„Bislang ist zu wenig Leidenschaft für das Projekt Altstadt zu spüren.“
Interview mit Dominik Mangelmann zum Stand der Altstadt-Rekonstruktion

Der Offenbach Bauingenieur Dominik Mangelmann zählt zu den Mitinitiatoren des Wiederaufbaus der Frankfurter Altstadt. Durch sein Fachwissen ist der seit 2001 im Offenbacher Stadtparlament sitzende CDU-Politiker ein kompetenter Ansprechpartner für den Bereich des Holzbaus.
Unlängst wurden nun Pressemeldungen laut, die Teile des Projekts noch einmal in Frage stellen. Der Architekt Christoph Mäckler kritisierte, dass bei den in Holz ausgeführten privaten Rekonstruktionen durch umzusetzende Brandschutzbestimmungen nicht mehr von Rekonstruktionen geredet werden könnte. Diese seien also „Quatsch“ und womöglich besser durch die – allerdings unausgearbeiteten – modernen Alternativentwürfe zu ersetzen. Diese erneute und möglichenfalls letzte Attacke gegen das Projekt findet allerdings auch viel Widerspruch bei den Bürgern und Fachleuten. Hierzu wurde nun Dominik Mangelmann befragt:
Dominik Mangelmann, wie kann man die neuesten Angriffe Christoph Mäcklers gegen die längst beschlossenen Planungen einordnen?
Nun, Mäckler versucht sich als eine Art Stadtbaudirektor zu erweisen. Das läuft aber faktisch stets darauf hinaus, dass er seine eigenen Entwürfe favorisiert. Oder in diesem Fall Entwürfe, die seinen Richtlinien entsprechen, also ein Satteldach mit mehr oder minder glatten modernen Fassaden. Warum er nun zu diesen Äußerungen kommt, weiß ich nicht. In aller Berufung auf traditionelle Formen lehnt er dann trotzdem die konsequente Rekonstruktion ab, die dann eben doch nicht aus seiner Feder kommt und somit diese „Weiterentwicklung des modernen und doch traditionellen Bauens“ entspricht. Anders ist das nicht erklärbar.
Aber machen denn die Brandschutzbestimmungen heute Fachwerkkonstruktionen nicht unmöglich?
Solche Behauptungen sind quatsch. Auch die Sanierung eines bestehenden Fachwerkhauses kann und muss in vielen Fällen, z.B. bei öffentlichen Gebäuden, heute schließlich den Brandschutzanforderungen genügen. Mittlerweile werden sogar moderne Holzhäuser gebaut, die das spielend können. Beim „Roten Haus“ ist das übrigens am kompliziertesten, doch auch hier ist das brandtechnische Problem lösbar. Man nutzt heute Lehmgefache und Lehmputz, die die Brandgefahr für die gesetzlich nötige Zeit zur Räumung eines Hauses abfangen. Eine ordentlich gezimmerte Holzkonstruktion ist zudem sehr stabil und bricht erst nach vielen Brandstunden zusammen.
Trotz der Rücksicht auf moderne Brandschutzbestimmungen kann also weiterhin von authentischen Rekonstruktionen gesprochen werden?
Natürlich sind das Rekonstruktionen, trotz Brandschutz. Natürlich ist alles eine Glaubensfrage. Nehmen wir Mäcklers 2005 eingeweihte Alte Stadtbibliothek am nördlichen Mainufer, in der das Literaturhaus sitzt. Nach Mäcklers eigener Auffassung ist das ja eine Rekonstruktion. Dies könnte man aber, wenn man puristische Maßstäbe ansetzen will, bezweifeln. Schließlich wurden ja neue Baumaterialien verwendet, Hohllochziegel und keine kleinformatigen Vollziegel, ebenfalls vermutlich keine Holzdecken. Somit könnte man auch hier den Begriff der Rekonstruktion in Frage stellen. Dennoch akzeptiere ich das Literaturhaus als gute und richtige Rekonstruktion. Die konstruktive Thematik wurde wieder hergestellt. Das ist wie bei den Fachwerkhäusern mit ihrer Holzkonstruktion und einer modernen Ausstattung der Gefache.
Wenn dem so ist, warum dann überhaupt diese erneute Diskussion? Wer hat seine Hausaufgaben nicht gemacht?
