Damit die AfD nicht die falsche Alternative wird
Anmerkungen zu aktuellen Misstönen

Weil ein gescheiterter Parteigründer noch einmal einen beachteten Auftritt haben wollte und auch bekam, ist die von den Strapazen der Bundestagswahl leicht ermattete „Alternative für Deutschland“ in Turbulenzen geraten. Die von der AfD-Führung erfolgte Abgrenzung gegenüber beitrittswilligen Personen aus der Konkursmasse der Partei „Die Freiheit“ sowie auch beitrittswilligen Mitgliedern von anderen, nicht näher benannten „Kleinparteien“ lässt Befürchtungen in der AfD erkennen, von vermeintlichen oder tatsächlichen „rechten“ Kräften unterwandert zu werden. Solche Befürchtungen kann man mit durchaus guten Gründen für übertrieben halten. Gleichwohl sollte der AfD-Parteiführung nicht vorschnell unterstellt werden, vor den Übermächten der „Politischen Korrektheit“ nun doch noch kapituliert zu haben. Solche Reaktionen sind übertrieben und auch ungerecht.
Allerdings wäre eine gelassenere Reaktion auf die erkennbar wichtigtuerischen Äußerungen von Rene Stadtkewitz möglich und wünschenswert gewesen. Zumal bekannt ist und gerade von AfD-Sprecher Bernd Lucke in einem Rundschreiben bestätigt, dass seit Gründung der AfD schon eine ganze Reihe von ehemaligen Mitgliedern der „Freiheit“ ihre politische Arbeit in der neuen, wesentlich erfolgreicheren Partei fortsetzen, nicht wenige davon mit großem Einsatz. Geschadet hat das der AfD meines Wissens so wenig wie die Aktivitäten ehemaliger Mitglieder der Partei „Freie Wähler“, zu denen auch der Verfasser dieser Anmerkungen zählt. Zwar tut die AfD gut daran, künftig weder Rene Stadtkewitz noch Hubert Aiwanger (Freie Wähler) aufzunehmen. Doch warum sollte die AfD auf Dauer gesperrt sein für Menschen, die mit den besten Motiven und Absichten sich in der Vergangenheit für eine politische Organisation entschieden hatten, die sich – aus den verschiedensten Gründen – politisch nicht durchsetzen konnte?
Die längst etablierten Grünen haben in ihrer Gründungsphase jedenfalls keine Bedenken gehabt, massenweise Mitglieder aufzunehmen, die noch wenige Jahre zuvor die Massenmörder Stalin, Mao oder Pol Pot als Idole hatten. Und Anführer von Schlägertruppen wie Joseph Fischer durften bei den Grünen bekanntlich ganz große Karrieren machen. Hingegen könnte man ehemaligen Mitgliedern der „Freiheit“ lediglich den Vorwurf machen, sich allzu lang und allzu monothematisch am Thema „Islamkritik“ festgebissen zu haben. In Kenntnis einer weitverbreiteten Stimmung in Deutschlands Großstädten verdiente dieser Vorwurf eine eher nachsichtige Wertung. Es bleibt deshalb der Eindruck, die jüngste Abgrenzung der AfD-Führung sei weniger einer tatsächlichen Gefahr seitens zuströmender Kleinparteireste geschuldet, sondern vielmehr dem „Kampf gegen Rechts“ geschuldet, derjedoch längst ein Kampf ist gegen alles, was nicht links blinkt.
Der 22. September 2013 hat gezeigt, dass das ganz andere Thema „Euro-Kritik“ für einen bemerkenswerten Achtungserfolg gut war, jedoch nicht den erhofften und in den eigenen Reihen vielfach erwarteten Einzug in den Bundestag brachte. Wenn die AfD künftig mehr erreichen will – und wie könnte sie weniger wollen? - dann muss sie ebenso schnell wie konsequent das Versprechen ihrer Namensgebung einlösen. Die Partei muss folglich nicht nur eine Alternative zur Lösung der Euro-Krise anbieten, sondern – was ungleich schwieriger und anspruchsvoller ist - in jeder Beziehung eine Alternative für Deutschland werden. Wer diesem Anspruch gerecht werden will, darf auf eines keine Rücksicht nehmen: Auf die informelle Oberherrschaft der „Politischen Korrektheit“ samt ihren vielen Tabuzonen. Ein “rechten“ Tendenzen absolut unverdächtiger AfD-Sprecher hat jüngst zum Beispiel erfahren müssen, dass selbst der Gebrauch bestimmter Wörter der deutschen Sprache in den Verdacht einer klammheimlichen Nazi-Gesinnung bringen können.
Ohne Willen, Bereitschaft und Mut, sich in Wort wie in Tat frei zu machen von dieser bedrückenden informellen Oberherrschaft der „Politischen Korrektheit“ wird die AfD ihr großes Versprechen nicht halten können – und in der Folge dieser Enttäuschung sich auch selbst nicht halten können. Es sind weniger die ehemaligen Mitglieder von „Kleinparteien“, die hinderlich bei der Einlösung des Parteinamens zu werden drohen. Vielmehr stellen eher diejenigen AfD-Mitglieder ein nicht zu unterschätzendes Problem dar, die in ihren etablierten Vorgängerparteien CDU und FDP sich teils über Jahrzehnte daran gewöhnt hatten, über bestimmte brisante politische und gesellschaftliche Probleme nur in bestimmter Weise oder besser gar nicht zu reden. Das betrifft auch Menschen, die ohne Parteierfahrung in die AfD gefunden haben: Die langjährige Einschüchterung und faktische Gehirnwäsche, die in den Massenmedien unter der Parole des „Kampf gegen Rechts“ auch weiterhin geführt wird, ist nicht folgenlos geblieben. Allerdings darf nicht generalisiert werden: Viele frühere Mitglieder etablierter Parteien haben sich gerade deshalb für die AfD entschieden, weil sie anders, ja überhaupt über bestimmte Themen sprechen wollen. Und natürlich wollen sie nicht nur darüber sprechen, sondern auch ganz andere Lösungen für die Probleme Deutschlands finden und formulieren.
Was das Thema „Euro-Kritik“ betrifft, sind sich in der AfD sicher alle einig, darüber frei zu diskutieren. Doch bei Problemkreisen wie Einwanderung, Islam, Kriminalität, Außenpolitik, Sozialstaat, Demographie und auch die hierzulande so wichtige Geschichtspolitik wird sich die Partei entschieden schwerer tun, konsensfähige Standpunkte zu erarbeiten, die nicht nur die kleinsten gemeinsamen Nenner an Übereinstimmungen darstellen. Es wird bereits im Vorfeld dieser fälligen Positionsbestimmungen schwierig genug sein, angstfreie Diskussionen zu führen. Denn wenn diese frei und offen verlaufen sollen, dann werden unweigerlich auch Stimmen laut werden, die in meinungsbestimmenden Medien und bei der politischen Konkurrenz skandalisiert werden können.
Doch auch innerparteilich wird es mit einiger Gewissheit Kräfte geben, die aus ihrer Sicht und machttaktischen Gründen missliebige politische Ansichten nicht nur mit diskursiven Mitteln bekämpfen werden – diese Entwicklung zeichnet sich schon ab. Es werden gerade ehemalige Mitglieder etablierter Parteien sein, die erhebliche Schwierigkeiten mit freien und offenen Diskussionen um die künftigen Positionierungen der AfD haben dürften. Denn die Unkultur ihrer Herkunftsparteien bestand ja nicht zuletzt darin, dass interne Diskussionen nur in engen Grenzen, unter strenger Aufsicht der professionellen Führungsschicht sowie meist ohnehin folgenlos veranstaltet wurden. AfD-Mitglieder, die zuvor keiner etablierten Partei angehörten, mögen frei von solchen deformierenden Erfahrungen sein, erleben aber kontroverse inhaltliche Diskussionen mit n Ängsten, die zu Fragen wie diesen treiben: Ist das nicht zu „konservativ“? Klingt das nicht doch reichlich „rechtspopulistisch“? Darf das wirklich gesagt, geschrieben, gar zur Position der Partei gemacht werden?
Diese Ängste sind real, sie sind zu respektieren. Aber sie müssen, soweit unberechtigt, auch mit Überzeugungsarbeit überwunden werden. Zum Beispiel kann der besonders brisante Streitpunkt „Islamkritik“ dadurch entschärft werden, indem eindeutig geklärt wird: Es geht hierbei nicht um die Diskriminierung einer der großen Weltreligionen (was auch in jedem Fall aussichtslos wäre) oder einer Glaubensüberzeugung (was intolerant und grundgesetzwidrig wäre), sondern die Kritik gilt allen Bestrebungen, mit dem Verweis auf den Islam Sonderregelungen, Sonderbehandlungen und Sonderrechte in Deutschland durchzusetzen. Es ist auch nicht „rassistisch“, sondern aus bestimmten Statistiken und Erfahrungen resultierend geboten, künftig bei der Einwanderung nach Deutschland mit Migranten aus dem islamischen Kulturkreis restriktiver als bislang zu verfahren. Das entspräche nur schlicht der praktischen politischen Vernunft und außerdem einem Mehrheitswillen im Volk.
Wer tatsächlich die Alternative für Deutschland sein will, darf weder die Islam-Diskussion noch andere Streitpunkte scheuen. Wie sonst könnte auch eine echte Alternative zur Politik des Parteienblocks entwickelt werden? Es mag sein und aus taktischen Gründen sogar angehen, mit dem Aufnahmestopp für ehemalige Mitglieder von Kleinparteien wie die „Freiheit“ dem Druck der veröffentlichten Meinung und bestimmten Kräften in der AfD einstweilen entgegen zu wirken. Mit solchen Maßnahmen können nun bestimmte Personen ferngehalten werden. Nicht ferngehalten können jedoch politische Meinungen und Positionen, die auf keinen Fall bei der anstehenden Formulierung der Programmatik der AfD ausgesperrt bleiben dürfen. Denn sonst wird aus der neuen Partei, die mit soviel Elan und Begeisterung gestartet ist, vielleicht eine Alternative für die CDU oder die FDP. Auf keinen Fall wird dann allerdings die so notwendige politische Alternative für Deutschland erblühen. Aber genau diese Alternative wird gebraucht – und nichts weniger.
Wolfgang Hübner