Eine Rede zum Andenken an den 20. Juli 1944
SPD-Stadträtin Pölt über den Widerstand gegen Hitler

Samstag, 20. Juli 2013: 69 Jahre nach dem „letzten, größten Moment des deutschen Widerstandes gegen Hitler“, wie Lilli Pölt den jüdischen Historiker Fritz Stern zitierte, einen guten Freund des SPD-Altkanzlers Helmut Schmidt, ehrte die allseits beliebte SPD-Stadträtin, die am 1. August ihren 82. Geburtstag feiern kann, die Widerstandkämpfer des 20. Juli. Aber eben nicht nur sie.
Kurz vor 11 Uhr standen vor der Paulskirche mindestens 15 Mannschaftstransporter und PKW der Polizei. Aber die erklärt „antideutschen“ und linksextremen Antifa-Chaoten waren wohl in der Sommerpause. Mit ihren lauten, dumpfen Schlägen lud die Bürgerglocke der Paulskirche zum städtischen Gedenken an den 20. Juli 44. Nur wenige der mindestens 100 Stühle im Vorraum der Paulskirche blieben unbesetzt: Lilli Pölt begrüßte den Frankfurter Ehrenbürger und Träger der Johanna-Kirchner-Medaille, Friedrich v. Metzler, FDP-Bundestagsabgeordneten Christoph Schnurr, Stadtdekan Dr. Johannes zu Eltz, Stadträte der Grünen, Linken und Freien Wähler, Stadtverordnete sowie zahlreiche Stabsoffiziere der Bundeswehr.
Lilli Pölt: „Heute am Sabbat, können viele unserer jüdischen Mitbürger nicht bei uns sein. Wie trauern mit ihnen um die sechs Millionen Toten.“ Zuvor die erschreckenden Zahlen zum Kriegsende Mai 1945: 50 Millionen Tote, 18 Millionen aus fast ganz Europa in NS-Lagern, wobei 11 Millionen dort ihr Leben verloren. Lilli Pölt erinnerte an die Opfer aus „ganz unterschiedlichen Gruppen“ wie Sinti und Roma, Homosexuelle, Mitmenschen mit geistiger und körperlicher Behinderung, Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich politisch und gewerkschaftlich engagiert hatten und Christen.
Als die Widerständler sich letztmalig im Juli 1944 zur Ermordung Hitlers aufschwangen, war schon alles verloren: An der Ostfront hatte die Sowjetarmee in Weißrussland die Heeresgruppe Mitte der Wehrmacht vernichtet und stand schon in Ostpolen; nach der erfolgreichen Invasion in der Normandie am 6. Juni hatten die Westalliierten den Zweifrontenkrieg auch am Boden eröffnet. Doch wäre das Attentat in Hitlers Hauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen gelungen, wäre die Hälfte der deutschen Städte unzerbombt geblieben, ebenso 50 Prozent aller Opfer erspart worden, ob an Juden und allen anderen Nazifeinden, Soldaten und Zivilisten aller Völker oder von Flucht und Vertreibung aus dem deutschen Osten.
Lilli Pölt in ihrer Rede mit neuen Aspekten zur Geschichte: „Doch ich will auch an die früheren Widerständler erinnern“: So an den Frankfurter Zimmerer, Gewerkschaftler und sozialdemokratischen Stadtverordneten Albrecht Ege, den Geschäftsführerder gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Dieser wurde als „Wiederholungstäter“ am 23.1.1943 im Preungesheimer Gefängnis durch das Fallbeil enthauptet. Und an den katholischen Jugendgruppenleiter Bernhard Becker aus dem Nordend: Die Gestapo verhaftete die ganze Gruppe junger Christen am 27.11.1937. Nach Folterungen im Polizeigefängnis Klapperfeld erhängte Becker sich am 14.12.37.
Stadträtin Pölt betonte: “Der deutsche Widerstand war also nicht auf einige wenige und schon gar nicht allein auf Militär- und Adelskreise beschränkt, sondern umfasste viele unterschiedliche Kreise der Gesellschaft.“ Und Pölt stellte so die berechtigte Frage in den Raum: „Hat die historische Forschung die nationalsozialistische Propagandabehauptung von der geringen Zahl aktiver Regimegegner zu wenig überprüft?“ Am Ende ihrer Rede am 69. Jahrestag des gescheiterten Anschlags auf Hitler appellierte die greise Stadträtin: „Wir Staatsbürgerinnen und Staatsbürger müssen immer dann Widerstand leisten, wenn unsere Freiheit bedroht wird – von wem auch immer.“
D. Schreiber