Es ist ein Problem der Dom Römer GmbH, dass sie sich nicht ausreichend um die Details der Bauten gekümmert hat. Markt 28 hatte zum Beispiel eine gemeinsame Brandwand mit Markt 30. Somit ist hier keine eigene Brandwand nötig. Eine Forderung nach dieser ist ein Fehler in der Absprache mit der Bauaufsicht. Rechtlich könnten Markt 28 und Markt 30 ein Haus sein. Hier wurde also beispielsweise die Chance zu einem pragmatischen Umgang mit der Situation vertan.
Auf der anderen Seite ist man dort aber doch eher lax im Umgang den Baumaterialien, oder?
Ja, das betrifft die unnötige Diskussion um Leimholzbinder, die man statt echten Eichenbalken verwenden möchte. Das könnte aber langfristige technische Probleme bringen, da es sich bei Leimholzbindern üblicherweise um für Schädlinge anfälligeres Fichtenholz handelt, man aber zudem keinerlei Erfahrung über die Alterungserscheinungen der Leimfugen besitzt. Es ist unbekannt, ob sich diese vielleicht in 100 Jahren einfach auflösen. Ein Spareffekt gegenüber echten Eichenbalken ist dabei überhaupt nicht gegeben, denn Eichenstützen in horrenden Mengen sind aktuell günstig beim Internet-Auktionshaus ebay zu erwerben. Hinzu kommt, dass man für den Ausbau Gipskartonplatten verwenden möchte, also einfach gesprochen: billigen Mist.
Bei den Anwürfen gegen die Rekonstruktionen taucht immer wieder auch das Kosten-Argument auf. Sind rekonstruierte Alt- und Fachwerkbauten wirklich teurer als moderne Neubauten?
Würde man die gleichen qualitativen Maßstäbe an einen Neubau anlegen, die an Altbau-Rekonstruktionen angelegt werden, wären es die gleichen Kosten. Und künstlerische Zusatzarbeiten, zum Beispiel spezielle Schnitzereien oder Bildhauerarbeiten, kann man da nicht hereinrechnen, da diese auch anfallen würden, wenn man zum Beispiel an einem modernen Bau eine künstlerische Plastik oder Installation anbringen würde. Das Argument von der billigeren modernen Bauweise funktioniert nur deshalb, weil man dort heute die Ansprüche immer weiter herunterschraubt. Das ist aber nur kurzfristig gedacht. Langfristig könnten gerade diese Neubauten sogar ein ganzes Stück teurer werden, da man das raschere Eintreten von zu sanierenden Schäden, von Materialverschleiß oder Abrissen mit einkalkulieren sollte. Man nehme ein Beispiel aus der Praxis. Heute werden Badarmaturen im 4-stelligen Kostenbereich angeboten. Diese werden aber dann nur auf Rigipsplatten befestigt, einem Abfallprodukt der Stahlindustrie. Das ist wie das Auto, an dem man vorne mit dem Stern auf der Kühlerhaube protzt, während hinten alles verrostet. Zurück zur Altstadt: Die städtischen Verantwortlichen nehmen ja von den willigen Investoren mehr Geld ab, wollen nun aber sparen. Nun will man bei den Baumaterialien sparen, doch das Geld würde – sofern dies realisiert würde – vermutlich nur an anderer Stelle wieder ausgegeben. Man nimmt dann teures Parkett oder Laminat statt Fichte-Vollholzdielen oder investiert es in unnötig teure Badarmaturen. Schließlich muss man irgendwo die Hochwertigkeit suggerieren, die Käufer und Mieter an diesem Standort auch erwarten. Bildlich ausgedrückt nimmt man also nicht die gute, teurere Gardine von Qualität, sondern eine billigere, muss dann aber wieder Goldfransen herannähen, damit man die optischen Bedürfnisse der Käufer befriedigt. Der Einspareffekt ist dadurch Null, nur dass man eben schlechtere Qualität hat.
Wird die jetzige, offenbar letzte Attacke versanden?
Das hoffe ich. Viele Politiker reden ohne jede Fachkenntnisse, aber mit Hörigkeitsglauben. Sie lassen sich eben einfach beeinflussen. Bei der Dom Römer GmbH wünsche ich mir ein Wachsen an Fachkenntnis. Und dort ist noch ein weiteres Problem zu bemerken. Bislang ist zu wenig Leidenschaft für da Projekt Altstadt zu spüren. Hoffnung setze ich in Olaf Cunitz, Dezernent für Planen und Bauen, der möglichenfalls die Bedeutung des Projekts Altstadt besser erkannt hat und sich Fachwissen mit viel Engagement aneignet. Also, technisch kann man viel machen, insofern muss man die Hoffnung auf das Wachsen der fachlichen Einsicht setzen.
Das Interview führte Marlis Lichtjahr