sehen, begleitete den Zug nur an der Spitze und stoppt den Verkehr. Und gibt lammfromm nützliche Durchsagen: „Und nun biegen wir alle nach links ab.“
Viele selbst gemachte Schilder und Transparente zeigten Kritik am Vorgehen der Staatsmacht eine Woche zuvor: „Freiheit verträgt keinen Pfeffer“, „Knüppeln auf Demonstranten bringt gar nichts für Demonstrations- und Meinungsfreiheit.“ Aber es werden auch die Schuldigen für die Ereignisse vor einer Woche benannt, der Hessische Innenminister und der Frankfurter Polizeipräsident: „Rhein und Thiel. Das war zu viel“ und sehr originell „RHEIN raus –FRANK fort“. So bekommt auch der Frankfurter Ordnungsdezernent, wie Rhein von der CDU, sein Fett weg. Rhein wird als „Handkäs-Napoleon“ verspottet, hatte er doch bei der letzten Oberbürgermeisterwahl sein Waterloo. Und: „Boris, das war ein Eigentor“. Und vom Kundgebungs-LKW: „Rhein in die Elbe: Wir brauchen dich nicht, um friedlich zu demonstrieren.“

Natürlich machte man sich auch lustig über die Auslegung der Politik, was Vermummung, passive und aktive Bewaffnung sei: Auf den vielen bunten Schirmen, nun schützen sie prima vor der sengenden Sonne, Sprüche wie: „Ich bin nur ein Regenschirm“. Diese wurden auch schon auf dem Baseler Platz von einem besonders Geschäftstüchtigen als „Waffe“ verkauft. Besonders lustig eine Frau mittleren Alters und ihr Schild: „Ich bin bewaffnet und vermummt“: Dazu abgebildet Sonnenbrille und Regenschirm. Mehrere große Styropor-„Grundgesetz-Bücher“ mit Aufschrift „Artikel 20, Absatz 4“ werden mitgeführt.
Aber auch politische Aussagen wie „Rettet Europa, nicht die Banken“, „Schirme für die Reichen, Prügel für die Armen“. „Wirtschaft und Banken sollten den Menschen dienen. Nicht umgekehrt.“Und kürzer: „Menschen vor Banken“. Und bei ATTAC: „Stoppt die Verarmungspolitik – Austerity kills“. Aber auch andere brandheiße Themen wurden angesprochen: „Eure Mode ist so fesch. Wieder Tod in Bangla Desch.“
Immer wieder stoppt der Zug für eine Zwischenkundgebung vom Kundgebungs-LKW: Am Paulsplatz zeigt sich neues Selbstbewusstsein: „Wir sind Blockupy! Wir freuen uns, dass Grüne und Sozialdemokraten dabei sind. Wir haben euch vor einer Woche vermisst!“ Begeisterungsstürme entfacht allerdings der Kabarettist Urban Priol an der Konstablerwache: Bei der Formel 1 gibt es Boxenluder gibt, die Bundeskanzlerin sei wohl ein Bankenluder!

Fazit: Bis zur Abschlusskundgebung vor der EZB am Willy-Brand-Platz bleibt alles friedlich. Es geht eben auch anders.
(Alle Fotos: R. Sawicki)