Nordend-Lärmorgie verlagert sich zum Luisenplatz
Genervte Anwohner auf der Sitzung des Ortsbeirates 3

Die Sitzung des Nordend-Ortsbeirats am 22. August 2013 im Haus der Volksarbeit an der Eschenheimer Anlage war eigentlich als Sondersitzung einberufen worden: Es sollten die liegengebliebenen Anträge abgearbeitet werden. Weil nämlich frühere Bürgerfragestunden wirklich Stunden dauerten. Und da Ortsvorsteherin Karin Guder nach vier Stunden um 23.30 Uhr den Deckel für den öffentlichen Teil drauf macht, staute sich ein enormer Berg an nicht erledigten Anträgen auf. Doch mit der Abarbeitung wurde wieder nichts:
Zunächst stellten Vertreterinnen der School of Finance& Management das Ergebnis des Architektenwettbewerbes vor. Diese private Bankakademie wird 2007 aus dem Ostend an die Adickesallee ziehen. Nach einer Stunde die Allgemeine Bürgerfragestunde: Da wurden die zahlreichen Gäste der Sitzung plötzlich laut. Ein riesiges Transparent wurde von Mehreren entrollt: „LÄRM! MÜLL! LÄRM! PISSE! Die Anwohner: Jetzt reicht es uns!“ Von dieser Aktion völlig überrascht zeigte sich Ortsvorsteherin Guder.
Stadtbezirksvorsteher Willi Preßmar (Grüne) ergriff als erster das Wort, nachdem er neben der Ortsvorsteherin Platz genommen hatte: „Damit ich Euch von vorne sehe. Und ihr nicht meinen Rücken.“ Die Freitagsparty auf dem Friedberger Platz, wo nach Marktschluss um 20 Uhr von rund 2000 Feiernden mit viel Alkohol ins Wochenende gestartet wird, sei zwar ab 22 Uhr beendet. Doch dann werde die Bornheimer Landstraße bis zum Luisenplatz „eine einzige Partymeile“. Die Beschwerden von Nachbarn hätten sich bei ihm vermehrt. Der Luisenplatz erinnere ihn am nächsten Morgen an den Friedberger Platz im vorletzten Jahr: Lärm, Vermüllung und Wildpinklerei durch Alkoholisierte sei eskaliert. Um 23 Uhr habe man Spitzenwerte um 65 dB (A) gemessen. Preßmar forderte vom Runden Tisch (Anwohner, Marktbeschicker und Vertreter von Ortsbeirat und Stadtverwaltung), „die Reißleine zu ziehen“.
Bürger meldeten sich zu Wort
Einer, er wohnt in der Bornheimer Landstraße 57: „Mitten auf der Meile bekomme ich die volle Breitseite!“ Er forderte schlicht die Abschaffung des Marktes: „Punkt. Aus. Nikolaus.“ Ihm pflichtet eine Bürgerin vom Luisenplatz bei: „Der Markt muss weg!“ Der Luisenplatz sei zum „Nachfeierplatz der Kampffeierer“ geworden. Mit einem privaten Lärmmesser habe sie um 24 Uhr über 70 dB gemessen! Und über 70 dB sei Körperverletzung! Es meldete sich ein Bürger von der Güntersburgallee 1, also direkter Nachbar des Friedberger Platzes als Klageführer beim VGH (Verwaltungsgerichtshof) Kassel. Und es beklagte sich ein weiterer Bürger von der Bornheimer Landstraße: „Das ist der Ballermann Frankfurts!“ Er sei nicht bereit, mit seinen Steuern für die Reinigung zu zahlen: „Vom Ordnungsdienst oder der Stadtpolizei ist nichts zu sehen!“
Stellungnahmen aus den verschiedenen Fraktionen
Jochen Vielhauer (Grüne): „Wir haben uns angesehen, was da ablief: Das geht nicht!“ Zwischenrufe aus dem Saal: „Komme mal zum Punkt!“ und „Dein Vorschlag?“ Vielhauer darauf: Mehr Stadtpolizei und ein Klowagen statt der Dixiklos. Sein Fraktionschef Bernhard Maier ergießt sich in einer sozialpsychologischen Erklärung: Die Feierer seien überarbeitet und wollten zum Wochenende „loslassen“, allerdings mit zu viel Alkohol. In der Tat: In der Tram gegen 21 Uhr von der Konstablerwache zum Friedberger Platz viele jüngere Leute beiderlei Geschlechts im korrekten Businessdress mit Kartons Prosecco, die „Russian Standard“-Flasche in der Hand, teurer Edelstoff schon mal zum „Vorglühen“. Maier weiter: Die Kosten für Reinigungs- und Sicherheitskräfte müssten getragen werden: „Es muss den Markt geben und es muss die Party geben.“ Das kommt bei den Wutbürger/innen natürlich überhaupt nicht an! Die Ortsvorsteherin geht dazwischen: „Sie konnten vorher etwas sagen.“ Sekundierte ihr SPD-Fraktionschef Dr. Rüdiger Koch: „Jetzt sagen wir was als Ortsbeiräte. Hören Sie uns jetzt doch mal zu.“ Maier lenkt ein: Das ist aus dem Ruder gelaufen. Das müssen wir abschaffen. Der Runde Tisch entscheidet, was passiert. Wiederverlegung des Marktes auf Mittwoch oder gleich ganz abschaffen.
Während David Cornelius Albrecht (Freie Wähler) betont, das Grundgesetz sehe Versammlungsfreiheit vor, gibt sich der alternde Salonbolschewist Manfred Zieran (ÖkolinX-ARL) libertär: Er fordert das Recht auf Feiern. Und nur zwei Dixiklos seien eben zu wenige. Dagegen Mirko Trutin (21, CDU): „Man kann auch Schluss machen (mit dem Markt)“. Dazu seine Fraktionschefin und Vize-Ortsvorsteherin Claudia Ehrhardt: Die Erweiterung des Runden Tisches finde sie gut. Und man könne den Markt auch zwei Mal aussetzen. Letzteres finden die Grünen gut, nur Zieran nicht: „Und die Marktbeschicker?“ 22.05 Uhr: Pause. Pressevertreter und die meisten Zuschauer gehen.
So geht’s weiter: Am Dienstag, 27.8. tagt der Runde Tisch, auf dem schon die Nachtorgien auf dem Friedberger Platz ab 22 Uhr beendet werden konnten. Ortsvorsteherin Guder forderte hierzu alle Ortsbeiräte auf zu kommen. Und dann Tischvorlagen zu schreiben. Auf der regulären Sitzung des OBR 3 am Donnerstag, 29.8. ab 19.30 Uhr im Gehörlosen- und Schwerhörigenzentrum, Rothschildallee 16 a wird sich zeigen, mit welchen Mitteln man diesen Alkohol- und Lärmexzessen beikommen will.
D. Schreiber