Fehlentscheidung reiht sich an Fehlentscheidung
Bei Bebauung des Bundesrechnungshof-Areals droht neues Ungemach

In dem Areal um den ehemaligen Bundesrechnungshof an der Berliner Straße reihen sich seit längerem die architektonischen Fehlentscheidungen. Den Entscheidungsträgern würde es deshalb gut tun, für eine Denkpause inne zu halten.
Das derzeit ehrgeizigste Bauprojekt der Stadt Frankfurt ist in seine heiße Phase eingetreten. Es wird täglich gebaut am künftigen Kernbereich der neuen Altstadt zwischen Dom und Römer. Der Zeitung der DomRömer GmbH ist zu entnehmen, dass es sogar zu erfreulichen Überarbeitungen einzelner Fassaden gekommen ist.
Vor allem die Braubachstraße 29 stellt nach aktuellem Stand nun faktisch eine Rekonstruktion dar. Nur der Figurenschmuck der Fassade müsste noch ergänzt werden. 2016 ist mit der Fertigstellung des Areals zu rechnen.
So positiv und mit Sicherheit erfolgreich dieses Projekt sich entwickelt, umso mehr muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass es ohne das Engagement der Freien Wähler und ohne den zähen Widerstand vieler couragierter Frankfurter Bürger wohl nicht zustande gekommen wäre. Diese Erinnerung ist umso wichtiger, weil sich im Areal des ehemaligen Bundesrechnungshofes westlich des Römers immer wieder Hiobsbotschaften auftun.
Die erste dortige Fehlentscheidung war, das neben der Paulskirche gelegene neobarocke Kämmereigebäude mit einer Sanierung seines profanen Flachdaches zu beglücken.
Dadurch wurde ein unästhetischer Zustand für die nächsten Jahre konserviert, der die Proportionen des schmucken Gebäudes empfindlich stört. Hier wurde von städtischer Seite eigenmächtig gehandelt, ohne eine Bürgerdiskussion in Gang zu setzen und ohne Alternativen jenseits der offenbar momentan zu teuren kompletten Dachrekonstruktion zu prüfen. So hätte man zum Beispiel eine preisgünstige Teilrekonstruktion anstreben können, die weitere schrittweise Wiederherstellungsarbeiten des Daches vorbereitet hätte.
Die nächste Fehlentscheidung war es wohl, das Gebäude des Bundesrechnungshofes zu erhalten. Das Bauwerk aus den 1950er Jahren weist keine über den architektonischen Durchschnitt jener Epoche herausragenden Stilelemente auf. Entlang der Berliner Straße finden sich teils interessantere Bauwerke jener Jahre, unweit steht das sicherlich weit raffiniertere und erhaltungswürdigere Junior-Haus an der Kaiserstraße.
Es mag nicht jeder Bürger so sehen, aber durch den kompletten Abriss des Bundesrechnungshofes hätte man die Chance auf einen großen Wurf zur Stadtreparatur in diesem Bereich bekommen. Nun wird das völlig marode Gebäude teuer saniert. So bleibt ein unnötiger städtebaulicher Störfaktor bestehen, um den man mühsam herumplanen muss. Geplant sind dabei nun ein Wohnhaus, ein Zwei-Sterne-Hotel, Läden und vor allem viele Etagen Büros westlich und südlich des erhaltenen Bestandsgebäudes.
Damit sind wir bei der nächsten möglichen Fehlentscheidung, die sich anbahnt. Drei Entwürfe für die Neubebauung des Blocks sind derzeit im Gespräch, und nach Presseberichten laufen die städtischen Verantwortlichen Gefahr, nun dort den dritten Fehler zu begehen.
Nach einer Meldung der "Frankfurter Neuen Presse" liegt der Entwurf des Architekturbüros KSP Jürgen Engel vorne in der Gunst einer Gutachterjury. KSP Engel versuchte bereits in der Anfangszeit der Altstadt-Planung das Dom-Römer-Areal mit einem Komplex aus modernistischen Blöcken zu beglücken, was zum Glück verhindert werden konnte.
Wenig später baute das Büro die Hochhäuser des so genannten "Palais Quartiers" hinter dem Einkaufszentrum "MyZeil". Diese Häuser mit modischem Knick die selbst von vielen Hochhausfans als selten hässlich bewertet werden, sollten nun ursprünglich nach dem Willen dieses in Frankfurt gut vernetzten Architekturbüros ein miniaturisiertes Pendant zwischen Römer und Bundesrechnungshof erhalten. Hier sollte also ein weiteres dieser austauschbaren Knickhäuser entstehen und das städtebauliche Gefüge empfindlich stören. Zur Westseite schloss sich in der ursprünglichen Planung ein belangloser Bau mit modisch asymetrischen Fenstern an. Eine Verschlechterung der bestehenden Situation also.
