Tristess am Goetheplatz
Die Globalisierung fordert ihren architektonischen Tribut, und man muss noch froh sein

2009 wurden die Planungen öffentlich, den Goetheplatz architektonisch neu zu rahmen. Das nun fast fertiggestellte Ergebnis ernüchtert und lädt zur Kritik der aktuellen Architekturtrends ein.
Die Pläne zur Neubebauung entstanden kurz nach der umstrittenen Fertigstellung der Platzfolge Roßmarkt-Goetheplatz-Rathenauplatz in der Frankfurter Innenstadt, gegen deren mangelnde Bepflanzung die Freien Wähler schon frühzeitig zu intervenieren versuchten.
Vier deutsche und vier internationale Architekturbüros waren damals zu einem beschränkten Architekturwettbewerb eingeladen worden. Nun wurde fast der gesamte Gebäuderiegel zwischen Goethe- und Junghofstraße von Architekt Christoph Mäckler neu gebaut. Doch eigentlich hätte man sich in ästhetischer Hinsicht den teuren Neubau der Goetheplatz-Front sparen können, denn bereits die Vorgängerbebauung bestand aus ganz ähnlich strukturierten Rasterfassaden, wenn auch weitgehend solchen der 1950er Jahre.
Die nun errichteten Häuser unterscheiden sich nicht grundsätzlich von jenen der Nachkriegszeit. Ihr Ortsbezug ist nur gering ausgeprägt. So begegnen dem Betrachter einmal mehr schmucklose glatte Fassaden mit mehr oder minder großen Fenstereinschnitten. Welche Freude muss das Bauen noch vor hundert Jahren gemacht haben, als man mit Pilastern, Halbsäulen und mannigfaltigen Ornamenten spielte, als man noch Gesimse, Fensterrahmen, Reliefs und Plastiken an den Gebäuden anbrachte, von der filigranen Dachlandschaft ganz zu schweigen. Statt dessen herrscht heute jene dröge Tristess, die am Goetheplatz zu bewundern ist, und man muss noch froh sein über Mäcklers Gebäude, weil sie größere Bausünden anderer Büros immerhin verhindern. Der Entwurf der zwischenzeitlich favorisierten Architektin Zaha Hadid hätte dem Platz womöglich eine spektakulärere Front beschert.
Allerdings darf man nicht übersehen, dass Hadid eine global agierende "Stararchitektin" ist, deren futuristische Entwürfe bewusst den Bruch mit jeder Bautradition suchen und die noch weit weniger als Mäckler Rücksicht auf die spezifische Situation Frankfurts genommen hätte. Hadid ist Teil des globalistischen Systems, insofern wäre eine Bevorzugung ihres Entwurfs einem Vorgehen vergleichbar gewesen, das die Krankheit mit der Krankheit bekämpft.
Wer die Projekte des Entwicklungsbüros Lang & Cie. Real Estate AG betrachtet, erkennt rasch, dass die Firma geradezu für seelenlos moderne Baublöcke und Rasterfassaden prädestiniert ist. Die vom Eigentümer getroffene Wahl dürfte also kein Zufall gewesen sein. Doch die Seelenlosigkeit dieser gebauten Frankfurter Lebenswelt ist auch aus anderen Gründen kein Zufall. Als Eigentümer der Gebäude fungiert eine Frankfurt Goet Two GmbH, über die im Internet kaum Informationen zu finden sind. Eine Unternehmensbilanz ist nur gegen Gebühren einsehbar.
Die Postadresse dieses Eigentümers liegt wiederum bei der Unternehmensberatung Watermark Global GmbH, die offenbar in der Savignystraße 42 sitzt.
Hier scheinen etliche Stränge zusammen zu laufen, denn z.B. findet sich unter gleicher Adresse auch eine Durango Real Estate GmbH.
Und die Watermark Global GmbH ist wiederum offenbar damit betraut, nicht näher genannte "internationale Investoren" zu betreuen.
Ohne nur auf den Einzelfall zu schauen, dessen Hintergründe nicht vollständig einsichtig sind, sollte klar sein, welche zwangsläufigen Auswirkungen für das Stadtbild und damit die Kultur eines Landes derartige ökonomische Verflechtungen generell haben. Sie sind das Ergebnis der Globalisierung und der gigantischen Geldströme anonymer Großinvestoren, die eventuell noch nie einen Fuß nach Frankfurt gesetzt haben. Angesichts der aktuellen Geldschwemme will das Vermögen des Großkapitals schlicht angelegt werden. Und diesen Immobilieninvestoren geht es letztlich allein um die Vergrößerung von Profiten, nicht aber um die Pflege kulturellen Erbes oder die Bewahrung einer kulturellen Eigenart des Stadtraums.
Der Goetheplatz war vor dem zweiten Weltkrieg von historistischer Architektur geprägt, die sicherlich nicht zu den herausragenden Bauerzeugnissen jener Jahre gehört, deren Qualität und Filigranität aber den heutigen Rasterfassaden weit überlegen war.
Tragisch ist dabei immer noch der Verlust des neogotischen Stollwerck-Hauses, das ein hervorragender Rekonstruktionskandidat wäre, ebenso wie die verstümmelte Dachlandschaft des erhaltenen Bankgebäudes an der Einmündung zur Junghofstraße.
Immerhin hat Christoph Mäckler als Zitat auf jene Epoche der Baukunst auf das Eckgebäude zur Goethestraße einen trapezförmigen Turmhelm gesetzt, der an den Vorläuferbau erinnert. Mehr an historischer Bezugnahme war aber ganz offensichtlich nicht drin. So kann man das Fazit ziehen: Mäcklers Rasterfassaden sind öd und sprühen keine wahre Lebensfreude aus. Trotz alledem hätte es aber weit schlimmer kommen können. Die Anhänger von am Computer entworfenen asymetrischen Fensterreihungen, Strichcodefenstern, rücksichtslos wuchernden Flachdachblöcken oder vorgehängten Blechfassaden stehen auch stets parat, wenn es um die Bewerbung zu Bauvorhaben geht. Die Zeit scheint in der Baukunst eben kulturell armselig, und auch dies dürfte das Ergebnis der Internationalisierung sein.
Marlis Lichtjahr