Bürgereigentum wird verkauft – für was und wen eigentlich?
Näherer Blick auf ein fragwürdiges Grundstücksgeschäft

© Foto R. Sawicki
Es wird nicht viele Frankfurter geben, die das in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstandene Geschäftshaus an der Mündung von Freßgass‘ und Goethestraße für sonderlich erhaltenswert betrachten dürften. Und wer einmal ein Foto von dem türmchengekrönten Prachtbau gesehen hat, der bis zur Kriegszerstörung diesen Ort geschmückt und die ganze Ecke unverwechselbar gestaltet hat, wird sich geradezu schütteln ob der architektonischen und städtebaulichen Hässlichkeit, die an prominenter Stelle der Innenstadt seit Jahrzehnten das Auge quält.

Es ist deshalb eine gute, ja sehr willkommene Idee, diesem Haus in der Nähe der Alten Oper ein neues Gesicht zu geben. Die beste Idee wäre zweifellos die Rekonstruktion des Vorkriegsgebäudes, wofür sich aber in Frankfurt weder großzügige Investoren noch genügend geschichtsbewusste Stadtplaner und Politiker finden lassen dürften. Immerhin sind nun die Stadtverordneten mit einer vertraulichen Vorlage M 102 des Magistrats konfrontiert, wonach eine Vicarius Immobilien GmbH das besagte Haus sanieren, umbauen und erweitern will. Diese Erweiterung ist allerdings von ganz besonderer Brisanz: Denn die Stadt will, die noch ausstehende Zustimmung der Stadtverordneten vorausgesetzt, dem Investor 90 Quadratmeter Straßenfläche, also Bürgereigentum, für rund 1,66 Millionen Euro verkaufen!
Da die vertrauliche Vorlage M 102 infolge mehrerer Berichte in der lokalen Presse nicht mehr vertraulich, sondern öffentlich gemacht wurde, ist nun auch eine öffentliche Diskussion darüber entbrannt, ob dieses Grundstücksgeschäft gegenüber den Bürgern zu verantworten ist und welche Folgen es architektonisch und stadtgestalterisch hat. Dass 1,66 Millionen Euro, von denen allerdings 466.000 Euro für die Freimachung des Grundstücks zu Lasten der Stadt abgezogen werden müssen, kein schlechter Erlös sind und den Kämmerer erfreuen dürften, sei unbestritten. Doch der Wegfall eines Stücks öffentlicher Fläche zu Lasten der diese bislang nutzenden Bürgerinnen und Bürger kann ebenso wenig bestritten werden. Umso wichtiger ist die nähere Betrachtung der geplanten Gebäudeerweiterung und auch des Investors, der für 90 Quadratmeter soviel Geld überweisen will.
Das von den Grünen geführte Stadtplanungsamt behauptet keck, „ausschlaggebend für den Verkauf seien ausschließlich städtebauliche Gründe“. Denn damit solle die „historische Situation“ an dieser Stelle wieder hergestellt werden, indem der erweiternde Anbau mit einer Rundung die Mündung von Fressgass‘ und Goethestraße an der Hochstraße ansehnlicher gestaltet als das „abgehackte Gebäude“ mit der Freifläche das derzeit noch tut. So erfreulich es ist, wenn auch Grüne sich an „historische Situationen“ der vom Bombenkrieg so schrecklich verunstalteten Stadt erinnern – im konkreten Fall ist diese Argumentation nur vorgeschoben. Denn weder soll das herrschaftliche Vorkriegshaus, das die Ecke so charakteristisch bestimmt hatte, auch nur ansatzweise rekonstruiert werden, noch ist daran gedacht, mit modernen Mitteln einen markanten architektonischen Akzent zu setzen.
Da ein Architekturentwurf des mit der Planung beauftragten, in Frankfurt offenbar unvermeidlichen Büros von Christoph Mäckler noch nicht vorliegt, wohl aber einige Äußerungen über die künftige Gestalt, kann schon jetzt gesagt werden: Am Ende von zwei berühmten und beliebten Innenstadtstraßen wird ein weiteres Büro- und Geschäftshaus entstehen mit maximaler Ausnutzung des Grundstücks, aber nur höchst durchschnittlichem Gestaltungswillen. Davon zeugt auch, dass das so charakteristische Türmchen auf dem Vorkriegsgebäude zwar zitiert werden soll von einem an dieser Stelle höherstrebenden Anbau. Doch der wird einzig dazu dienen, dem Investor noch ein paar mehr Quadratmeter Vermietungsfläche zu bieten.
Gewiss ist der inzwischen bereits abgesperrte kleine Platz, der verkauft werden soll, keine Zierde. Denn er diente in den letzten Jahren meist als Abstellfläche für Fahr- und Motorräder. Was aber auch nicht weiter verwunderlich ist in einer Stadt, deren grün dominierter Magistrat Fahrradfahren am liebsten zur zwingenden Bürgerpflicht machen würde. Auch zwei Bäume standen auf dem Platz, inzwischen wurde bereits einer davon auch ohne Beschluss der Stadtverordneten entsorgt, dieser Baum soll „in der Nähe“ neu eingepflanzt werden. Der Bauantrag des Investors soll übrigens bereits genehmigt worden sein - das ist schwarz-grüne politische Kultur in Reinform.
Doch wer ist eigentlich dieser Investor, der den Platz erwerben will? Es ist die im Westend ansässige Vicarius Immobilien GmbH. Deren Geschäftsgegenstand ist der „Erwerb, das Halten, das Verwalten sowie wie die Veräußerung von Immobilien sowie die Verwaltung eigenen Grundbesitzes“. Merkwürdigerweise hat die im Mai 2011 gegründete Firma mit auffallend geringem Grundkapital weder eine eigene Webseite noch ist sie im Telefonbuch oder Branchenverzeichnis zu finden. Wenn die Stadt Frankfurt öffentliche Fläche verkauft, sollte jedoch sicher gestellt werden, dass es sich bei dem Käufer um eine seriöse Firma und nicht etwa um eine Maskerade für Steuerersparnis oder gar Geldwäsche aus dunklen Quellen handelt.
Es gibt also noch einiges zu klären bei diesem Grundstücksgeschäft der speziellen Art. Das betrifft besonders die Verknüpfung der Vicarius GmbH mit der noch undurchsichtigeren Cara Investment GmbH, die unter der gleichen Westend-Adresse notiert ist, sowie der Person des Bad Homburger Steuerberaters Hans-Joachim Zimmer, der offenbar beide Firmen gegründet hat. Dass einmal mehr der politisch bestens vernetzte Architekt Mäckler mit im Spiel ist, wirft auch einige Fragen auf, die zu beantworten sind. Die Verkäufer, also die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Frankfurt, sollten schon genau wissen, wer das Grundstück kauft und wer - wie es so schön in der Vorlage des Magistrats formuliert wird – die „historische Situation“ an dieser Stelle der Innenstadt mit der „Verlängerung des Baukörpers“ wieder herstellen will.
Weil all das von öffentlichem Interesse ist, muss selbstverständlich die ohnehin schon nicht mehr gewahrte „Vertraulichkeit“ der Magistratsvorlage M 102 aufgehoben werden. Mit dieser Forderung wird die Fraktion der FREIEN WÄHLER in die anstehende Sitzung des Ausschusses Planen und Bauen am 2. September 2013 gehen. Die Sitzung ist öffentlich und verspricht schon allein wegen des spektakulären Grundstückgeschäfts interessant zu werden.
Wolfgang Hübner