Nicht besser zeigte sich der zum Glück momentan nicht favorisierte Ursprungs-Entwurf des Architekturbüros Auer & Weber. Wirkt dort der Bau an der Westseite hell und freundlicher, nimmt er auch das Motiv der Blockspitze in einer Rundung auf, so sollte an der östlichen Seite, direkt neben der hinsichtlich des Daches verunstalteten Kämmerei ein brutaler schwarzer Kubus errichtet werden, der in seiner negativen Unangepasstheit dem abgerissenen Technischen Rathaus in nichts nachsteht.
Einzig der Entwurf von Stefan Forster verspricht bislang eine ästhetische Verbesserung der bestehenden Situation. Forster gibt ebenfalls im Westteil der Spitze des Baublocks eine elegante Rundung, zugleich nimmt er mit Gesimsen, hochstehenden Fenstern und Mezzaningeschoss Anleihen an der klassischen Architektur. Auch im Südosten des Areals, also gegenüber der Kämmerei, wirkt der Bau elegant und erinnert an die Architektur der 20er Jahre, wenngleich es besser wäre, die Geschosszahl zu verringern. Er würde damit sogar ein stilistisches Bindeglied zur Zwischenkriegsarchitektur in der Braubachstraße herstellen.
Nun haben KSP Engel ihren ursprünglichen Entwurf deutlich überarbeitet, was dazu führte, dass sich die Mehrheit in der Gutachterjury plötzlich für KSP Engel und nicht mehr für Stefan Forster entschied. Dennoch ist auch dieser neue Entwurf nicht dem sensiblen Standort angemessen. Zur verengten Westseite des Baublocks wurde nun auch eine leichte Rundung eingeführt, über der sich ein recht monotoner Komplex mit Schießscharten ähnelnden asymetrischen Fensteröffnungen erhebt. Zur Kämmerei hin wurde ein mit Loggien versehener weißer Flachdach-Wohnbau geplant, der als Hotel in Gran Canaria oder Eigentumswohnungs-Anlage am Stadtrand keine schlechte Figur machen würde, aber im Frankfurter Altstadt-Bereich schlicht umpassend wirkt.
Würde der Entwurf von KSP Engel oder Auer & Weber realisiert werden, wäre dies somit ein Armutszeugnis für die städtischen Verantwortlichen und würde zeigen, dass immer noch nicht das Entwicklungspotential und die Bedeutung des Altstadtbereichs erkannt worden ist. Gerechter weise muss man anmerken, dass der Jury-Entscheid nicht einstimmig gefallen ist.
Die Vertreter der schwarz-grünen Koalition favorisieren demnach den Entwurf von Stefan Forster, weil er sich architektonisch und städtebaulich am besten in das Areal einfüge. Es sind die Projektentwickler von Fay und OFB, bei denen allein wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen. Die Funktionalität und Ausnutzung der Flächen sei demnach KSP am besten gelungen. Bei solchen auf Rendite ausgerichteten Argumentationen sollte die Stadt auf der Hut sein und sich in Distanz üben.
Der Verein "Pro Altstadt" und die "Junge Union" hatten sich bereits in den letzten beiden Jahren dafür ausgesprochen, den Bundesrechnungshof komplett abzureißen und das Projekt einer Rekonstruktion von Altstadtarealen auch westlich des Römers fortzusetzen. So könnte man den einst als Gastwirtschaft genutzten Großen Speicher und das benachbarte Fachwerkgebäude "Haus Heidentanz" dort rekonstruieren. Es wäre eine Option, die weitaus besser für die Stadt wäre, als einen weiteren seelenlosen Baukörper hinzusetzen, wie ihn uns nun KSP Engel und Auer & Weber präsentieren. Immerhin scheint das Stefan Forster ähnlich zu sehen, der kritisch verlautbarte: „Ich finde das Ergebnis schockierend. Das Gebäude könnte auch in Shanghai oder Dubai stehen (…) Wir haben das Technische Rathaus abgerissen und wollen es jetzt 300 Meter weiter wieder aufbauen.“
Also Kompromiss könnte wahrlich allenfalls Forsters Entwurf dienlich sein, der eine harmonischere Überleitung zum Rathausgebäude und dem teilrekonstruierten Gebäude der Bethmann-Bank ermöglicht.
Es gilt das Altstadtareal somit qualitativ hochwertig weiter zu entwickeln, da er in Zukunft ein Hauptanziehungspunkt der Stadt werden dürfte. Hierzu gilt es, Investoren, die keine Sensibilität für den Ort zeigen, die rote Karte zu zeigen. Auf das Spiel der Renditemaximierung darf gerade im sensiblen Altstadtbereich nicht eingegangen werden. Sollte die Weiterentwicklung dieses Areals jenseits modernistischer Würfelspielchen nicht durch ein Einsehen der Verantwortlichen geschehen, müssen die Bürger eben wieder massiv ihre Stimme zum Protest erheben.
Marlis Lichtjahr