„Deutschland ist Scheiße und ihr seid die Beweise!“
Eine notwendige Rede in aufgeheizter Stimmung

Der Stadtverordnete Patrick Schenk hat in der letzten Sitzung der Stadtverordneten am 6. Juni 2013 eine Rede für die Fraktion der FREIEN WÄHLER zu den Ereignissen und Diskussionen nach der „Blockupy“-Demonstration gehalten. Wir dokumentieren diese Rede ungekürzt:
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Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer eine unvoreingenommene Aufklärung will, der muss auch unvoreingenommene und nicht präjudizierende Anträge stellen. Dies ist den Anträgen der SPD und der LINKE. so leider nicht beschieden, denn sie gehen in ihrer Wortwahl schon von einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz aus. Allein deshalb finden Sie nicht die Zustimmung der FREIE WÄHLER‑Fraktion, wir lehnen die Anträge NR 625, NR 626 und NR 628 ab. Anders verhält es sich mit dem Antrag NR 627 der LINKE., den wir außerordentlich begrüßen und der unsere Zustimmung erfährt.
Warum? Es wird beantragt, dass dem zuständigen Ausschuss dieser Stadt das entsprechende Videomaterial zur Verfügung gestellt wird. Auch wenn es rechtlich bedenklich sein sollte, fordern wir dies ebenfalls und zwar aus dem Grund, weil nur dann die unvoreingenommene Aufklärung möglich ist. Jetzt müssen wir natürlich auch über die subjektiven Beobachtungen sprechen. Der Kollege Kliehm hat von seinen gesprochen, Herr Josef wiederum von den seinen. Wir haben auch die eine oder andere Beobachtung gemacht. Dankenswerterweise hat der Kollege Dr. Seubert darauf hingewiesen, dass die Polizeibehörden über 900 sogenannte verbotene Gegenstände festgestellt haben.
Ich möchte den Begriff des verbotenen Gegenstandes nicht im Sinne des Waffengesetzes verstanden wissen. Es handelt sich da um selbst gebaute Hieb- und Stoßwaffen, angespitzte Schraubendreher, Selbstlaborate, Pyrotechnik und - der eine oder andere wird es mitbekommen haben, Sie waren teilweise selbst im Kessel - auch sogenannte Polenböller - verbotenes Material, das auch im schlimmsten Fall zu einer lebensbedrohlichen Körperverletzung und damit zum Tod führen kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden nicht darüber - und Annette Rinn, Du musst das Zitat dann schon richtig wiedergeben -, dass …
Stellvertretende
Stadtverordnetenvorsteherin
Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Darf ich um etwas Ruhe bitten!
Stadtverordneter Patrick Schenk, FREIE WÄHLER:
(fortfahrend)
… eine Großzahl an Claqueuren in einer ohrenbetäubenden Lautstärke geschrien hat „Deutschland ist scheiße und ihr seid die Beweise“.
(Beifall, Zurufe)
Darüber reden wir nicht. Ich bedanke mich für den Applaus an dieser Stelle. Das ist ein Zitat. Das müssen die Polizeibehörden aushalten, dafür sind die Beamtinnen und Beamten an der Front. Außerdem ist dieser Satz von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das ist nicht das Problem. Wir reden an diesem heutigen Abend über etwas ganz anderes, das die freiheitlich demokratische Ordnung, wie ich finde, in ihrem Kern betrifft, und zwar von der sogenannten vierten Kraft im Staat, nämlich der Presse. Erlauben Sie mir an der Stelle aus der Frankfurter Neuen Presse vom 4. Juni 2013 zu zitieren. Ich nenne Ihnen auch den Autor, es ist Christian Scheh, der schreibt: „Das Hauptinteresse der Journalisten gilt allerdings nicht den sichergestellten Gegenständen, die für linksradikale Demos nicht außergewöhnlich sind, sondern dem umstrittenen Polizeieinsatz, der zu den Funden führte.“
Hört, hört. Es ist also in diesem Staat selbstverständlich geworden, dass eine von linken Kräften angemeldete Demonstration solche Gegenstände mit sich führt. Es wird überhaupt gar nicht mehr darüber philosophiert und gesprochen. Der Stadtrat hat zu Recht darauf hingewiesen, dass doch klar sei, dass dort verbotene Gegenstände mitgeführt werden. Aber wir müssen über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung reden. Hier droht das Gleichgewicht zwischen dem Grundrecht auf Versammlung und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in eine ganz gefährliche Schieflage zu rutschen.
(Beifall)
Die deutsche Geschichte hat eine Vergangenheit hinsichtlich friedlicher Demonstrationen. Leider reden wir nicht darüber, dass vor knapp 25 Jahren 100.000 Leipzigerinnen und Leipziger friedlich, Händchen haltend durch ihre Stadt marschiert sind und gerufen haben: „Wir sind das Volk“. Wir reden darüber, dass ein in sich abgeschlossener, viel zitierter schwarzer Block - bewaffnet, militant, vermummt - hier eben nicht auf sein Recht auf friedliche Versammlung gepocht, sondern die öffentliche Sicherheit in dieser Stadt gefährdet hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall)
Die Videoaufklärung stellt hoffentlich auch dar - unsere Beobachter haben es nach dem Material, das zur Verfügung stand, so zur Kenntnis genommen, aber wir werden es hoffentlich im Rechtsausschuss noch sehen -, dass der diensthabende Polizeiführer drei Stunden lang mit dem Versammlungsleiter verhandelt hat, damit sich der Demonstrationszug von der radikalen Gruppe des schwarzen Blocks trennt und weiterziehen kann. Die Polizei konnte den Zug an dieser Stelle mit dieser Gruppe nicht weiterziehen lassen. Das sind unsere Erkenntnisse. Wenn sich der Versammlungsleiter und die hinter ihm stehenden Demonstrantinnen und Demonstranten mit diesem schwarzen Block solidarisieren, dann haben sie dafür auch die Verantwortung zu tragen.
(Beifall, Zurufe)
Stellvertretende
Stadtverordnetenvorsteherin
Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Herr Zieran, Sie haben kein Rederecht.
Stadtverordneter Patrick Schenk, FREIE WÄHLER:
(fortfahrend)
Wir haben Grund zur Vermutung, dass sich solche Vorfälle wiederholen werden, denn weitere Demonstrationen sind angekündigt. Wir müssen damit rechnen, dass auch diese nicht friedlich verlaufen werden. Die FREIEN WÄHLER bedanken sich deshalb hier und heute ganz klar bei der Polizei. Wir solidarisieren uns auch mit den nicht Genannten, mit den namenlosen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, die den Dank ebenfalls ausdrücken wollen. Wir solidarisieren uns mit den Geschäftsleuten, mit den Einzelhändlern auf der Zeil und in der Nachbarschaft, die Danke sagen, dass es nicht schlimmer geworden ist, dass es an dieser Stelle dort geendet hat. Es ist zwar Spekulation, aber wer weiß, was passiert wäre, wenn dieser Block auf die Zeil marschiert wäre. Ich vermute Schlimmes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung, die ich an dieser Stelle einfach machen muss. Wir reden nicht allzu häufig über ein so fundamentales Thema wie das heutige, nämlich die freiheitlich demokratische Grundordnung mit dem Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf der anderen. Einer Koalition, die in dieser entscheidenden Frage nicht in der Lage ist, ein einheitliches Votum zu oppositionellen Anträgen zu finden, sondern ihre Einheit nur noch oder überwiegend in der Wahl von hauptamtlichen Stadträten sieht, scheint mir keine besonders lange und große Zukunft beschieden zu sein.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall)