Designer gegen Leerstand
Wie die Politik die selbst gemachten Probleme zu bekämpfen versucht

Anfang Dezember fand im Stadtteil Höchst der dritte "Designparcours" statt. Junge Designer präsentierten in einstigen Leerstands-Geschäften ihre Produkte. Es ist dies ein liebenswerter und vernünftiger Ansatz, Leben in von Leerstand bedrohte Geschäftszeilen zu bringen. Die Gefahr ist allerdings, dass die strukturellen Probleme dadurch kaschiert werden, statt an ihrer Lösung zu arbeiten.
Höchst zeigt das Bild vieler Stadtteile abseits der Fußgängerzonen der direkten Innenstadt. Zunehmend stehen Einzelhandelsgeschäfte leer. In vielen deutschen Kleinstädten und ländlichen Regionen drückt sich das Sterben des Einzelhandels ebenfalls ins verwaisenden Läden und abnehmenden Einkaufsangeboten in der eigenen Nachbarschaft aus.
Die Politik versucht dem durch allerlei Symbolpolitik und kulturelle Kleinprojekte ein wenig entgegen zu wirken. So verfolgt das Projekt "Designparcours" das Ziel, Nachwuchsdesigner aus dem Rhein-Main-Gebiet in leer stehenden Ladengeschäften anzusiedeln. Die dafür verantwortliche Leerstandsagentur "Radar" handelt mit den Immobilienbesitzern günstigere Mietpreise aus und überzeugt sie, dass eine geringe Miete besser als völliger Leerstand ist. Den Nachwuchskreativen – Künstlern, Mode- und Schmuckdesignern – wird dann provisionsfrei dieser Gewerberaum vermittelt. Ein richtiger Ansatz, wenngleich aus der Not geboren.
Die städtische Agentur "Radar" wiederum beruht auf einem kommunalen Förderprogramm und arbeitet mit dem Stadtplanungsamt, der Wirtschaftsförderung Frankfurt und dem zuständigen Quartiersmanagement zusammen. Entsprechend der im Eigeninteresse liegenden Werbung klingt auch die euphorische Sprache von "Radar"-Geschäftsführer Jakob Sturm: „Wir wollen Frankfurt zu einem lebendigen, dynamischen Standort für junge Menschen machen. Frankfurt ist mehr als nur Banken- und Dienstleistungsstadt.“
So richtig und begrüßenswert die Maßnahme ist, so sehr ist sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein des strukturellen Problems. Sie kaschiert nur die Folgen einer falschen Politik, die erst zu den besagten Leerständen geführt hat. Jakob Sturm hat die Veränderung des Kaufverhaltens der Kunden als einzige Begründung für die zunehmende Verwaisung der Geschäftsstraßen parat. So ginge der Trend zu Internet und großen Einkaufszentren.
Hier aber liegt bereits der Knackpunkt, denn die großen Einkaufszentren, die in ihrer Hässlichkeit manch einstige Wiese verschandeln, sind nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis konkreter politischer Entscheidungen. Würden nicht nach Gewerbesteuereinnahmen gierende Kommunalpolitiker den Baugrund für Großketten bereitstellen, würde diese Konkurrenz für den innerörtlichen Einzelhandel gar nicht entstehen. Die Bürger würden sich zudem überlegen, ob sie sehr weite Wegstrecken in Kauf nehmen, um ein eventuell in einer anderen Gemeinde genehmigtes Einkaufszentrum zu erreichen, statt im Bereich des eigenen Stadtteils zu verbleiben. Die durch die Einkaufszentren eingenommene Gewerbesteuer wird dann ohnehin oft überflüssig verbraucht, unter anderem auch, um wiederum Maßnahmen wie jene der Leerstandsagentur "Radar" zu bezahlen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Internet. Wäre die bundesdeutsche Politik gewillt, könnte sie auch hier regulierend eingreifen, zum Beispiel durch eine zusätzliche Besteuerung von Online-Geschäften, was dann dem mittelständischen Einzelhandel als Subvention zugute kommen könnte. Amazon & Co. würde also Abgaben leisten, mit denen der kleine örtliche Buchhändler besser überleben könnte. Möglichenfalls würden sich daraufhin auch ganz neue wirtschaftliche Strukturen ergeben, z.B. Franchise-Filialen, die als Auslieferungsgeschäfte für Versandhäuser dienen, somit wieder dem Leerstand entgegen wirken.
Zuletzt darf auch nicht das Sterben des alteingesessenen Einzelhandels durch die von der Politik zugelassenen Veränderungen der Bevölkerungsstruktur übersehen werden. Viele Läden sind an eine halbwegs zahlungskräftige deutsche Kundschaft mit einem bestimmten Einkaufsverhalten gebunden. Bricht diese Kundschaft weg, indem sich neue Bevölkerungsgruppen ausbreiten, so bricht auch vielen traditionellen Geschäften die Kundschaft weg. Dönerbuden, Spielsalons und 1-Euro-Läden breiten sich aus und haben nicht über Leerstandsgefahren zu klagen.
Auch hierfür trägt die Politik der herrschenden Parteien die Verantwortung. Und so geschehen Projekte, wie der "Designparcours", nicht nur aus purem Altruismus gegenüber jungen Künstlern und Designern. Sie sind letztlich auch mit öffentlichen Geldern geförderte Bemühungen, die Folgen der eigenen Politik optisch ein wenig zu übertünchen.
Marlis Lichtjahr