„Das ist kein guter Tag für Frankfurt“
CDU löst ein Personalproblem auf Kosten der Glaubwürdigkeit

In der Sitzung der Stadtverordneten am 6. Juni 2013 wurde der 30-jährige CDU-Politiker Jan Schneider mit den Stimmen von CDU und Grünen zum neuen hauptamtlichen Stadtrat gewählt. Schneiders künftige Aufgaben im Magistrat sind noch unbestimmt. Oberbürgermeister Feldmann., der diese Wahl eines neunten hauptamtlichen Stadtrats ebenso überflüssig hält wie die Freien Wähler, lässt sich derzeit noch demonstrativ Zeit für die Aufgabenübertragung an Schneider. Die Rede für die FW-Fraktion zu diesem Thema hielt Fraktionsvorsitzender Wolfgang Hübner. Wir dokumentieren die Rede im Wortlaut:
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„Meine Damen und Herren, liebe Besucher!
Ich habe es von allen Fraktionen vielleicht am einfachsten zu begründen, warum wir ablehnen, dass heute dieser neue Dezernent gewählt wird - es steht nämlich bei uns im Wahlprogramm 2011. Bevor das hier überhaupt akut wurde, haben wir in unserem Wahlprogramm festgelegt, dass acht hauptamtliche Stadträte genug sind.
(Beifall)
Weil wir das festgelegt haben und dann mit dieser Situation hier konfrontiert wurden, haben einige von unseren Mitgliedern und Freunden ein Bürgerbegehren gestartet. Dieses Bürgerbegehren ist am Laufen, es sind bis jetzt rund 6.000 Unterschriften gesammelt worden. Wir haben mit Vergnügen zur Kenntnis genommen, dass das die CDU-Fraktion, die heute hier einen ihrer Mitglieder im Magistrat unterbringen will, erheblich aufgeschreckt hat. Deshalb hat sie sich einen pensionierten Professor gesucht und ihn beauftragt, ein Gutachten zu schreiben, das besagt, dass das alles unsinnig ist, dass wir mit dem Bürgerbegehren überhaupt keine Chance haben.
Das muss natürlich rechtlich noch geprüft werden, aber wir wollen die Hauptsatzung verändern, das steht auch in dem Antrag des Bürgerbegehrens, so ist die Formulierung, und es gibt ein gutes Beispiel dafür. Wir müssen für dieses Beispiel gar nicht weit gehen, es sind nur wenige Kilometer bis nach Hanau.
In Hanau gab es im letzten Jahr ein Bürgerentscheid, da wurde über Folgendes abgestimmt, ich darf Ihnen das einmal vorlesen: „Sind Sie dafür, dass die Stelle des vierten hauptamtlichen Magistratsmitgliedes in Hanau gestrichen wird und dazu eine Änderung der Hauptsatzung der Stadt Hanau wie folgt beschlossen wird …“ und so weiter. Dieses Bürgerbegehren ist auch zur Abstimmung gekommen und nur daran gescheitert, dass sich zu wenige Menschen an diesem Bürgerbegehren beteiligt haben. Ein Grund mehr, von den hessischen Landtagsabgeordneten in Zukunft eine Senkung dieser Schwelle zu verlangen, aber das ist ein anderes Problem.
Wer hat denn dieses Bürgerbegehren gemacht? Große Rätselfrage. SPD? Nein. GRÜNE? Nein. FDP? Nein. Es war die Linkspartei - gemeinsam mit der CDU, die in Hanau genau das gemacht hat, was wir jetzt auch hier in Frankfurt machen. Und Sie wollen uns ein Gutachten präsentieren, wonach das, was in Hanau geschehen ist, illegal gewesen ist, dass das, was in Hanau von Ihrer Partei ganz entscheidend initiiert wurde, überhaupt nicht geht? Ich glaube, Sie sollten sich mit dieser Tatsache erst einmal beschäftigen.
(Beifall)
Das Thema heute ist nicht Herr Stein, der derzeitige neunte hauptamtliche Stadtrat, oder Herr Schneider als sein wahrscheinlicher Nachfolger. Das Thema ist noch nicht einmal die Reduzierung oder die Wiederauffüllung des Magistrats. Das eigentliche Thema, mit dem wir es heute zu tun haben, ist die politische Glaubwürdigkeit. Deswegen muss ich widersprechen, wenn es heute in einem FAZ-Artikel heißt, ich zitiere: „Interessieren sich die Bürger überhaupt für taktisches Klein-Klein der Parteien oder fänden sie es nicht besser, wenn alle Politiker ihre ganze Energie zum Wohl der Stadt einsetzen?“
Diese Frage ist richtig, und trotzdem ist nicht ganz richtig, denn es geht hier in der Tat nicht um politisches Klein-Klein. Es geht vielmehr darum, wie glaubwürdig wir nach außen sind, wenn wir heute eine Position neu besetzen oder wiederbesetzen, von der der Oberbürgermeister, der jetzige Dezernent, der demnächst ausscheiden soll, und sämtliche Fraktionen, mit Ausnahme der beiden Regierungsfraktionen, sagen, wir brauchen es nicht. Deswegen ist es kein Parteiengeklüngel, darum geht es nicht.
Die FREIEN WÄHLER wussten immer, dass sie nicht die geringste Chance haben, diese Position zu besetzen oder diese Position hier sozusagen per Abstimmung zu verhindern. Uns geht es darum, dass die Botschaft an diejenigen, die zur Wahlurne gehen - das sind bei den Kommunalwahlen leider sehr wenige - glaubwürdig ist. Wenn wir gerade in diesem Jahr einige schmerzhafte Einschnitte machen müssen oder schon gemacht haben, also Erhöhung von Eintrittspreisen, Erhöhung der Grundsteuer und viele andere Dinge, die aber auch schmerzlich sind, dann ist es keine glaubwürdige Botschaft, die wir nach außen geben, wenn wir jetzt ein personalpolitisches Problem der CDU lösen. Genau darum geht es. Wir lösen heute wirklich nur ein personalpolitisches Problem der CDU.
(Beifall)
Sie werden sagen, das stimmt alles nicht und der Kandidat ist geeignet, doch darum geht es überhaupt nicht. Es geht nicht darum, ob der Kandidat geeignet ist oder nicht. In seinem humoristischen Vortrag hat Herr Oesterling schon einiges zu der Unentschiedenheit gesagt, mit der der Kandidat da herangeht. Nur ist das nicht mein Thema und auch nicht das Thema der FREIEN WÄHLER. Das Thema ist: Wie glaubwürdig sind wir, wenn wir diese Botschaft nach außen geben, wenn die Wahl so ausgeht, wie Sie sich das vorstellen, wofür einiges spricht.
Die Botschaft wird wie folgt aussehen: Ein Personalproblem ist gelöst, aber die bitteren Pillen für die Bürger bleiben. Genau das ist es, was wir kritisieren. Der 6. Juni 2013 mag ein Erfolg für die CDU-Fraktion sein, es mag auch ein persönlicher Erfolg für den Kandidaten der CDU-Fraktion sein. Auf jeden Fall ist der 6. Juni aber eines: Er ist eine Niederlage für die politische Glaubwürdigkeit, die wir hier eigentlich darstellen, die wir vertreten sollen und deswegen sage ich im Gegensatz zu den sonstigen Floskeln: Das ist kein guter Tag für Frankfurt. Vielen Dank!
(Beifall)