Ein Lügenkartell will gewählt werden
Neuer Griechenland-Schuldenschnitt wird frech geleugnet

Bismarcks bekannter Spruch, dass niemals so viel gelogen wird wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd erfährt im Deutschland kurz vor der Bundestagswahl am 22. September, was den unblutigen Teil des Spruchs anbetrifft, noch eine Steigerung,: Niemals wurde von einer Regierung, die um jeden Preis wiedergewählt werden möchte, so frech und unverfroren die Realität geleugnet wie im Fall des bankrotten EU- und Euro-Mitglieds Griechenland. Denn dass Griechenland einen baldigen neuen Schuldenschnitt braucht, der Deutschlands Steuerzahler mehr als 20 Milliarden Euro kosten wird, bestreitet kein bei Verstand befindlicher Ökonom in der Welt. Wohl aber bestreiten das Bundeskanzlerin Merkel, Bundesfinanzminister Schäuble und Wirtschaftsminister Rösler.
Da weder Merkel, Schäuble noch Rösler so ganz ohne Informationen über den wahren Zustand der griechischen Finanzen oder gar totaldement sein dürften, bleibt nur ein Schluss: Die drei Politiker samt ihren Parteien CDU/CSU und FDP wollen bewusst und kaltblütig die Wähler in Deutschland in die Irre führen mit der unhaltbaren Behauptung, sie lehnten einen neuen Schuldenschnitt ab, Diskussionen über neue Griechenland-Hilfen seien folglich „überflüssig“. So viel Frechheit reizt selbst die sozialdemokratische Pseudo-Opposition zu ungewohnt harschen Tönen: „Nach der Wahl wird es ein böses Erwachen geben. Die Bundeskanzlerin belügt die Menschen vor der Wahl, wenn sie weitere Hilfen für Griechenland abstreitet. Diese Hilfe werden mit Verlusten für die Steuerzahler in Deutschland verbunden sein“, warnt der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider.
Was Herr Schneider wohlweislich verschweigt, ist der Kurs seiner Partei auf eine europäische Schuldenunion, was die deutschen Steuerzahler noch viel teurer käme. Aber die Aussichten der SPD, die nächste Regierung in Berlin zu bestimmen, sind zu gering, um sich mit dieser Möglichkeit näher zu beschäftigen. Und wenn es „die Märkte“ verlangen, werden ohnehin Merkel, Schäuble und Rösler samt ihren von Industriespenden korrumpierten Parteien Deutschland auch ganz ohne die Sozialdemokratie in die Schuldenunion führen. Denn wer will so blauäugig sein zu bestreiten, dass Politiker und Parteien, die den selbst von der Deutschen Bundesbank für unvermeidlich gehaltenen neuen griechischen Schuldenschnitt wider besseres Wissen bestreiten, nicht zu jeder weiteren Verräterei an den Interessen des Volkes fähig und willens sein sollten?
Noch sind es sechs Wochen bis zum 22. September 2013. Das sind sechs Wochen, in denen jeder aufrecht gehende Staatsbürger nicht nur die Möglichkeit hat, sondern sogar verpflichtet ist, das Lügenkomplott von Merkel, Schäuble, Rösler und ihren zugehörigen Parteien beim Namen zu nennen und alles daran zu setzen, die Legitimierung und Realisierung dieses Komplotts zu verhindern. Das mag vielen realpolitisch unmöglich erscheinen – versucht werden muss es gleichwohl. Halten wir es mit Dietrich Bonhoeffer, der in weit gefahrvolleren Zeiten gesagt hat: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für die Dinge, die wir widerspruchslos hinnehmen.“ Wer von dem Lügenkomplott weiß und dagegen nicht aufsteht, ist letztlich nicht besser als die, die er gewähren lässt.
Es geht nicht nur, ja noch nicht einmal vorrangig um 20 oder noch viel mehr Milliarden, die in der Infrastruktur, dem Gesundheitswesen oder der Kultur unseres Landes demnächst an allen Ecken und Enden fehlen werden: Es geht vielmehr darum, ob wir es hinnehmen wollen, von Politikern und Parteien so schamlos und skrupellos belogen zu werden, wie es in Sachen neuer Schuldenschnitt für Griechenland gerade unternommen wird.
Wolfgang Hübner, 12. August 2013