Mainz ist bald überall
Der deutsche Niedergang kommt schleichend

Was waren die Deutschen mal stolz auf die Pünktlichkeit ihrer Züge, auf die Verlässlichkeit ihrer Postzustellung und auf den Zustand ihrer Straßen! Doch all das liegt in einer immer weiter entfernt liegenden Vergangenheit. Mittlerweile können Züge selbst in einer Landeshauptstadt nicht mehr Station machen, weil es an Personal mangelt. Mittlerweile darf man froh sein, wenn im Briefkasten noch vor dem frühen Nachmittag endlich die Post liegt. Und mittlerweile können etliche Straßen einer beliebigen Großstadt ohne die Gefahr ernster Reifenschäden am Auto nicht mehr befahren werden.
Das ist übertrieben? Mainz lässt grüßen! Und die Erfahrungen mit der Post und nicht wenigen Straßen in meiner Heimatstadt Frankfurt sind auch keine missmutige Erfindung von mir, sondern ganz real. Die Infrastruktur im derzeit so bewunderten europäischen Nichtkrisenland befindet sich in einem schleichenden, aber keineswegs unbemerkbaren Niedergang. Zu dieser Feststellung bedarf es noch nicht einmal des Hinweises auf die blamablen Vorgänge um den neuen Berliner Großflughafen oder die jüngsten Siemens-Turbulenzen. Denn das sind nur spektakuläre Höhepunkte einer Abwärtsentwicklung, deren Metastasen sich in der alltäglichen Erfahrung noch keineswegs spektakulär, aber unaufhaltsam ausbreiten.
Zu dieser Abwärtsentwicklung gehört auch die Tatsache, dass der Niedriglohnsektor weit verbreitet, dass immer mehr Menschen in Deutschland einen Zweit- oder gar Drittjob annehmen müssen, um ihren Lebensstandard zu halten oder zu verbessern. Und die Expansion von Krippen- und Kitaplätzen ist nicht zuletzt damit zu erklären, dass ein Alleineinkommen aus Arbeit zwar bei Konzernmanagern und ARD-Intendanten familiär weiterhin auskömmlich ist, nicht aber bei vielen Millionen Lohnabhängiger. Diese werden nebenbei schon jetzt zu Geiseln der deutschen Kreditgarantien für bankrotte europäische Länder gemacht, die aber weiterhin um jeden Preis Absatzmärkte für die deutsche Exportwirtschaft bleiben sollen.
Dieser real existierende Wahnsinn ist ganz zwangsläufig verbunden mit dem nun dringend erwünschten, aber moralisch wie praktisch zutiefst fragwürdigen Import arbeitsloser junger Menschen aus den Euro-Krisenstaaten auf der einen Seite, dem immer besser florierenden Import von Armutseinwanderung auf der anderen Seite. Von letzterer profitieren zwar nur jene, die Niedriglöhne mit noch profitableren Niedrigstlöhnen unterbieten, sowie die unaufhörlich expandierende Sozialindustrie. Doch für alle anderen, also die überwältigende Mehrheit des Grundgesetzvolkes, sind damit weitere Mehrbelastungen in jeder Beziehung verbunden.
Aber das ist ja auch nicht ungewöhnlich in einem Land, dessen führende Parteien sich jener angeblich beispiellos „erfolgreichen“ Arbeitsmarktreformen einer großen rot-grün-schwarz-gelben Koalition rühmen, mit der Menschen, die viele Jahre in die Sozialversicherungen eingezahlt haben, doch beruflich oder privat kein Glück hatten, nach einer kurzen Schamfrist völlig gleichgestellt werden mit Personen, die noch keinen Cent in diese Sozialversicherungen beigesteuert haben, aber daraus zum Teil erhebliche Leistungen beziehen. Wer von dieser schreienden Ungerechtigkeit mit ideologischen wie ökonomischen Hintergründen nicht oder noch nicht betroffen ist, mag diesen sozialpolitischen Skandal verdrängen. Nicht verdrängen lassen sich die zahllosen menschlichen Tragödien, die darin ihren Ursprung haben.
Der Niedergang einer Gesellschaft, eines ganzen Volkes vollzieht sich in aller Regel nicht plötzlich, auch nicht bemerkenswert schnell. Es sind viele banal erscheinende Beobachtungen und Erfahrungen, die eine kollektive Abwärtsbewegung erkennen lassen. Aber wenn diese erst einmal Fahrt gewonnen hat, lässt sie sich mit Flickschusterei nicht mehr aufhalten. Im international so gefeierten Merkel-Deutschland beschleunigt sich das Tempo des Niedergangs. Bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 kann diese negative Entwicklung nicht gestoppt, aber doch gedrosselt werden. Wer allerdings CDU, SPD, Grüne, FDP oder gar Linke oder Piraten wählt, gibt noch einmal richtig Gas in Richtung Abgrund.
Wolfgang Hübner