Parteibuch entscheidet, nicht Kompetenz
Fragwürdige Entsendung städtischer Vertreter in Aufsichtsräte

Pressemitteilung der FREIEN WÄHLER im Römer – 47 / 11. 9. 2013
Die Stadt Frankfurt legt jährlich eine Übersicht über „Städtische Vertreterinnen und Vertreter in Wirtschaftsunternehmen und Einrichtungen der Wirtschaft“ vor. Hierin erfolgt die Auflistung der in die Aufsichtsräte städtischer Gesellschaften entsandter Vertreter. Bei näherer Betrachtung dieser Übersicht wird erkenntlich, dass die städtischen Vertreter allesamt aus Reihen der Stadtverordnetenversammlung sowie des Magistrats stammen. Von den 346 direkten und indirekten Minderheits- und Mehrheitsbeteiligungen der Stadt Frankfurt sind 57 Wirtschaftsunternehmen und Einrichtungen der Wirtschaft, in deren Aufsichtsräten besagte städtische Vertreter sitzen. Eine Auflistung der Stadtverordneten und Magistratsmitglieder in Aufsichtsratsposten ergibt folgendes parteipolitisches Bild:
126 CDU, 89 Grüne, 30 SPD, 4 FDP und 16 Mitglieder ohne offene Parteimitgliedschaft
Erwähnenswert hierbei ist, dass einzelne Magistratsmitglieder in bis zu 18 (!) Aufsichtsräten gleichzeitig sitzen. Dass diese Aufgabenfülle noch eine ordentliche Erfüllung der Aufsichtspflicht möglich macht, muss in Zweifel gezogen werden. Die Besetzung von Vorstand, Aufsichtsrat oder einem gleichartigen Organ einer städtischen Gesellschaft ergibt sich aus der Hessischen Gemeindeordnung. Aus § 25 Abs. 1 HGO ergibt sich die Zuständigkeit des Magistrats, der allerdings nicht verpflichtet ist, nur Mitglieder der städtischen Organe in die Aufsichtsräte der städtischen Gesellschaften zu entsenden, wie dies die politische Klasse der Stadt Frankfurt augenfällig exerziert. Im Gegenteil trägt § 123 der Hessischen Gemeindeordnung genau dem Gedanken Rechnung, dass unter den städtischen Gesellschaften verstärkt Wirtschaftsunternehmen (im Sinne des § 121 HGO) sind, bei denen es bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten auf die Eignung der Auszuwählenden ankommen sollte.
Auf dem Papier hat die Stadt Frankfurt dies auch umgesetzt. So heißt es in dem Magistratsbericht B 375 vom 11.06.2010: „Der Magistrat wählt (…) die einzelnen Vertreter sachbezogen aus. D.h., wenn der Magistrat der Meinung ist, dass eine bestimmte Person aus sachlichen Gründen dafür sehr geeignet ist, kann er diesen Vertreter durch eine Einzelabstimmung wählen.“
Die Besetzung und Vergabe der Aufsichtsratsposten erfolgt aber faktisch nicht nach sachlicher Eignung, sondern nach den Parteibüchern der Regierungskoalition. Daher verwundert die Überrepräsentation von CDU und Grünen nicht und das Nochvorhandensein von FDP- und SPD-Aufsichtsräten ist allein dem Umstand geschuldet, dass die Dauer einer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat nicht mit den Legislaturperioden zusammenfällt.
Die Fraktion Freie Wähler im Römer setzt sich für eine gerechte Besetzung der Aufsichtsratsgremien städtischer Gesellschaften und Wirtschaftsunternehmen ein. Deshalb fordern wir entweder eine Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern nach rein sachlichen Erwägungen und Kenntnissen der Auszuwählenden oder – falls dieses als am sinnvollsten erscheinende Verfahren abgelehnt würde – eine Besetzung nach Parteienproporz, so dass alle Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung gemäß ihrem Stimmen- und Sitzanteil in Aufsichtsräten vertreten wären.